Chinas Notenbank reagiert auf die Konjunkturabkühlung mit einer weiteren Zinssenkung. Die Währungshüter in Peking senkten den Leitzins mit einjähriger Laufzeit am Freitag um einen Viertel Prozentpunkt auf 4,35 Prozent. Zudem müssen die meisten Großbanken künftig weniger Kapital als Mindestreserve bereithalten. Das bedeutet, dass weniger Geld als Sicherheit gebunden ist und mehr Mittel für Kredite bereitstehen. Der entsprechende Mindestreservesatz wurde auf 17,5 Prozent gekappt. Das Wirtschaftswachstum war zuletzt unter die magische Grenze von sieben Prozent gerutscht - das ist das niedrigste Quartalswachstum seit den Zeiten der globalen Finanzkrise Anfang 2009.
Deutschland könnte nach Einschätzung von Experten seine Position als wichtigster Handelspartner Chinas in der EU an Großbritannien verlieren. „Die goldene deutsch-chinesische Ära dauerte von 2005 bis 2013 - nun scheint die goldene chinesisch-britische Ära anzubrechen“, sagte der Chef des China-Instituts Merics, Sebastian Heilmann, am Donnerstag in Berlin. „Es steht ein Wachwechsel in der Europapolitik Chinas an.“ Er verwies auf den viertägigen Besuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Großbritannien, bei dem Wirtschaftsverträge über fast 55 Milliarden Euro unterzeichnet werden sollen. Xi hatte am Mittwoch in London gesagt, er wolle Großbritannien zum „Partner der ersten Wahl“ für die Volksrepublik machen. Bisher verzeichnet die deutsche Wirtschaft rund die Hälfte der gesamten EU-Exporte nach China.
Die chinesische Wirtschaft werde gerade stärker auf den Konsum und Dienstleistungen ausgerichtet, sagte Heilmann. „In diesen Bereichen ist Großbritannien viel besser aufgestellt als Deutschland.“ Viele deutsche Maschinenbaufirmen hätten schon jetzt Probleme auf dem bisher boomenden Markt China. In Peking gebe es zudem Ernüchterung über die schleppende Zusammenarbeit mit deutschen Firmen im Hightech-Bereich „Industrie 4.0“, also der Verschmelzung von Industrieproduktion und IT-Technik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird kommenden Mittwoch nach China zu Gesprächen über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit reisen. Merkel werde unter anderem Ministerpräsident Li Kequiang und Präsident Xi Jinping treffen, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag mit. Am Donnerstag reise sie zusammen mit Li weiter nach Hefei, wo es auch ein gemeinsames Treffen mit deutschen und chinesischen Wirtschaftsvertretern geben werde. Themen dürften aber auch etwa der Syrien-Konflikt und das Abkommen über das iranische Atomprogramm sein.
Merkels Besuch findet kurz nach einem viertägigen Besuch des chinesischen Präsidenten in Großbritannien statt. Der Chef des China-Institut Merics, Sebastian Heilmann, hatte am Donnerstag gesagt, dass China seine Europa-Politik neu ausrichtet. Die einzigartige PArtnerschaft mit Deutschland sei vorbei, hatte er mit Hinweis auf die milliardenschweren Wirtschaftsabschlüsse mit britischen Firmen gesagt. Dazu gehört auch der Einstieg chinesischer Firmen in ein umfangreiches Atomprojekt in Großbritannien. Im vergangenen Jahr hatten Deutschland undChina noch ein 110 Punkte umfassendes Aktionsprogramm für eine Technologiepartnerschaft verabredet.