Politik

Frankreich erhebt Ausnahmezustand in den Verfassungsrang

Die französische Regierung erhebt den Ausnahmezustand in den Rang eines Verfassungsgesetzes. Im Ausnahmezustand hat die Regierung faktisch unbeschränkte Befugnisse, die Bürgerrechte werden marginalisiert. Interessant: Auch der Front National unterstützt die Verschärfung der Regeln.
23.12.2015 15:52
Lesezeit: 2 min

Die französische Regierung hat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, um den Ausnahmezustand in der Verfassung zu verankern. Das Vorhaben sei am Mittwoch im Kabinett beschlossen worden, sagte Premierminister Manuel Valls in Paris. Der neue Verfassungstext sieht unter anderem die Möglichkeit vor, in Frankreich geborenen Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft nach einer Verurteilung wegen Terrorvorwürfen die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Damit die Verfassungsänderung in Kraft tritt, muss sie nun noch von der Nationalversammlung und dem Senat mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit verabschiedet werden. Die Beratungen im Parlament beginnen laut Valls am 3. Februar.

Valls sagte bei einer Pressekonferenz nach dem Kabinettsbeschluss, die Bedrohung für Frankreich sei nie so groß gewesen. "Das bedeutet, dass wir uns einem Krieg stellen müssen, einem Krieg gegen den Terrorismus, gegen den Dschihadismus, gegen den radikalen Islamismus."

Staatschef François Hollande hatte kurz nach den Pariser Anschlägen vom 13. November erklärt, den Ausnahmezustand in der Verfassung verankern zu wollen. Bislang sind die damit verbundenen Maßnahmen wie Ausgangssperren, nächtliche Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss und Hausarrest für mutmaßliche Gefährder nur in einem Gesetz geregelt. Nach dem Gesetz darf der Ausnahmezustand zunächst nur für zwölf Tage verhängt werden. Eine Verlängerung bedarf eines Parlamentsbeschlusses.

Hollande hatte den Ausnahmezustand nach den islamistischen Anschlägen vom 13. November verhängt, bei denen 130 Menschen getötet und mehr als 350 weitere verletzt wurden. In der Folge wurden die Maßnahmen um drei Monate verlängert und gelten damit bis Ende Februar.

Umstritten innerhalb der Regierung war der Entzug der Staatsbürgerschaft für in Frankreich geborene doppelte Staatsbürger. Bislang kann die französische Staatsbürgerschaft nur denjenigen binationalen Bürgern entzogen werden, die erst im Laufe ihres Lebens den französischen Pass erworben haben. Künftig soll dies auch dann möglich sein, wenn ein Kind von Ausländern den französischen Pass durch Geburt in Frankreich erworben hat. In Frankreich leben 3,5 Millionen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Gefordert hatten die Neuregelung die konservative und die rechtsextreme Opposition. Viele linke Politiker hatten sich dagegen ausgesprochen, darunter Justizministerin Christine Taubira. Diese hatte noch am Dienstag gesagt, der Entzug der französischen Staatsbürgerschaft für in Frankreich geborene Doppelstaatler werde in der Reform nicht enthalten sein.

Am Mittwoch sagte die Ministerin an der Seite von Premierminister Valls, der Staatspräsident habe in der Angelegenheit das letzte Wort. Valls sagte, Taubira werde das Reformvorhaben mit ihm "zusammen" im Parlament vorstellen.

Die oppositionellen Republikaner erklärten, Taubira könne die Reform nun nicht mehr mittragen. Hollande habe seine Ministerin öffentlich gedemütigt. Frankreich erwarte von der Regierung aber Geschlossenheit, sagte Generalsekretär Eric Woerth.

Der Front National kündigte an, die Verfassungsreform in dieser Form im Parlament zu unterstützen. Dies ist interessant, weil die extreme Rechte bisher eigentlich immer gegen zu starke Zugriff des Staates gewettert hatte. Doch der FN ist selbst unter Druck geraten und kann sich beim Thema "Terror" im Grunde keinen Fehler leisten: Die französischen Behörden ermitteln gegen einen ehemaligen FN-Mann, der Terroristen Waffen geliefert haben soll. Ob es sich dabei um einen Vorwand der Regierung oder eine echte Beweislage handelt ist nicht klar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Irans Kryptobörse zerstört: Hacker vernichten 90 Millionen Dollar im Cyberkrieg
19.06.2025

Irans größte Kryptobörse wird zum Ziel eines digitalen Präzisionsschlags: Hacker entwenden nicht nur 90 Millionen Dollar in...

DWN
Politik
Politik Nahostkonflikt aktuell: Drei Szenarien für den Kriegseintritt der USA
19.06.2025

Während in Israel die Sirenen heulen und iranische Raketen fliegen, plant Donald Trump den nächsten Schritt. Drei Szenarien liegen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stromkosten im Vergleich: Hier laden Europas E-Autofahrer am günstigsten
19.06.2025

Die Preisunterschiede beim Laden von Elektroautos in Europa sind enorm. Deutschland ist am teuersten. Eine neue Analyse zeigt, wo...

DWN
Politik
Politik Europäische Außenminister wollen mit Iran verhandeln
19.06.2025

Die Gespräche über das Atomprogramm kamen zuletzt nicht voran. Nun unternimmt der Bundesaußenminister einen diplomatischen Vorstoß. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jerome Powell bleibt standhaft: Trump will Zins-Schock
19.06.2025

Die Fed hält die Zinsen stabil – doch zwei Zinssenkungen sollen noch folgen. Was Jerome Powell andeutet, Trump fordert und warum das...

DWN
Politik
Politik "Sehr schwerer Schaden": Putin warnt Deutschland bei SPIEF
19.06.2025

Konfrontation mit Russland? Beim neunten St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) traf sich Putin mit Vertretern...

DWN
Panorama
Panorama Handys an Schulen werden verboten
19.06.2025

Die Debatte um Handys an Schulen ist neu entfacht: Hessen und andere Bundesländer planen Verbote, eine Umfrage zeigt breite Zustimmung in...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Reform der Mütterrente braucht viel Zeit
19.06.2025

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, die Mütterrente für alle Mütter einheitlich zu regeln. Die Deutsche...