Politik

Polen: Parlament ordnet Verfassungsgericht trotz Protest aus EU neu

Lesezeit: 1 min
23.12.2015 01:52
Die polnische Regierung hat trotz massiver Proteste in der Opposition und im Westen die Arbeitsweise des Verfassungsgerichts neu geordnet. Der Vorwurf, die Gerichte zu politisieren, ist wohlfeil: Auch in Deutschland haben es hochrangige ehemalige Politiker in das Bundesverfassungsgericht geschafft.
Polen: Parlament ordnet Verfassungsgericht trotz Protest aus EU neu

Trotz heftiger Proteste und Kritik aus dem In- und Ausland hat das polnische Parlament einer Neuordnung des Verfassungsgerichts zugestimmt. 235 Abgeordnete stimmten am Dienstagabend für den Gesetzentwurf der neuen nationalkonservative Regierung, 181 stimmten dagegen und vier enthielten sich. Laut der Neuregelung soll für alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts künftig eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein statt wie bisher eine einfache Mehrheit. Zudem müssen künftig mindestens 13 der 15 Verfassungsrichter anwesend sein, um ein Urteil fällen zu können - bisher reichten neun Richter.

Der Streit um die Besetzung des Verfassungsgerichts in Polen hat seinen Ursprung noch in der Zeit der liberal-konservativen Regierung: Diese hatte noch kurz für der Wahl neue Verfassungsrichter ernannt - ein Vorgang, den sogar die der neuen Regierung äußerst kritisch gegenüberstehende SPD-Politikerin Gesine Schwan im DLF als problematisch bezeichnete. Die Regierung unter Beata Szydlo hatte sich geweigert, die Bestellung von Anfang Dezember anzuerkennen und amtlich zu veröffentlichen. Die Richter hatten entschieden, dass die Wahl von drei neuen Verfassungsrichtern noch durch das alte liberal-konservative Parlament rechtmäßig und gültig sei. Der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda weigert sich, sie zu ernennen.

Das Urteil der Richter ist nach Einschätzung der neuen Regierung nichtig, weil das Gericht nicht in voller Besetzung getagt hat. Statt fünf hätten neun Richter zusammenkommen müssen.

Die Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski hatte bei der Parlamentswahl im Oktober eine absolute Mehrheit der Sitze gewonnen. Seit ihrem Amtsantritt nutzt die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo ihre neugewonnene Macht, das Verfassungsgericht neu zu ordnen. Kritiker aus dem Westen werfen der Regierung vor, das Gericht zu politisieren. EU-Präsident Martin Schulz sprach sogar von einem Staatsstreich. Luxemburg drohte Polen mit dem Entzug der Stimmrechte in der EU. Doch auch in anderen Ländern ist es üblich, dass regierungsnahe Politiker Posten in den Höchstgerichten erhalten: So wurde der frühere saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Kurz nach ihrem Wahlsieg hatte die PiS auf der Basis eines von ihr verabschiedeten Gesetzes fünf neue Verfassungsrichter bestimmt und damit eine Welle der Kritik von Opposition, Medien und ausländischen Politikern ausgelöst. Das Verfassungsgericht stufte das Gesetz später als verfassungswidrig ein. Präsident Duda hatte die fünf Verfassungsrichter allerdings bereits vereidigt.

Auch das nun beschlossene Gesetz zum Verfassungsgericht hatte schon im Vorfeld massive Kritik ausgelöst. Der Oberste Gerichtshof Polens warnte in der vergangenen Woche vor einer Lähmung des Gerichts. Die Neuregelung widerspreche "den Funktionsweisen eines Verfassungsgerichts in einem demokratischen Rechtsstaat" und drohe dessen Arbeit "zu behindern oder gar zu verhindern".

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Umweltbewusst und günstig: Hondas Leasing-Modell für die elektrifizierten Fahrzeuge von Honda

Der Managing Director der Honda Bank Volker Boehme spricht mit den DWN über die neuesten Entwicklungen im Leasinggeschäft für die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilie für lebenslange Rente verkaufen: Lohnt sich das?
03.12.2023

Senioren können mit der Immobilien-Leibrente das Einkommen aufbessern und in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Ist das sinnvoll...

DWN
Politik
Politik Geopolitisches Erdbeben: Wem gehört die Levante?
03.12.2023

Die Levante wird Schauplatz eines Konflikts zwischen Ost und West. Überraschenderweise schalten sich jetzt die BRICS-Staaten ein und...

DWN
Politik
Politik Israel jagt Hamas mit Superbombe
02.12.2023

Die Vereinigten Staaten haben Israel hundert sogenannte Blockbuster-Bomben geliefert, mit denen Israel die Terroristen der Hamas in den...

DWN
Ratgeber
Ratgeber Ratgeber: Wenn der Autovermieter für den Kunden keinen Wagen hat
03.12.2023

Von Beschwerden über Mietwagen-Verleiher hört man immer wieder mal. Die gebuchte Fahrzeugklasse nicht vorhanden, überteuerte...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Transfergesellschaften: Instrumente zur Bewältigung von Personalanpassungen
03.12.2023

Transfergesellschaften spielen eine entscheidende Rolle in der deutschen Arbeitsmarktpolitik, insbesondere wenn es um die Bewältigung von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ölgigant Exxon will Lithium abbauen
03.12.2023

Wohin nur mit all den Öl-Einnahmen, fragte sich wohl der größte Ölkonzern der USA. Die Antwort lautet: Diversifikation. Exxon plant nun...

DWN
Politik
Politik Bund der Steuerzahler: Die Schuldenbremse ist unverzichtbar
01.12.2023

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, hält die Schuldenbremse in ihrer gegenwärtigen Form für unverzichtbar. Im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Wege für Integration und Fachkräftegewinnung in Deutschland
03.12.2023

Auf der einen Seite werden Fachkräfte händeringend gesucht, auf der anderen Seite gibt es tausende von Migranten im Land, die gerne...