Politik

Türkei: Staatsanwalt verlangt lebenslange Haft für kritische Journalisten

Die türkische Staatsanwalt verlangt eine lebenslange Freiheitsstrafe für den wegen seiner regierungskritischen Berichterstattung inhaftierten Chefredakteur der Cumhuriyet. Sogar die EU zeigt sich schockiert. Angela Merkel will Milliarden an die Türkei zahlen, damit diese die Flüchtlinge von Europa fernhält.
28.01.2016 01:44
Lesezeit: 1 min

Die türkische Staatsanwaltschaft will zwei prominente Journalisten der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" wegen angeblicher Agitation gegen die Regierung und Unterstützung von Terrororganisationen lebenslang ins Gefängnis bringen. Die Anklageschrift der für Terrordelikte zuständigen Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft den Journalisten Can Dündar und Erdem Gül Spionage und einen Umsturzversuch gegen die Regierung vor, wie die Nachrichtenagentur Dogan am Mittwoch berichtete.

Die Festnahme der beiden Journalisten im November hatte in der Türkei und anderen Ländern große Empörung ausgelöst. Dündar ist der Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung "Cumhuriyet" und Gül der Leiter ihres Hauptstadtbüros in Ankara. Die beiden Journalisten, die in Untersuchungshaft auf ihren Prozess warten, sollen mit Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an die Terror-Miliz IS in Syrien Staatsgeheimnisse verraten haben.

Zudem hätten Dündar und Gül die Ende 2013 aufgetauchten Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung unterstützt und damit bei einem Umsturzversuch geholfen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Präsident Recep Tayyip Erdogan betrachtet die Korruptionsvorwürfe als Teil einer Verschwörung der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gegen die Regierung, der ein Erzrivale des Staatschefs ist.

Erdogan hatte öffentlich gedroht, Dündar werde für seine Berichte "einen hohen Preis" bezahlen, und persönlich Strafanzeige gegen den Journalisten erstattet. Artikel der beiden Beschuldigten werden in der 473-seitigen Anklageschrift als Beweismittel herangezogen, wie die regierungsnahe Zeitung "Sabah" berichtete. Erdogan und Geheimdienstchef Hakan Fidan werden demnach als Kläger genannt.

Die Staatsanwaltschaft forderte laut Dogan, die beiden Journalisten zweimal zu lebenslanger Haft sowie zu 30 Jahren Haft zu verurteilen. Eine der lebenslangen Haftstrafen soll demnach mit verschärftem Vollzug erfolgen - die härteste Strafe in der Türkei, die sonst nur bei Gewaltverbrechen wie Mord verhängt wird.

Der Europarat und mehrere internationale Journalistenvereinigungen kritisierten die Inhaftierungen in dem EU-Bewerberland. Dündar warf der EU vor, die Drangsalierung der Medien in der Türkei aus Rücksicht auf die erhoffte Kooperation der Türkei in der Flüchtlingskrise zu ignorieren.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn zeigt sich am Mittwoch "schockiert" über die Forderung der Staatsanwaltschaft. Gleichheit vor dem Gesetz und Verhältnismäßigkeit seien "ein Muss", erklärte er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Türkei müsse während der Beitrittsverhandlungen mit der EU die "uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte" garantieren.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen warf den Staatsanwälten "Grausamkeit" vor. Die Türkei-Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Emma Sinclair Webb, sagte, dass Dündar und Gül als Journalisten "nur ihren Job gemacht" hätten. Türkische Politiker, vor allem Präsident Erdogan, hätten in den vergangenen Jahren aber bewusst ein "Klima der Angst" geschaffen und ihre Kritiker und Gegner "verteufelt".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-5: So verwenden Sie das neue ChatGPT-Modell
08.08.2025

Open AI erlaubt erstmals tiefe Einblicke in die Denkweise von ChatGPT. Wer die neue Erweiterung nutzt, kontrolliert nicht nur Daten –...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt "Aufstehen, hingehen, machen": Thomas Hintsche verkauft seit 30 Jahren gegrillte Würstchen auf dem Markt
08.08.2025

Seit 30 Jahren verkauft Thomas Hintsche Bratwurst, Steak, Buletten und mehr auf dem Markt. Seine Grillskills hat er perfektioniert, kennt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis bleibt stabil: USA verhängen Zölle auf Goldimporte – Schweiz im Fokus
08.08.2025

US-Zölle auf Goldimporte versetzen den Markt in Aufruhr. Besonders die Schweiz könnte hart getroffen werden. Während der Goldpreis in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kreditprogramme für den Mittelstand: Neue KfW-Digitalförderung für KMU, Kritik an „Made for Germany“
08.08.2025

Zwei neue KfW-Kreditprogramme unterstützen KMU seit Juli gezielt bei Digitalisierung und Innovation. Unterdessen sorgt die fehlende...

DWN
Finanzen
Finanzen Munich Re-Aktie fällt: Rückversicherer spürt Preisdruck trotz Rekordgewinn
08.08.2025

Die Munich Re-Aktie erlebt nach einem Rekordgewinn überraschend Gegenwind. Trotz starker Halbjahreszahlen dämpfen sinkende Preise und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verhandeln lernen: Mit Strategie zum Erfolg – jeder kann es mit den richtigen Methoden
08.08.2025

Erfolgreich verhandeln kann jeder – mit den richtigen Methoden. Erfahren Sie, wie Sie mit Strategie, Künstlicher Intelligenz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bechtle-Aktie hebt ab: Starker Quartalsverlauf beflügelt Anleger
08.08.2025

Die Bechtle-Aktie überrascht Anleger im Börsenhandel am Freitag mit einem kräftigen Kurssprung. Nach Monaten der Flaute deutet vieles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo: Auftragsmangel hemmt deutsche Wirtschaft weiterhin
08.08.2025

Das Ifo-Institut meldet: Der Auftragsmangel bleibt eine Bremse für die deutsche Wirtschaft. Trotz vereinzelter Lichtblicke in einigen...