Unternehmen

Medizintechnik-Branche profitiert von niedrigen Zinsen

Während die Umsatzerlöse der Medizintechnik-Unternehmen in den USA und in Europa in diesem Jahr nur um zwei Prozent gestiegen sind, hat sich das Finanzierungsvolumen fast verdoppelt. Zusammenschlüsse und Börsengänge sind treibende Faktoren beim Wachstum der Branche.
15.10.2015 12:10
Lesezeit: 2 min

Im vergangenen Jahr konnten die amerikanischen und europäischen Medizintechnik-Unternehmen so viel Geld durch Kreditaufnahmen und Börsengänge an Land ziehen wie noch nie zuvor. So lag das Finanzierungsvolumen der Branche für den im Juni endenden Zwölfmonatszeitraum bei fast 50 Milliarden Dollar. Das ist doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum, wie der Medizintechnik-Report von Ernst & Young zeigt.

„Die Medizintechnikbranche profitiert hierbei eindeutig vom äußerst robusten Börsenboom des Biotech-Sektors“, sagt Siegfried Bialojan. „Es wird entscheidend sein, wie das dadurch erzeugte Interesse des Kapitalmarkts an High-Tech-Entwicklungen insgesamt nachhaltig aufrechterhalten werden kann.“ Hier müsse die Branche anknüpfen, denn sie werde sich nicht immer auf das derzeit noch positive Zinsumfeld verlassen können. „Investoren wollen in Zukunft noch stärker von der Qualität der Innovationen überzeugt werden.“

Etwas geringer fiel hingegen der Umsatz aus. Dieser stieg im vergangenen Jahr nur um zwei Prozent auf 341 Milliarden US-Dollar. Das gebe Bealojan zufolge „Anlass zur Sorge“. Hier wird letztlich die Entwicklung in der Biotechnologie in den kommenden Jahren entscheidend sein. Insgesamt konnten die Medizintechnik-Konzerne aus den USA ihren Umsatz deutlicher stärken als die Konkurrenz aus Europa. Wobei bei beiden zu beobachten war, dass Mischkonzerne, wie Siemens und Johnson & Johnson, sogar einen leichten Umsatzrückgang verbuchten. Unter den zehn am schnellsten wachsenden Medtech-Unternehmen Europas (gemessen an ihren jährlichen Wachstumsraten) findet sich auch ein deutsches Unternehmen: die Merck KGaA: EMD Millipore.

Trotz nicht ganz so großer Umsatzsprünge haben die Unternehmen jedoch ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung um sechs Prozent auf 14,3 Milliarden Dollar angehoben. Seit 2009 sind die Investitionen jedes Jahr angehoben worden. „Investitionen in Innovationen und vor allem die glaubhafte Vermittlung des Nutzens dieser Innovationen für Patienten, Kostenträger und Investoren sind für die Zukunft der Medizintechnikbranche entscheidend, gerade vor dem Hintergrund strengerer Vorschriften für den Markteintritt in den USA“, sagt Bialojan. Es müsse sich allerdings erst zeigen, ob die höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung tatsächlich ein Anzeichen für mehr Innovation seien oder ob Innovation einfach nur teurer werde.

Trotz der Bedeutung von Innovation und Forschung haben vor allem Start-Ups in der Medizintechnikbranche jedoch Schwierigkeiten, an Startkapital zu kommen. So ging das Venture Capital für diese im untersuchten Zeitraum sogar um 2,45 Prozent auf 4,7 Milliarden Dollar zurück. Insgesamt konnten Start-Ups aus allen Branchen aber 57 Milliarden Dollar 2014 einsammeln. In die Medizintechnik-Branche wandert dabei bisher scheinbar nur ein sehr kleiner Teil.

Einfacher war die Jagd nach Kapital für etablierte Unternehmen. Neben Kreditaufnahmen in Höhe von mehr als 40 Milliarden Dollar spülten vor allem Börsengänge Geld in die Kassen. Die vier größten Kreditaufnahmen des vergangenen Jahres ermöglichten dann auch Zukäufe. So konnte sich Medtronic zur Finanzierung der im Januar 2015 beendeten Übernahme von Covidien 17 Milliarden US-Dollar sichern. Weitere Milliarden sicherten sich Becton Dickinson, Zimmer und Boston Scientific für Übernahmen.

„Der M&A-Markt wurde zusätzlich getragen von den Bemühungen vieler Big Player, ihre Geschäftsausrichtung stärker zu fokussieren und sich deshalb von Teilen ihrer Medizintechnik zu trennen“, kommentiert Gerd Stürz, Leiter des gesamten Life Science Marktsegments bei EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Insgesamt stand wieder viel Geld zur Verfügung – allerdings verteilt es sich auf immer weniger Akquisitionen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...