Politik

Klima-Deal in Paris: Energie wird zum Luxus-Gut

Lesezeit: 4 min
13.12.2015 03:45
Der Klima-Vertrag von Paris ist nur auf den ersten Blick unverbindlich: Tatsächlich werden die Weichen dafür gestellt, dass Energie in den kommenden Jahrzehnten dramatisch teurer wird. Die Ungerechtigkeit in der Welt wird deutlich steigen. Auch die Steuerzahler in Europa werden bluten. Einigen wenigen Playern winken allerdings sagenhafte Profite.
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Der Klima-Vertrag von Paris zeigt einen globalen Trend: Politik wird nicht mehr auf lokaler Ebene gemacht. Die Wirtschaft wird zentralistisch formulierten Zielen untergeordnet. Diese Ziele können mittlerweile wirksam erzwungen werden. Dazu braucht es keine Welt-Regierung. Der Volkswagen-Skandal hat gezeigt, dass einen globalen Konsens gibt, in dem die Regulatoren zusammenarbeiten. Es kommt in diesem Fall auch nicht darauf an, ob die Ziele vernünftig sind. Ihre reine Festsetzung bedeutet, dass sie geltendes Völkerrecht werden und damit ihre Einhaltung erzwungen werden kann.

Damit ist jedoch klar, dass der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern vor allem auf dem Rücken der ärmsten Staaten der Welt ausgetragen wird. Große und arme, aber bevölkerungsreiche Staaten wie etwa Nigeria können sich eine Energie-Wende wie in Deutschland nicht leisten. Denn bisher sind alle erneuerbaren Energieformen nur überlebensfähig, weil sie massiv vom Steuerzahler und vom Stromkunden finanziert werden.

Tim Gore, Sprecher von Oxfam – einer der wenigen glaubwürdigen NGOs, die gegen die Ungerechtigkeit in der Welt kämpfen, hat der amerikanischen Huffington Post zum Ergebnis des Klima-Gipfels gesagt: „Die mächtigen Staaten der Welt haben sich geeinigt, und die ärmsten wurden ausgetrickst. Ihr Zukunft hängt an einem seidenen Faden. Wir sehen eine Verschiebung der globalen Klima-Aktion, weil eigentlich einige der ambitioniertesten Forderungen von den Entwicklungsländern gekommen sind.“

Der Gipfel hat jedoch die neue globale Energiepolitik in zweifacher Hinsicht auf Kosten der Entwicklungsländer ausgerichtet. Zum einen bekommen die Entwicklungsländer keine konkreten Finanzzusagen. Die Summe von 100 Milliarden Dollar reicht nicht ansatzweise aus, um den Staaten, die vom Klima-Wandel direkt betroffen sein werden – durch Überschwemmungen oder Dürre – zu helfen. Zum andern werden die Staaten verpflichtet, auf fossile Brennstoffe zu verzichten – was zu dramatisch höheren Energie-Kosten führen wird. Azeb Girmai, eine Entwicklungshilfe-Aktivistin aus Äthiopien, sagte der HuffPost: „Ich würde sagen, heute ist der traurigste Tag für die am meisten verwundbaren Völker der Welt. Die Opfer des Klimawandels wurden von den reichen Ländern vor sich hergetrieben, ohne jede Unterstützung von außen. Sie haben verloren.“ Die Aktivistin kritisiert, dass es keine ausreichende finanzielle Unterstützung für jene gibt, die in den kommenden Jahren den Preis für die Klimaschäden bezahlen müssen, die zum Großteil von den reichen Staaten der Welt verursacht werden.

Aber auch alle anderen werden teuer für die Einigung von Paris bezahlen. Im Wall Street Journal hatte Björn Lomborg bereits im Vorfeld der Pariser Konferenz errechnet, dass das Programm jährlich eine Billion Dollar kosten werde. Lomborg ist Präsident des Copenhagen Consensus Center. Unter Bezugnahme auf eine Berechnungsmodell von Stanford kommt er zu dem Ergebnis, dass die Klima-Ziele das BIP allein in der EU um 1,6 Prozent im Jahr 2030 senken werden – in absoluten Zahlen wären das 287 Milliarden Dollar. Diese Kosten werden, so Lomborg, die Erderwärmung nur marginal senken und werden vermutlich noch höher sein, wenn die erhoffte Energieeffizienz sich nicht wirklich einstellt. Finanziert werden die anfallenden Kosten von den Steuerzahlern, die hohe Subventionen für die erneuerbaren Energien zu bezahlen haben werden müssen.

Der Klima-Vertrag von Paris enthält zwar auf den ersten Blick keine Sanktionen für den Fall, dass ein Land die vorgegebenen Ziele nicht erreicht. Doch darüber werden sich in erster Linie die reichen Länder freuen, die damit weiter Spielraum haben, die Ziele zu ignorieren. Doch auf die kleinen und weniger einflussreichen Entwicklungsländer übt der Vertrag einen enormen Druck aus. Denn tatsächlich wird mit dem Vertrag festgehalten, dass es nicht mehr im Ermessen der Staaten liegt, wie sie ihren Energie-Mix definieren, um den Wohlstand ihrer Bevölkerung zu sichern. Globale völkerrechtliche Verträge verändern die Rechtssysteme immer langfristig. Der Klimaschutz ist nun als globaler Wert festgeschrieben – das wäre eigentlich vernünftig. Doch die Entwicklungsländer müssen für das Erreichen dieses Werts einen viel zu hohen Preis bezahlen: Sie müssen ihr Wachstum zurückschrauben, was mit Sicherheit zu mehr Armut, sozialen Unruhen und neuen Migrationsbewegungen führen wird.

Die wirklich schärfste Sanktion, die der Vertrag nach sich ziehen wird, sind nämlich nicht kurzfristige Strafen, sondern die Tatsache, dass Investoren ab sofort davon abgehalten werden, in fossile Brennstoffe zu investieren. Öl und Gas sind traditionell sehr kapitalintensiv, was zu einer weiteren globalen Konsolidierung führen wird: Nur noch wenige große Multis werden sich die traditionellen Methoden der Energie-Erzeugung leisten können. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hatte bereits vor dem Gipfel gewarnt, dass Investoren mit großen Verlusten bei ihren Investments in die herkömmlichen Formen rechnen müssen. Die ersten Investoren haben bereits die Konsequenzen gezogen und wie die Allianz ihren Ausstieg aus der Kohle angekündigt.

Der Abzug von Kapital könnte auch für Schwellenländer wie Russland sehr gefährlich werden. Die russische Stellungnahme zur Pariser Einigung war dementsprechend schmallippig: Die TASS berichtet, Moskau habe zur Kenntnis genommen, dass „alle russischen Vorschläge berücksichtigt wurden“ und dass man „umgehend mit einer den neuen Zielen entsprechenden nationalen Gesetzgebung beginnen“ werde. Für Russland könnte diese Entwicklung im Zusammenspiel mit dem niedrigen Ölpreis sehr teuer werden – sehr zum Schaden der russischen Bevölkerungen, die keine Möglichkeit hat, ihre Wetten auf den Finanzmärkten zu „hedgen“.

Als erstes Fazit erscheint somit deutlich zu sein, dass Energie zum einem globalen Luxusgut wird. Diejenigen, die es sich leisten können, werden es sich leisten – und sei es über den Umweg der steuerlichen Belastung der Bürger. Die Entwicklungsländer aber werden zu energiepolitischen Kolonien herabgestuft: Ihre einzige Chance besteht darin, dass sie über Kredite alternative Energie oder entsprechende Technologien teuer aus dem Westen einkaufen. China spielt hier eine Sonderrolle, weil ein autoritärer Staat andere Möglichkeiten hat, Prozesse zu steuern, Geld zu drucken oder aber die Bürger einfach zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Die kreditfinanzierte Energiewende schafft jedoch eine maximale Abhängigkeit von den Gläubigern – wie das die vielen brachialen Aktionen des IWF gezeigt haben.

Der Klima-Gipfel war keine reine PR-Veranstaltung. Er hat die Weichen dafür gestellt, dass ein knappes Gut künftig jenen zur Verfügung stehen wird, die es sich leisten können. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zur Einigung auf dem Pariser Gipfel gesagt: „Mit dem heute verabschiedeten Klimavertrag hat sich zum ersten Mal die gesamte Weltgemeinschaft zum Handeln verpflichtet - zum Handeln im Kampf gegen die globale Klimaveränderung. Ungeachtet der Tatsache, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, ist dies ein Zeichen der Hoffnung, dass es uns gelingt, die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen auch in Zukunft zu sichern. Paris wird auf immer mit diesem historischen Wendepunkt in der globalen Klimapolitik verbunden sein.“

Mag sein, dass dies den Öko-Eliten in der nördlichen Hemisphäre für die nächsten Wahlperioden ein gutes Gefühl gibt. Die Menschen in den armen Ländern werden weder für die Folgen des Klimawandels entschädigt, noch haben sie eine faire Perspektive auf bezahlbaren Wohlstand in ihrem Heimatland. Sie werden um ihre „Lebensbedingungen“ noch härter kämpfen müssen. Und viele werden es trotz größter Anstrengung nicht schaffen.


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