Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Derzeit beraten Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission über die Zulassung von Glyphosat in der EU. Spätestens Donnerstag soll eine Entscheidung fallen. Ist das die endgültige Entscheidung oder gibt es noch eine weitere Abstimmung über Glyphosat?
Anton Hofeiter: Ich rechne heute nicht mit einer Entscheidung im zuständigen Ausschuss. Den Glyphosatbefürwortern scheint die Mehrheit zu fehlen. Es wird also voraussichtlich noch weitere Abstimmungen geben.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das EU-Parlament bekräftigte zuletzt unter bestimmten Voraussetzungen eine Zustimmung zu einer Neuzulassung von Glyphosat. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?
Anton Hofeiter: Glyphosat soll gar nicht neu zugelassen werden, solange die Risiken nicht abschließend geklärt sind. Auch neun weitere Jahre wären neun Jahre zu viel. Das EU-Parlament hat nicht der Zulassung von Glyphosat zugestimmt, sondern im Falle einer Zulassung etliche sehr weitgehende Einschränkungen der Anwendung gefordert, von denen die Kommission keine einzige übernommen hat. Außerdem hat das Parlament gefordert, wenn überhaupt, dann in dieser stark eingeschränkten Form für maximal sieben Jahre zuzulassen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Nach einem gemeinsamen Treffen zwischen der WHO und der Welternährungsorganisation FAO heißt es in einem gemeinsamen Statement, dass ein Krebsrisiko nicht ausgeschlossen werden könne. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass das Pestizid Krebs beim Menschen auslöst - aber ganz ausschließen könne man diese Möglichkeit eben nicht. Wie kommt es, dass bei diesem Treffen plötzlich nicht mehr von einem Krebsrisiko für den Menschen gesprochen wird?
Anton Hofeiter: Das Ergebnis hat keinerlei Neuigkeitswert, schließlich hat die Arbeitsgruppe Glyphosat schon früher einen Freispruch erteilt. Die Frage nach dem grundsätzlichen Risiko von Glyphosat, Krebs zu verursachen, hat die gemeinsame Arbeitsgruppe von WHO und FAO überhaupt nicht beantwortet, genauso wenig wie die Frage nach notwendigem Arbeitsschutz oder der Gefährdung von Anwohner und Anwohnerinnen. Ein Punkt lässt das Statement besonders fragwürdig erscheinen: entscheidende Positionen in dieser Arbeitsgruppe von WHO und FAO wurden an Personen mit bekanntermaßen engsten Verbindungen zur Agrochemie-Industrie vergeben. Monsanto hat 500.000 Dollar an das Institut des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe gespendet. Das lässt zumindest einige Zweifel am Urteil aufkommen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Widerlegt dieses Statement Ihrer Meinung nach die Ergebnisse der Krebsforschungsagentur der WHO (IARC)?
Anton Hofeiter: Keineswegs, den die Warnung „wahrscheinlich krebserregend“ bleibt ja bestehen. Solange eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, muss das Vorsorgeprinzip zur Anwendung kommen. Das heißt: die Belastung der Menschen mit Glyphosat muss so weit wie möglich reduziert werden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie steht es um andere Inhaltsstoffe von Pflanzenschutzmitteln, die in Europa eingesetzt werden. Ist hier mit Bestimmtheit keine krebserregende Wirkung zu finden?
Anton Hofeiter: Andere Mittel können aus anderen Gründen problematisch sein, aber jetzt steht mit Glyphosat für die Gesundheit viel auf dem Spiel, denn die Entscheidung über die weitere Anwendung dieses Pflanzenschutzmittels steht jetzt an. Und Glyphosat ist mit Abstand das meistverwendete Pestizid in Deutschland, Europa und weltweit.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist es wirklich Glyphosat an sich, dass die Diskussion bestimmt oder geht es hauptsächlich eben auch darum, dass ein großer Konzern wie Monsanto mit dem Pflanzenschutzmittel Roundup so erfolgreich ist?
Anton Hofeiter: Uns interessiert die Gesundheit der Menschen und die Artenvielfalt. Das sollte unserer Meinung nach mehr Gewicht haben als wirtschaftliche Interessen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie beurteilen Sie die regierungsinterne Diskussion über die Glyphosatzulassung?
Anton Hofeiter: Eigentlich wäre ein klares Bekenntnis der gesamten Bundesregierung gegen gesundheitliche Risiken und damit gegen Glyphosat fällig gewesen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, die SPD wird bei ihrem Nein zur Glyphosat-Zulassung bleiben?
Anton Hofeiter: Eine Kehrtwende der SPD würde die Partei viel Glaubwürdigkeit kosten. Es wäre ein gutes Signal, wenn sie standhaft bleibt.