Politik

Afghanistan: Taliban erobern Kundus

Lesezeit: 2 min
28.09.2015 14:16
Die Taliban-Miliz hat offenbar die nordafghanische Stadt Kundus erobert. Die deutschen Behörden warnen bereits jetzt vor einer steigenden Zahl von Asylbewerbern aus Afghanistan. Ohne ein Ende der globalen Wirtschaftskriege wird die Vertreibung aus den Krisenregionen anhalten.
Afghanistan: Taliban erobern Kundus
Die afghanische Stadt Kundus wurde von den Taliban-Kämpfern eingenommen. (Screenshot)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die radikalislamische Taliban-Miliz hat offenkundig die nordafghanische Stadt Kundus erobert. Taliban-Kämpfer hissten ihre Flagge auf dem zentralen Platz der Stadt, wie ein Reuters-Korrespondent berichtet.

Im Herbst 2013 verließt die Bundeswehr Kundus. Die Taliban gewannen seither an Macht in der nordafghanischen Provinz und begannen am Montag eine Offensive zur Eroberung von Kundus-Stadt."Kundus-Stadt ist am Morgen aus mehreren Richtungen angegriffen worden", sagte Provinz-Polizeisprecher Sajed Sarwar Hussaini. Die Taliban riefen Zivilisten dazu auf, bis zum Ende der Kämpfe in ihren Häusern zu bleiben. Weitere Angaben lagen zunächst nicht vor.

Wenige Stunden nach dem Beginn ihrer Offensive in Kundus haben die Taliban nach Polizeiangaben die Hälfte der nordafghanischen Provinzhauptstadt eingenommen. "Schwere Kämpfe dauern in Kundus an", sagte der Polizeisprecher der Provinz Kundus, Sajed Sarwar Hussaini, am Montag. "Die Hälfte der Stadt wird von den Taliban kontrolliert, die andere Hälfte von Regierungstruppen" (Video am Anfang des Artikels).

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, die afghanischen Sicherheitskräfte seien weiterhin "grundsätzlich in der Lage, den Taliban entgegenzutreten". Bislang sei es ihnen auch gelungen, die Großstädte des Landes unter ihrer Kontrolle zu halten. Zu der aktuellen Situation in Kundus lägen der Bundesregierung noch keine weiteren Erkenntnisse vor.

Die deutschen Behörden warnen bereits vor einer steigenden Zahl von Asylbewerbern aus Afghanistan. Derzeit verließen monatlich bis zu 100.000 Afghanen ihr Heimatland, berichtete die Welt am Sonntag unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Zahl der Flüchtlinge sei seit Anfang des Jahres gestiegen, seitdem die afghanischen Behörden elektronisch lesbare Pässe ausgeben, mit denen eine Ausreise in den Iran möglich sei. Die Nachfrage sei enorm.

In diesem Jahr seien bisher etwa 70.000 Afghanen in Europa angekommen, zitierte die Zeitung den Chef der Afghanistan-Mission der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Richard Danziger. Wesentlich mehr seien noch auf dem Weg nach Europa, oftmals sei ihr Ziel Deutschland.

14 Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes ist die erneute Massenflucht der Afghanen auch ein Armutszeugnis für die internationale Gemeinschaft, der es nicht gelungen ist, das Land zu stabilisieren. Der Westen hat Unsummen in den Krieg gesteckt, Deutschland eingeschlossen:  Die Bundesregierung gibt die Kosten laut Tagesschau offiziell mit 8,8 Milliarden Euro für zehn Jahre Afghanistan-Feldzug an.

Zuvor hatte bereits die damalige Sowjetunion das Land verwüstet. Das Ergebnis: Afghanistan ist am Ende und hat keine Zukunft. Die Versprechungen der verschiedenen US-Regierungen, Bundesregierungen, UN-Gremien oder „Friedenskonferenzen“ sind leere Phrasen geblieben. Profitiert hat die internationale Rüstungsindustrie.

Die modernen Kriege erfolgen längst nicht mehr nach den rudimentären Regeln der Haager Landkriegsordnung: Seitdem die „gezielte Tötung“ als legitime Kampfart gegen den „Terror“ üblich geworden ist, kann sich die Zivilbevölkerung nicht mehr schützen. Sie kann sich auch nicht wirtschaftlich schützen, wenn Wirtschaftssysteme im Dienst der angeblich guten Sache zerstört werden, um irgendwelchen „Terroristen“ keinen sicheren Hafen mehr zu bieten. Der sogenannte „Islamische Staat“ oder die „Taliban“ sind unter anderem deshalb so erfolgreich, weil er vielen Männern den einzigen Job bietet, mit dem sie ihre Familien ernähren können: Der Berufsstand des Söldners ist die sicherste Betätigung, die in den aktuellen Kriegsgebieten Einkommen und Arbeit sicherstellen kann.

Menschen werden zu Flüchtlingen, wenn ein Krieg ihr Heimatland zerstört. In der Regel sind es geopolitische Interessen, die Regionen verwüsten. Fast immer haben irgendwelche Großmächte ihre Hände im Spiel. Fast immer profitieren auch jene Länder, die sich als Hort des Guten, als Bewahrer der Werte, als Hüter von Menschenrechten und Demokratie gerieren.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Nato-Raketenabwehrschirm: Polen verstärkt seine Sicherheitsmaßnahmen - und Russland droht
14.11.2024

In einer klaren Reaktion auf die anhaltende Bedrohung aus Russland wurde in Polen kürzlich ein Stützpunkt für den...

DWN
Politik
Politik Ukraine unter Druck, Nato-Chef Rutte fordert mehr Hilfe
13.11.2024

Nato-Generalsekretär Mark Rutte zufolge müssen die westlichen Partner jetzt fest „zusammenstehen.“ Er fordert mehr Unterstützung...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konjunktur-Jahresbericht: Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose - und warnen vor Trump-Politik
13.11.2024

Angesichts der politischen Unsicherheiten und der anhaltenden Konjunkturflaute haben die Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgestellt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ford: Stellenabbau droht - Kurzarbeit für 2.000 Beschäftigte in Köln
13.11.2024

Über Jahrzehnte hinweg konnte Ford auf dem europäischen Automarkt punkten, etwa mit dem beliebten Kleinwagen Fiesta. Inzwischen setzt das...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Berlin erreicht Talsohle - was jetzt für Immobilienbesitzer wichtig wird
13.11.2024

Im Jahr 2023 gab es eine seltene Korrektur auf dem Berliner Immobilienmarkt nach rasant steigenden Preisen. Aktuell stabilisieren sich die...

DWN
Politik
Politik Neues Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland – Russland geht den entgegengesetzten Weg
13.11.2024

Deutschland und Russland verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze in der Geschlechter- und Familienpolitik: Während Deutschland mit dem...

DWN
Politik
Politik „Unvermeidlich“: Scholz verteidigt Ampel-Aus, nennt noch mögliche Gesetz-Beschlüsse
13.11.2024

Eine Woche nach dem Aus der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung zur „aktuellen Lage“...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft CO2-Emissionen: Bedarf an fossilen Brennstoffen bleibt hoch
13.11.2024

Die globalen CO2-Emissionen steigen weiter an – trotz einiger Fortschritte in Ländern wie Deutschland und den USA. 2024 könnte ein...