Finanzen

Zins-Entscheidung in den USA: Die Märkte entscheiden, nicht die Fed

Lesezeit: 4 min
27.09.2015 01:05
Fed-Präsidentin Yellen scheint nun entschlossen zu sein, die Zinsen zu erhöhen. Doch alles wird von der Entwicklung an den Finanzmärkten abhängen. Denn tatsächlich vollzieht die Geldpolitik nur nach, was auf den Märkten als Realität bereits eingetreten ist.
Zins-Entscheidung in den USA: Die Märkte entscheiden, nicht die Fed

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Bei einer Präsentation über die amerikanische Geldpolitik hat die Notenbankpräsidentin Janet Yellen ihren Ausblick über die Zinspolitik konkretisiert. Sie erklärte diesen mit einer gelassenen Interpretation der Inflation und Inflationsrisiken. Sie äußerte die Erwartung, dass die Fed die Nullzinspolitik im vierten Quartal aufgeben wird. Danach erwartet sie über die Zeit verteilt weitere moderate Zinssteigerungen.

Die amerikanische Notenbank hatte am 17. September den Entscheid getroffen, die Nullzinspolitik weiterzuführen. Sie begründete den Nullentscheid unter anderem mit der Krise der Schwellenländer und Rücksichten auf die Finanzmärkte. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Die Wirkung auf die Finanzmärkte muss sogar als kontraproduktiv bezeichnet werden. Seit diesem Datum sind die Währungen, Aktien- und Obligationenmärkte in den wichtigsten Schwellenländern wieder im freien Fall. Nicht nur erreichten sie neue Tiefstände gegenüber dem Dollar, die Volatilität nahm auch stark zu, ein untrügliches Zeichen für Risikosituationen. Die Unsicherheit über den künftigen Kurs der US-Notenbank wiegt schwer. Die amerikanische Notenbankpräsidentin Yellen versuchte deshalb, die Wogen zu glätten, ihre Geldpolitik zu erklären und auch einen Pfad für die Aufgabe der Nullzinspolitik zu skizzieren.

Die Zuspitzung der Marktlage in den Schwellenländern ist allerdings nicht allein der zweideutigen Kommunikation der Fed-Geldpolitik vom 17. September zuzuschreiben. Hauptsächlich drückt die verschlechterte Wirtschaftslage in China auf deren Wirtschaftsaussichten. Chinas Konjunkturdaten zeigen nach wie vor nach unten, vor allem ausgedrückt durch den PMI in der verarbeitenden Industrie, aber auch durch die immer mehr sich ausbreitende Deflation bei den Produzentenpreisen. Der PMI ist auf einem Sechs-Jahres-Tiefstand, die Produzentenpreise liegen 5,9 Prozent unter dem Vorjahresstand. Auch die tatsächlichen und die zu erwartenden Veränderungen der Ratings belasten die Finanzmärkte der Schwellenländer. Die Staatsschuld Brasilien wurde von einer der drei großen Agenturen am 10. September neu auf Junk-Niveau herabgestuft. Dies hat, wie üblich, gewichtige Folgen für alle anderen Risikospreads in Brasilien, also auch für die nicht-finanziellen Unternehmen und Banken. Die Credit Default Swaps (CDS) für mehrere andere Schwellenländer signalisieren, dass die Märkte in den nächsten Monaten auch für sie Herabstufungen auf Junk-Niveau erwarten. Zu diesen Ländern gehören die Türkei, Malaysia, Südafrika, Kasachstan, Peru. Hintergrund ist derselbe wie in Brasilien: Stark gefallene und weiter fallende Rohstoffpreise, ein tiefer Fall der Währung, hohe ausstehende Schulden in Fremdwährungen, zumeist in USD, politische Instabilität und/oder Unfähigkeit der Regierung, auf die Situation mit einem glaubwürdigen Plan zu reagieren. Auch für China oder Chile signalisieren die CDS die Erwartung signifikanter Herabstufungen, allerdings immer noch auf Niveaus, die Investment-Grad darstellen.

Wichtig für die neuerliche Verschlechterung der Situation in den Schwellenländern ist auch die Tatsache, dass führende amerikanische Investmentbanken ihren Ausblick für die Rohstoffpreise markant abgesenkt haben. Sie gehen inzwischen von einem deutlichen Unterschießen in der mittleren Frist (für Erdöl) oder sogar von jahrelangen Durststrecken (für Kupfer) aus. Die amerikanische Notenbankpräsidentin versuchte den Eindruck zu zerstreuen, dass sie die beiden Hauptziele der Geldpolitik – Preisstabilität und Vollbeschäftigung – wegen der Schwellenländer aus den Augen lässt. Sie hob die Rolle stabiler Inflationserwartungen für den Inflationsprozess in den USA hervor. (In der Fachsprache argumentierte sie mit einer expectation-augmented Phillips-Kurve). Die zwei Prozent Inflation interpretierte sie nicht unbedingt als Preisstabilität, sondern als für die Ziele der Geldpolitik optimal. Die Notenbank könne so das Risiko zukünftiger deflationärer Entwicklung vermeiden. Bei einer Nullinflation werde dies sehr schwierig, weil die Notenbank keine signifikant negativen Leitzinsen implementieren könnte.

Die Inflationsrisiken sieht sie trotz der tiefen, offiziellen Arbeitslosenquote als gering an. Die längerfristigen Inflationserwartungen seien stabil. Die Arbeitsmarktlage enthalte immer noch bedeutende Unterbeschäftigung vor allem von Personen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hätten, sowie von Teilzeit-Beschäftigten, die gerne Vollzeit arbeiten würden. Die Fed sehe eine Quote von 4,9 Prozent als Vollbeschäftigung an, würde aber ein leichtes Unterschießen dieser Marke begrüßen. Damit könnte ein Anstieg der offiziellen Teuerungsrate auf zwei Prozent erleichtert werden. Die Notenbank könne allerdings nicht warten, bis dies erreicht sei, sondern müsse schon vorzeitig zu agieren beginnen. Darum ihre Erwartung, dass die Fed Funds Rate im 4. Quartal erstmals erhöht wird.

Yellen betonte trotz aller Fortschritte der Forschung die Unsicherheit von Inflationsprognosen. Darum enthält ihr Zinsausblick ein Caveat. Sollten sich signifikante Abweichungen vom erwarteten Wirtschaftsverlauf ergeben, würde die Notenbank dies berücksichtigen. Deshalb sehe sie die Geldpolitik auch abhängig vom weiteren Datenverlauf. Diese Charakterisierung ist ein beliebtes Stilmittel für die Implementierung der Geldpolitik. Die Notenbank kreiert im Grundsatz eine Daten- oder Szenarioabhängigkeit der Geldpolitik. Wenn etwas eintrifft oder nicht eintrifft, wird die Aktion oder Nicht-Aktion der Notenbank von den Marktteilnehmern vorweggenommen.

Die Notenbank wäre dann quasi vom Finanzmarkt legitimiert. Würde sich also die Zunahme der Beschäftigung, die bei rund 240.000 Stellen pro Monat ist, signifikant verlangsamen, so würden die Marktteilnehmer eine geringere Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen einpreisen. Umgekehrt wären robuste Stellenzuwächse von 250.000 und mehr eine Legimitation für etwas beschleunigte Zinserwartungen. Die Aussagen der Notenbankpräsidentin geben ihr jedoch genügend Spielraum, Zinsveränderungen in jedem Fall etwas hinauszuschieben. Selbst temporäre Arbeitslosenquoten von rund 4,7 Prozent würden noch nicht als inflationstreibend interpretiert. Und wenn, würde der Markt und nicht die Notenbank die Bad News zuerst vermelden. Was die Notenbank, abgesehen von einer Präferenz für tiefe Zinsen, unbedingt vermeiden will, ist ein Szenario, in dem ihre Aktion zu Einbrüchen an den Finanzmärkten führt.

In der Realität dürfte das Ganze etwas anders aussehen. Die empirischen Untersuchungen zur Phillips-Kurve zeigen eine hohe Abhängigkeit der Inflationsrate von der kurzfristigen, aber nicht von der langfristigen Arbeitslosigkeit. Nur letztere enthält aber noch Reserven, die kurzfristige jedoch keineswegs. Die Notenbankpräsidentin bezieht sich ferner auf den Konsumdeflator, eine Größe, die wiederholt schon größere Revisionen gesehen hat. Als Inflationsmaßstab ist dieser weniger geeignet, weil er die unterstellten Mieten der Eigentümer selbst bewohnter Häuser oder Wohnungen deutlich unterschätzt.

Summa summarum hat die Notenbankpräsidentin eine Zinserhöhung angekündigt und sich für die nächsten Monate eine Ausgangsbasis verschafft, um flexibel reagieren zu können. Dabei wird aber Wesentliches von den Finanzmärkten eingepreist werden, und ihre Handlung quasi dadurch legitimiert sein. Für die Schwellenländer bedeutet diese Ankündigung eine gewisse Klarheit. Für die großen Sorgenkinder (Brasilien, Türkei, Malaysia) ist die Fed-Politik ohnehin zweitrangig. Im Vordergrund stehen dort die Wirtschaftsentwicklung in China und vor allem die zugespitzte innenpolitische Situation.

 

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