Der französische Komponist und Dirigent Pierre Boulez, einer der weltweit bedeutendsten Vertreter der musikalischen Avantgarde, ist tot. Er starb am Dienstagabend im Alter von 90 Jahren in Baden-Baden, wie sein Büro am Mittwoch in Paris bestätigte. Boulez hatte schon länger gesundheitliche Probleme. Er lebte mit seiner Familie an seinem Altersruhesitz in der badischen Kurstadt.
Boulez verstand sich in erster Linie als Komponist, wurde aber auch für seine Interpretationskunst und seine präzisen Orchestrierungen gerühmt. Zudem war Boulez Kulturmanager, Musikphilosoph, international gefragter Lehrer und Gründer des Pariser Forschungsinstituts für Akustik/Musik IRCAM. Sein Repertoire reichte von klassischer über «mikrotonale» Musik mit Computer bis hin zu Konzerten mit Bruce Springsteen oder Frank Zappa.
Boulez war einer der wichtigsten Leher für viele Dirigenten: Das Video am Anfang des Artikels zeigt ihn mit einer Meisterklasse - und man kann gut erkennen, wie schwer es ist, richtig zu dirigieren.
Der Sohn eines Stahlfabrikanten aus Montbrison, am 26. März 1925 geboren, entwickelte die Zwölftontechnik von Arnold Schönberg zur sogenannten seriellen Musik weiter; einer Strömung der Neuen Musik, die auf Zahlen- oder Proportionsreihen aufbaut. Seine in den 1950er-Jahren rigide konstruierte Musik war umstritten. Doch es gelang ihm in einzigartiger Weise, die Reihen in Musik zu verwandeln. Er hat in diesem Sinn Schönberg weiterentwickelt und Josef Matthias Hauer übertroffen.
Die Modernität seiner Kompositionen wie «Notations» oder «Le marteau sans maître» («Der Hammer ohne Herr») haben Maßstäbe gesetzt und dazu beigetragen, die Hörgewohnheiten von Generationen von Musikern weiterzuentwickeln. Verehrt wurde er auch als Dirigent: Seine Interpretation von Richard Wagners «Ring des Nibelungen» 1976 bei den Bayreuther Festspielen - der sogenannte Jahrhundert-Ring 100 Jahre nach den ersten Festspielen - wurde legendär.
Boulez' Weltkarriere führte ihn vom Sinfonieorchester des damaligen Südwestfunks in Baden-Baden über das BBC Symphony Orchestra in London bis hin zum New York Philharmonic Orchestra. Er wurde mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen geehrt.