Politik

EZB deutet erstmals Ende der Niedrig-Zinsen an

Lesezeit: 2 min
25.05.2016 11:26
Die EZB überrascht die Märkte: Erstmals lässt die durchklingen, dass die Zeit der niedrigen Zinsen früher vorbei sein könnte als gedacht. Grundlage könnten die vergleichsweise guten Zahlen aus der Eurozone sein.
EZB deutet erstmals Ende der Niedrig-Zinsen an

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Vize-Präsident der EZB, Vitor Constancio, hat erstmals auf das mögliche Ende der niedrigen Leitzinsen hingewiesen, falls die Geldpolitik Wirkung zeige. Marktbeobachter könnte dies hellhörig machen. Erste Ökonomen weisen bereits auf den Umstand hin, dass nur in den USA eine Zinswende eingeleitet wurde, obwohl die Fundamentaldaten in Europa besser seien.

Unter bestimmten Bedingungen sei ein Ende der Phase niedriger Zinsen möglich, so Constancio. „Sollte die Wirkung der EZB-Geldpolitik hinreichend stark sein, würde es keine lange Phase mit niedrigen Zinssätzen geben“, sagte er. Constancio ist direkt in die Zinsentscheidungen der EZB eingebunden – seine Aussagen besitzen am Markt deshalb Glaubwürdigkeit.

Marktbeobachter sind daraufhin hellhörig geworden. So interpretiert der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, die Aussagen Constancios vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung in Europa und den USA. Obwohl die amerikanische Wirtschaft die schwächeren Fundamentaldaten vorweise, wurde nur dort eine Zinswende eingeleitet – in der Eurozone sei davon bislang trotz einer robusten Entwicklung keine Rede gewesen:

„Der Euro steht unter Druck, obwohl die Daten und Nachrichten reihenweise positive Akzente setzen. Keine Analysten kommen derzeit auf die Idee, dass die EZB wegen dieser Daten und Nachrichten über ein zügiges Ende der Extrempolitik der EZB mit Negativzinsen und aggressiver QE-Politik räsonieren könnte. Ein zartes Signal lieferte der EZB-Vize Constancio. Anders ausgedrückt wurde der erste Warnschuss geliefert. Wir wollen aktuell noch nicht allzu viel daraus machen, aber es ist nahezu absurd, dass die US-Zentralbank bei der schwächsten Wachstumsdynamik seit Jahren multiple Zinserhöhungen in den Raum stellt und die EZB bei einem Wachstum am Potential noch nicht einmal ernsthaft ein Ende der Extremmaßnahmen auf die Agenda nimmt, nachdem Aufschwung der Eurozone unterschätzte.“

Hellmeyer verweist bei seiner Einschätzung der europäischen Wirtschaft unter anderem auf die Zunahme des deutschen GfK-Konsumklimaindex, welcher den höchsten Wert seit Juni 2015 erreichte. Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Mai überraschend deutlich von 106,7 auf 107,7 Punkte. Zudem legte der französische Geschäftsklimaindex zu und die irische Arbeitslosenquote ist auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise gesunken. In den USA hingegen zeigen sich die Konjunkturindices durchwachsener. Hellmeyer weist beispielsweise darauf hin, dass derzeit so viele jungen Menschen noch bei ihren Eltern leben wie seit der Großen Depression der 1930er Jahre nicht mehr – einen Umstand, den er als Zeichen für finanziellen Stress in weiten Teilen der Bevölkerung deutet.

Inzwischen haben sich auch andere Vertreter der EZB zu den Grenzen der Geldpolitik und negativen Nebenwirkungen geäußert. Aus Sicht des niederländischen Notenbank-Chefs Klaas Knot stößt die EZB mit ihren geldpolitischen Mitteln zur Ankurbelung der Konjunktur allmählich an Grenzen, wie Reuters am Mittwoch berichtete. „Was Geldpolitik erreichen kann, das Wachstum betreffend, ist sehr eingeschränkt“, sagte Knot am Mittwoch auf einer Konferenz in Madrid. „Der geldpolitische Anreiz erreicht seine Grenzen und hat, wenn er zu lange beibehalten wird, negative Nebeneffekte.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...