Finanzen

Pharma-Firmen zahlen hunderte Millionen an Ärzte und Krankenhäuser

Pharmaunternehmen haben im vergangenen Jahr fast 600 Millionen Euro an Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken gezahlt. Der Großteil davon entfiel auf klinische Studien, gefolgt von Honoraren, Fortbildungen und Sponsoring. Es ist unklar, inwieweit bei den Studien Rücksicht auf die Interessen der Industrie genommen wurde.
20.06.2016 23:44
Lesezeit: 1 min

54 der großen Pharmafirmen in Deutschland haben 2015 fast 600 Millionen Euro an Ärzte, Apotheker oder medizinische Einrichtungen bezahlt, berichtet die dpa. Von den insgesamt 575 Millionen Euro flossen demzufolge 366 Millionen für klinische Studien und umstrittene Anwendungsbeobachtungen, wie die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) sowie der Verband der Forschenden Pharmaunternehmen (vfa) am Montag in Berlin mitteilten.

Gerade bei Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln an Patienten im Alltag wurde immer wieder der Verdacht der Korruption laut. Nach Ansicht von Kritikern dienen diese allein dazu, dass Ärzte ein bestimmtes Arzneimittel bevorzugt verschreiben. Die Pharmaindustrie sieht in der Erprobung der Arzneimittel im Alltag einen wichtigen Forschungsbestandteil.

Weitere 119 Millionen gingen den Angaben zufolge an Ärzte, Apotheker und andere Fachangehörige für Vortragshonorare und Fortbildungen, 90 Millionen Euro an medizinische Organisationen und Einrichtungen für Sponsoring von Veranstaltungen, Spenden und Stiftungen. Mitte April hatte der Bundestag ein Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet, mit dem der Forderung nach mehr Transparenz auf dem Arzneimittel- und Medizinproduktemarkt Nachdruck verliehen werden soll.

Die 54 Unternehmen wollen nun auf freiwilliger Basis im Rahmen eines Transparenzkodexes bis Ende Juni erstmals solche Leistungen an Ärzte und medizinische Einrichtungen offenlegen. Diese Offenlegung soll künftig jährlich erfolgen. Unter den 54 Unternehmen sind alle 45 Mitglieder des vfa. Soweit es der Datenschutz erlaubt, machen die Unternehmen auch Leistungen an einzelne Ärzte nachvollziehbar. Einer Veröffentlichung muss aber jeder einzelne Arzt zustimmen. Nach Einschätzung von FSA und vfa sind derzeit etwa ein Drittel der Ärzte bereit, diese Zuwendungen offenzulegen. Viele warteten aber ab, wie die Öffentlichkeit auf die Transparenzinitiative reagiere. Man stehe erst am Beginn einer „neuen Kultur“ in dem Bereich.

„Wir wollen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ärzten besser erklären.“ Das werde die Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei Patienten erhöhen, erklärte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sprach von einer „guten Initiative, Licht in die Zahlungen der Pharmaindustrie an Dritte zu bringen. Es fehlt allerdings noch, dass der einzelne Patient nachvollziehen kann, an welchen Arzt wie viel Geld geflossen ist“, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der dpa.

Ähnlich argumentierte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Ärzte dürften sich immer noch hinter dem Datenschutz verstecken. „Deshalb ist der Gesetzgeber gefordert, diesen Namenlosen endlich ein Gesicht zu geben“, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Kathrin Vogler, kritisierte: „Was die Arzneimittelindustrie als Selbstkontrolle ihrer Einflussnahme auf Ärztinnen und Ärzte verkaufen will, ist eher eine große Image-Kampagne.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...