Politik

Camerons Panama-Skandal könnte Zerfall der EU einleiten

In Großbritannien könnte die Verwicklung von Premier Cameron in den Panama-Skandal den entscheidenden Ausschlag geben, dass die Briten für den Austritt aus der EU stimmen. Cameron hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Es wird ihm schwerfallen, die Briten von der EU zu überzeugen.
08.04.2016 17:30
Lesezeit: 2 min

Jacques Klopp hat für die AFP eine interessante Analyse geschrieben, in der er erläutert, warum die Verwicklung von Großbritanniens Premier David Cameron das Ende der EU einläuten könnte:

Er wollte es als "Privatangelegenheit" unter den Teppich kehren, was dramatisch missglückte: Die verheimlichten Offshore-Investitionen des britischen Premierministers David Cameron sind zum politischen Sprengsatz geworden, der ganz Europa erschüttern könnte. Denn der Gesichtsverlust bringt nicht nur ihn selbst in Bedrängnis. Er macht auch seinen Versuch, die Briten vor dem Brexit-Referendum für den EU-Verbleib zu gewinnen, viel schwieriger.

Kaum hatte Cameron am Donnerstag in einem TV-Interview eingeräumt, er sei bis kurz vor seinem Amtsantritt vor sechs Jahren an der panamaischen Blairmore Holding seines verstorbenen Vaters beteiligt gewesen, stürzte sich die Opposition auf das Geständnis: "Lasst diesen Heuchler verschwinden", schrieb der Labour-Abgeordnete John Mann auf Twitter. Cameron sei alles andere als ehrlich gewesen, "er muss sofort zurücktreten".

"Es scheint, als verspiele Cameron gerade das gesamte Vertrauen der Bevölkerung", meldete sich Angus Robertson, Fraktionschef der schottischen Nationalisten (SNP) im britischen Parlament, zu Wort.

Der Verschleierungsversuch seines Kommunikationsteams macht die Sache noch schlimmer. Nachdem die Existenz der Offshore-Holding der Camerons am Sonntag durch die "Panama Papers" enthüllt worden war, erklärte Downing Street die Angelegenheit zunächst zur Privatsache. Am Dienstag dann beteuerte der Premier selbst, er habe "keine Aktie, keinen Fonds, nichts dergleichen im Ausland".

Zwei Tage später dann die nächste Scheibe der Wahrheit, wonach er zwar tatsächlich "derzeit" nicht mehr offshore aktiv sei, bis zu seiner ersten Wahl aber sehr wohl. Auf den letzten Drücker verkaufte er im Januar 2010 seine Anteile im Wert von 30.000 Pfund (37.000 Euro).

Schon 2012 hatte der "Guardian" über den Investitionsfonds berichtet. Den "Panama Papers" zufolge gelang es Ian Cameron mit Hilfe der berüchtigten Finanzkanzlei Mossack Fonseca, die Gewinne 30 Jahre lang der Versteuerung in Großbritannien zu entziehen. Britische Finanzexperten geben hingegen Cameron Recht, wonach alle Gewinne sehr wohl ordnungsgemäß versteuert worden seien.

Doch das Image ist beschädigt. Er sei "stolz auf seinen Vater, und was er erreicht hat", sagte Cameron am Donnerstag in seinem Geständnis-Interview.

"Ich weiß nicht, ob ihm das britische Volk verzeihen wird", fasste Labour-Vize Tom Watson den akuten Vertrauensverlust Camerons im Sender Sky News zusammen. Schließlich habe Cameron andere Geschäftsleute an den Pranger gestellt, die ähnliche Tricksereien anwendeten, und sich zum Vorreiter der Transparenz ausgerufen.

Jenseits des Kanals gilt die Sorge weniger Camerons Zukunft als Premier, als vielmehr der Sorge um das "Brexit"-Referendum am 23. Juni. Schon vor den "Panama Papers" schien dessen Ausgang auf Messers Schneide zu stehen. Camerons Kampagne für den EU-Verbleib des Königreichs zündete bislang nicht. "Nun ist sein dringendstes Anliegen nicht mehr Europa, sondern dass er das Amt des Premierministers nicht verliert", kommentiert die französische Zeitung "Le Journal de la Haute-Marne" am Freitag.

Für Cameron sei der Kampf um das Ja der Briten beim Referendum "der politische Kampf seines Lebens", meint auch BBC-Kommentator James Landale. Und alles, was die Wähler an seinen Wohlstand und seinen privilegierten Hintergrund erinnere, schwäche seine Position. Die Affäre komme deswegen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Resilienz als strategischer Imperativ: Carlsberg und Davos-Forum fordern neue Unternehmenslogik
15.06.2025

Krisen, Krieg, KI und Klimawandel: Carlsberg und das Weltwirtschaftsforum rufen Unternehmen auf, Resilienz nicht als Reaktion, sondern als...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der ESG-Betrug: Wie Konzerne Moral simulieren
15.06.2025

Konzerne feiern Nachhaltigkeit, während ihre Bilanzen eine andere Sprache sprechen. Zwischen Greenwashing, Sinnverlust und Bürokratie:...

DWN
Panorama
Panorama Leben auf einem Eismond? - Astrobiologe auf Spurensuche
15.06.2025

Dicke Eiskruste und bis zu minus 200 Grad - klingt nicht gerade angenehm. Warum der Saturnmond Enceladus auf der Suche nach außerirdischem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kritik oder Mobbing? Wie Sie den feinen Unterschied erkennen
15.06.2025

Mobbing beginnt oft harmlos – mit einem Satz, einem Blick, einer E-Mail. Doch wann wird aus Kritik systematische Zermürbung? Dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das neue Magazin ist da: Das können wir gut - wo Deutschland in Zeiten von KI, Transformation und Globalisierung überzeugt
15.06.2025

Was kann Deutschland gut? Diese Frage mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, fast schon trivial. Doch in einer Zeit, in der das Land...

DWN
Finanzen
Finanzen „Banknoten-Paradoxon“: Milliarden unter den Matratzen - Bargeldmenge steigt weiter
15.06.2025

Ungeachtet der stetig abnehmenden Bedeutung von Scheinen und Münzen beim alltäglichen Einkauf steigt die im Umlauf befindliche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Kleinkrieg“ um Lkw-Plätze: Autoclub kritisiert Überfüllung
15.06.2025

Auf und an Autobahnen in Deutschland fehlen viele tausend Lkw-Stellplätze – nach einer Kontrolle an Rastanlagen beklagt der Auto Club...

DWN
Politik
Politik Machtverschiebung in Warschau: Der Aufstieg der Nationalisten bringt Polen an den Abgrund
15.06.2025

In Polen übernimmt ein ultrakonservativer Präsident die Macht – während die liberale Regierung um Donald Tusk bereits ins Wanken...