Politik

Ökonomen glauben Goldman nicht: Keine Wende beim Ölpreis

Am Ölmarkt vollzieht sich eine Korrektur – die Preise sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen und institutionelle Investoren wetten auf weiter steigende Notierungen. Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Entwicklung nicht nachhaltig ist. Es könne bald wieder zu deutlichen Rückschlägen kommen.
19.05.2016 00:48
Lesezeit: 3 min
Ökonomen glauben Goldman nicht: Keine Wende beim Ölpreis
Brent-Öl in der Jahressicht. (Grafik: ariva.de)

Die Preise für Rohöl nähern sich der Marke von 50 Dollar pro Barrel (159 Liter). Bezogen auf die Tiefstände vom Januar und Februar sind sie damit um fast 50 Prozent gestiegen. Einige Banken und Organisationen sprechen inzwischen davon, dass die Erholung in der zweiten Jahreshälfte weiter an Fahrt aufnehmen werde, weil sich das globale Überangebot an Öl beständig verringern werde.

Zurückzuführen sei der Rückgang der Überproduktion vornehmlich auf Förderausfälle und auf eine gestiegene Nachfrage aus den Schwellenländern, insbesondere Indiens. Aufgrund von Sabotageakten sei allein die Produktion in Nigeria um mindestens 30 Prozent zurückgegangen. Kanada habe aufgrund der Waldbrände derzeit Einbußen von über einer Million Barrel pro Tag zu verkraften, während Venezuela im Vergleich zum Vorjahr täglich rund 100.000 Barrel Öl weniger produziere, schreibt oilprice.com. Unterstützt werde die Angleichung von Angebot und Nachfrage zudem von Fördereinbußen in der amerikanischen Fracking-Industrie. Viele ihrer Unternehmen mussten die Produktion in den zurückliegenden Monaten einfrieren oder Insolvenz anmelden.

Wichtige Beobachter widersprechen jedoch der These einer grundlegenden Korrektur im Markt. Ihnen zufolge ist die gegenwärtige positive Wende nicht nachhaltig, weil sie auf unsicheren Prämissen fußt und von einigen bedeutenden Fundamentalfaktoren nicht unterstützt wird: „Genauso wie der Absturz des Ölpreises im Winter 2015/16 aus fundamentalen (und insbesondere konjunkturellen) Gründen kaum erklärbar ist, so ist die Aufwärtsdynamik der letzten Wochen wohl nicht durch fundamentale Ursachen bedingt. Rein konjunkturell sieht es nach einer Stabilisierung der weltwirtschaftlichen Entwicklung aus. Nach wie vor ist der Ölmarkt aber sehr gut versorgt. Von daher ist eine volatile Bewegung des Ölpreises in nächster Zeit aus unserer Sicht wahrscheinlicher als eine klare Aufwärtstendenz“, sagte Rolf Schneider – Leiter der makroökonomischen Analyse bei der Allianz – den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

In einem Report der Helaba heißt es: „Saisonale Nachfrageeffekte und fühlbare Lieferausfälle mögen zwar ein anderes Bild erzeugen, der Mineralölsektor ist aber hinsichtlich der fundamentalen Marktverhältnisse nicht wirklich „aus dem Schneider“. Als Argument für deutlich höhere Preise eignen sie sich auf absehbare Zeit eher nicht. So wird die OPEC-Produktion auch mittelfristig wohl stärker ansteigen als das Nicht-OPEC-Angebot sinkt und die Nachfrage zunimmt. Bei Preisen um 50 Dollar pro Barrel ist es auch nicht ausgemachte Sache, dass es woanders noch zu markanten Produktionsrückgängen kommt. Innerhalb der OPEC sind diejenigen Anbieter, die noch über nennenswerte frei Kapazitäten verfügen (Saudi- Arabien, Iran und Irak) aus diversen Gründen alle bestrebt, ihre Förderung weiter zu erhöhen. Die extrem hohen Mineralöllager werden somit wohl wesentlich länger Bestand haben, als manche es wahrhaben wollen. Weiterer Preisauftrieb müsste sich also aus anderen Quellen speisen, etwa einer Dollarschwäche, was sich derzeit aber auch nicht abzeichnet.“

Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Der gegenwärtige Anstieg des Ölpreises ist auch maßgeblich von den starken Waldbränden in Kanada ausgelöst worden. Außerdem hilft die Anhebung der Prognose durch Goldman Sachs, die positive Stimmung der Investoren zu unterfüttern. Ich erwarte jedoch keinen nachhaltigen Anstieg der Ölpreise. Zum einen kommt der Iran gerade auf den Markt zurück und wird versuchen, so viel Öl wie möglich zu verkaufen, um Einnahmen zu generieren. Ab einem Preis von ungefähr 60 Dollar werden auch amerikanische Fracking-Produzenten auf den Markt zurückkehren und dadurch eine Barriere für einen weiteren Anstieg bilden. Zu bedenken ist auch, dass wir bereits einen deutlichen Anstieg seit dem Preistief im Februar hinter uns haben.“

Financial Times weist darauf hin, dass ein substantieller Teil des gegenwärtigen Preisanstiegs auf die Aktivität von Hedgefonds zurückzuführen sei. Diese hätten die Tiefstände rund um 30 Dollar zu Beginn des Jahres genutzt, um Öl auf dem Terminmarkt zu kaufen. In den ersten 19 Wochen des Jahres hätten Investoren netto Brent-Öl im Gegenwert von rund 420 Millionen Barrel gekauft. Auch bei der Sorte WTI überstiegen die Wetten auf steigende Preise jene auf sinkende Notierungen um den Gegenwert von rund 250 Millionen Barrel. In den vergangenen beiden Wochen jedoch habe sich der Trend umgekehrt, weil viele Hedgefonds ihre Gewinne eingefahren und nicht mehr nachgekauft haben.

Kurzfristig könnten die Preise zwar weiter steigen, eine wirkliche Trendwende mit einer Rückkehr zum Ausgangspreis von rund 110 Dollar aus dem Jahr 2014 erscheint aber sehr unwahrscheinlich.

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