Politik

Europas Staaten machen Flüchtlings-Politik ohne Angela Merkel

Lesezeit: 2 min
24.02.2016 22:27
Nach dem Scheitern der Verteilungspläne von Angela Merkel sind zahlreiche weitere Staaten in Europa dazu übergegangen, die Flüchtlingspolitik ohne deutsche Mitwirkung zu planen: Österreich vereinbart mit den Balkan-Staaten Maßnahmen zur umgehenden Schließung der Balkan-Route. Das wird auch Deutschland nützen. Die deutsche Apathie in Europa ist jedoch mitverantwortlich für die immer dramatischere humanitäre Lage der Flüchtlinge und Migranten in Griechenland.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fordert eine drastische Reduzierung des Flüchtlingsandrangs. «Die Flüchtlingszahlen müssen dramatisch sinken, sonst schaffen wir das nicht mehr», sagte Schäuble in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur vor dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Shanghai.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban greift die Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lösung der Flüchtlingskrise mit noch weniger diplomatischer Verbrämung an. Er will die Bürger seines Landes über die von der EU beschlossenen Quoten zur Verteilung von 160 000 Flüchtlingen abstimmen lassen. In Budapest gab es kaum Zweifel an einem Nein der Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen.

Gegenwind bekam Merkel auch aus Wien, wo Österreich und die Staaten der Balkanroute eine engere Kooperation und nationale Maßnahmen zur Senkung der Flüchtlingszahlen vereinbarten. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras beschwerte sich telefonisch bei Merkel über die Teilschließung der Balkanroute, die zu einem Rückstau tausender Migranten in Griechenland führt.

Tsipras erinnerte Merkel daran, dass sie und der französische Präsident François Hollande ihm am Rande des jüngsten EU-Gipfels versprochen hatten, sich dafür einzusetzen, dass die Balkanroute zumindest bis zum geplanten EU-Türkei-Migrationsgipfel offen bleiben werde. Der Gipfel ist für den 7. März geplant, bestätigte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Dabei soll es erneut um eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen gehen.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte, bei der Konferenz sei es darum gegangen, «ein klares Signal zu setzen, dass wir den Zustrom (von Flüchtlinge) reduzieren». Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) ergänzte: «Wir wollen Druck und Tempo machen, damit die europäische Lösung vorankommt.» Das Durchwinken von Flüchtlingen müsse ein Ende haben. «Es geht um die Sicherheit und Stabilität in ganz Europa», betonte Mikl-Leitner.

Mikl-Leitner sagte, der Dominoeffekt sei beabsichtigt: «Was wir wollen, ist eine Kettenreaktion der Vernunft.» Österreich lässt seit Freitag nur noch 80 Asylbewerber pro Tag an seiner Grenze zu und hat die Zahl der nach Deutschland durchreisenden Migranten auf täglich 3200 gedeckelt. Deshalb beschränkten auch die Länder der Balkanroute die Durchreise von Syrern und Irakern, Afghanen werden gar nicht durchgelassen. Ab 1. März sollen die EU-Außengrenzen geschlossen werden - allerdings ist nocht nicht klar, wo diese Grenzen eigentlich verlaufen: Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte angekündigt, dass man die Außengrenze weiter nach Norden verschieben müsse, wenn der Grenzsschutz in Griechenland nicht möglich sei.

In Griechenland, das seine Seegrenze zur Adria nicht effektiv schützen kann, stauten sich deshalb immer mehr Flüchtlinge. Pro Tag kommen etwa 2000 neue Migranten aus der Türkei an. An der mazedonischen Grenze abgewiesene Migranten irrten in den Städten, auf Fernstraßen und an der Grenze herum. Die Regierung in Athen schien überfordert, und Hilfsorganisationen warnen: Das Land könne die Last kaum stemmen. Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, sagte die Hilfe der Vereinten Nationen zu.

Die Teilschließung der Balkanroute verstoße gegen internationales und EU-Recht, hatte der EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos kritisiert. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker betonte jedoch, er wolle den Streit mit Österreich nicht eskalieren lassen.

Orban sagte zur Begründung des Referendums: «Bis jetzt hat niemand die Menschen in Europa gefragt, ob sie die verpflichtende Quote zur Zwangsansiedelung von Migranten haben wollen oder ob sie das ablehnen», sagte er. Derartige Quoten festzulegen, ohne die Bürger zu befragen, komme einem «Machtmissbrauch» gleich, fügte er hinzu.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...