Politik

Assad an Deutsche: Stoppt Krieg, dann müssen die Syrer nicht fliehen

Der syrische Präsident Assad lobt Deutschland für seine humanitäre Haltung bei den Flüchtlingen. Doch er sagt: Wenn der Westen den Krieg gegen sein Land beendet, werden die Syrer nicht mehr fliehen müssen. Damit erlaubt die ARD, in der das Interview läuft, eine Darstellung, die von der üblichen abweicht.
01.03.2016 12:37
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in für die SWR/ARD-Sendung „Weltspiegel-Extra“ den Krieg des Westens gegen sein Land als Ursache für Flucht und Vertreibung genannt. An Deutschland gewandt betonte er, es sei „gut, wenn Flüchtlinge aufgenommen werden, die ihr Land in Not verlassen“ hätten. Doch Assad stellte auch die rhetorische Frage, ob es nicht klüger und auch „weniger kostspielig“ sei, Syrern zu helfen, in ihrem eigenen Land leben zu können. Dafür müsste sich der Westen entschließen, gegen den Terror zu kämpfen und nicht gegen sein Land, sagte Assad. (Das Video am Anfang des Artikels zeigt ein Kurz-Interview des spanischen Mediums El Pais mit Assad im Februar 2016.)

Assad setzt Hoffnung auf die Waffenruhe: „Wir werden das Unsrige tun, damit das Ganze funktioniert“, sagte Assad. Er bot Rebellen eine Amnestie und gegebenenfalls eine „Rückkehr in ihr normales ziviles Leben“ an. Bedingung sei, dass sie die Waffen abgeben.

Zugleich bezeichnete Syriens Präsident die Lage der Bevölkerung in seinem Land als „humanitäres Desaster“. Zum Vorwurf des Westens, die Syrer würden die eigene Bevölkerung aushungern, sagte Assad, das Gegenteil sei der Fall: Die syrische Armee und Städte unter ihrer Kontrolle würden aus diesen Regionen heraus bekämpft und bombardiert. „Wie sollten wir diese Gebiete von der Nahrungsmittelzufuhr abschließen, wenn wir sie doch nicht an der Beschaffung von Waffen hindern können?“, sagte Assad. Die Regierung hatte erst vor wenigen Tagen mit den UN Hilfslieferungen vereinbart.

Assad sagte, dass Syrien nicht mehr „vollständig souverän“ sei und militärische Hilfe aus Russland, dem Iran und aus dem Libanon erhalte. Dies geschehe, um das Übergreifen des islamistischen Terrors zu begrenzen. Letztendlich „sind sie nicht zu unserer Verteidigung gekommen, sondern zu ihrer eigenen Verteidigung“, sagte Assad.

Interessant ist der Umstand, dass die ARD mit Assad gesprochen hat. Bisher wurde Assad von den öffentlich-rechtlichen Sendern gemieden und der Syrien-Krieg vor allem als Bürgerkrieg dargestellt. Assad wurde meiste als Machthaber bezeichnet, seine Regierung als Regime. Ein Interview mit dem Staatspräsidenten eines im Krieg befindlichen Landes wird in der Regel über diplomatische Kanäle angebahnt. Es ist - auch für private Medien - unmöglich, einfach zu Assad zu gehen und ein Interview anzumelden. Wieweit das Auswärtige Amt bei der Anbahnung behilflich war, kann nicht beurteilt werden. Tatsache ist, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowohl in Syrien als auch in der Ukraine eine eindeutig auf Verständigung ausgerichtete Politik betreibt.

Der Umstand, dass es sich beim Umsturz-Versuch um einen vom Westen angezettelten und von den mit dem Westen verbündeten Golfstaaten durchgeführten Staatsstreich gehandelt hat, hat in den Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bisher kaum Erwähnung gefunden. Die Intendanten der Sender, die von den Parteien kontrolliert werden, sind gerade bei Kriegsthemen gehalten, sich bei der Bundesregierung über den korrekten Weg rückzuversichern. Viele gute Journalisten in der ARD und beim ZDF ärgern sich über diese Entwicklung, sprechen aber Kritik nicht öffentlich aus, weil sie um ihre Jobs und ihre Reputation fürchten.

Angela Merkel hatte sich monatelang geweigert, das Thema des Krieges als Fluchtursache anzusprechen. Der frühere indische Botschafter hat in einem interessanten Augenzeugenbericht geschildert, wie Syrien von den Golfstaaten destabilisiert wurde. Merkel selbst hält sich in diesem Punkt völlig bedeckt und sprach bei Anne Will nur davon, dass die EU nun dazu beitragen müsse, die Fluchtursachen zu beseitigen. Die Information der deutschen Zuseher, dass der Westen an diesem Krieg beteiligt ist, blieb somit dem syrischen Präsidenten vorbehalten.

Insofern könnte das Assad-Interview bedeuten, dass die Bundesregierung offenbar nicht mehr an an dem von den US-Neocons vorgegebenen Kurs festhält, wonach Assad zu stürzen sei und der Waffenstillstand nichts anderes als eine Finte der Russen darstelle. Ob diese Haltungsänderung Bestand hat oder aber nur der Beruhigung der Wähler vor den Landtagswahlen dient, ist schwer auszumachen.

Das komplette Interview wird am Dienstagabend (1. März) um 20.15 Uhr in der Sendung „Weltspiegel-Extra“ auf Tagesschau 24 ausgestrahlt.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...