Unternehmen

Nur Konzerne profitieren: Mittelstand macht gegen TTIP mobil

Es sei eine Legende, dass die deutsche Wirtschaft für das Freihandelsabkommen TTIP sei, sagt die Chefin von Fella Maschinenbau. Nur die großen Konzerne profitieren. Die kleinen und mittleren Unternehmen machen nun Front gegen das Abkommen. Es höhle die Standards aus und vernichte Arbeitsplätze.
08.10.2015 01:22
Lesezeit: 2 min

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Was hat Sie dazu bewegt, „KMU gegen TTIP“ zu unterstützen?

Martina Römmelt-Fella: Die kleinen und mittleren Unternehmen wurden immer mehr in der Debatte als „angebliche Profiteure“ benutzt (Darstellung EU-Handelskommissarin Malmström, starke Pro-TTIP Aktivitäten der großen Wirtschaftsverbände). Gemeinsam mit den mehr als 1250 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fühle ich mich weder vom BDI noch von den Industrie- und Handelskammern vertreten. Es fehlt absolut eine ausgewogene Darstellung, so wurden beispielsweise in Studien bisher immer nur exportorientierte Unternehmen zu TTIP befragt: mit natürlich vorhersehbaren Ergebnissen. Das wollen wir ändern!

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Was sind Ihrer Meinung nach die zwei größten Schwachpunkte und die drei größten Gefahren von TTIP für den Mittelstand?

Martina Römmelt-Fella: Die zwei größten Schwachpunkte von TTIP sind die falschen Versprechungen für die Wirtschaft (Wohlstand für alle, gleiche Normen für alle) und die großen Fragen, die alle Teile der Gesellschaft angehen: Aushöhlung demokratischer Prozesse, Klagemöglichkeit von Konzernen, ökologische und soziale Errungenschaften Europas.

Die drei größten Gefahren für den Mittelstand sind erstens, dass v.a. Konzerne durch die zentralen Elemente von TTIP profitieren würden (Investorenschutz, Vereinheitlichung von Normen und Standards; Marktöffnung bei öffentlichen Ausschreibungen). Zweitens, dass Arbeitsplätze vor Ort in den Regionen vernichtet werden würden (NAFTA brachte allein für Mexiko unterm Strich einen Verlust von 1,9 Mio. Arbeitsplätzen; aber auch der amerikanische Mittelstand hat verloren). Drittens, dass durch steigende Importe aus USA der Wettbewerbsdruck für die deutschen KMUs extrem verstärkt werden würde. Der Konzentrationsdruck ist ohnehin jeden Tag spürbar.

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Ist die Lobby der großen international tätigen Unternehmen in Brüssel nicht viel stärker als deutsche KMU?

Martina Römmelt-Fella: Ja, sicher, das ist ja ein Teil des Problems. Wir KMUs sitzen nicht mit am Verhandlungstisch, dafür aber die global agierenden Konzerne. Dies würde sich im regulatorischen Kooperationsrat, der für TTIP geplant ist, übrigens wiederholen bzw. manifestieren.

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, etwas mit der Initiative bewegen zu können?

Martina Römmelt-Fella: Gerade für uns als  KMUs ist es existentiell, zu wissen, was auf uns zukommt. Und viele KMUs sind ja nicht einmal über mögliche Vor- und Nachteile von TTIP informiert. Unsere Chancen stehen daher sehr gut, dass wir eine offene, ausgewogenere Debatte anstoßen können – und die großen Wirtschaftsverbände und Kammern nicht mehr einfach so behaupten können, „die“ Wirtschaft sei für TTIP.

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Gibt es eine Kooperation mit der Bürgerinitiative „Stopp TTIP"?

Martina Römmelt-Fella: Nein, wir kooperieren nicht mit der Bürgerinitiative. Einzelne von uns haben Kontakte dorthin, z.B. der Initiator Gottfried Härle über seinen ökologisch orientierten Unternehmensverband. Zur Großdemonstration am 10.10.2015 in Berlin rufen wir aber als Unterstützer mit auf – und werden mit einem eigenen Banner vertreten sein.

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Wie ist der Kontakt zu anderen europäischen Mittelständlern hinsichtlich der Initiative?

Martina Römmelt-Fella: In Österreich haben ebenfalls bereits mehr als 1.200 Unternehmen via www.kmu-gegen-ttip.at unterzeichnet – die österreichische Initiative war vor unserer am Start. Es gibt bereits kritische Unternehmer_innen in Frankreich, in Belgien, in Slowenien, in Tschechien, in Spanien – mit denen wir lose kooperieren. Mit den Kollegen in Österreich sprechen wir uns etwas enger ab. Es gibt ja auch mehrere Wirtschaftsverbände, die auf europäischer Ebene engagiert sind, so weist zum Beispiel das European Milkboard seit Anfang an auf die kritische Situation der Landwirte unter mehr amerikanischen Importen hin.

Deutsche Mittelstands Nachrichten: Gibt es auf Seiten amerikanischer KMU ähnliche Bedenken?

Martina Römmelt-Fella: In Amerika gibt es ebenfalls eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung gegen TTIP. Deren hart erkämpfter Ansatz „buy american“ zum Beispiel, der die regionalen Hersteller stärkt, würde TTIP zum Opfer fallen. Die Welthäfen New York, San Francisco, Los Angeles oder Miami, das Industrie- und Dienstleistungszentrum Pittsburgh und sogar Hollywood, California haben sich symbolisch per Stadtratsbeschluss zu TPP- bzw. TTIP-freien Zonen erklärt. Der US-amerikanische Gewerkschaftsbund AFL-CIO ist gegen TTIP. Im Sektor Landwirtschaft gibt es viele Unternehmen, die sich gegen TTIP zu Wort melden. Darüber hinaus sind uns bisher keine branchenspezifischen Aktivitäten bekannt.

 

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