Finanzen

Japan stemmt sich mit Konjunktur-Paket gegen Rezession

Lesezeit: 2 min
03.08.2016 00:16
Japan will den Sturz in die Rezession mit einem umfangreichen Maßnahmen-Bündel verhindern. Der Internationale Währungsfonds schätzt dessen Wirkung offenbar gering ein. Das Land brauche stattdessen nichts weniger als eine Generalüberholung seiner Wirtschaftspolitik.
Japan stemmt sich mit Konjunktur-Paket gegen Rezession

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Japan will mit einem riesigen Konjunkturpaket den Rückfall in eine Rezession verhindern. „Wir haben heute einen Entwurf für ein starkes Konjunkturpaket zusammengestellt, mit dem wir in die Zukunft investieren“, sagte Ministerpräsident Shinzo Abe am Dienstag nach einer Kabinettsitzung in Tokio. Beschlossen wurden zusätzliche Ausgaben von umgerechnet 118 Milliarden Euro für Projekte auf allen staatlichen Ebenen. Sie sind Teil eines noch größeren Programms über 240 Milliarden Euro (28,1 Billionen Yen), das sich auch aus privaten Geldern speist. Japans Notenbank hatte zudem kürzlich den Geldhahn ein Stück weiter geöffnet, um die seit Jahren maue Wirtschaft anzuschieben.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) forderte Japan unterdessen zu einer Generalüberholung seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik auf, die wegen des Regierungschefs „Abenomics“ genannt wird. „Abenomics benötigt eine kräftige Aktualisierung, um wieder mehr Zugkraft zu gewinnen“, urteilte der IWF in seinem jüngsten Länderbericht. Trotz etliche Bemühungen, nicht zuletzt der ultra-lockeren Geldpolitik mit negativen Einlagenzinsen für Banken, blieben die Aussichten der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft schwach. Die Wachstumsraten dürften von 0,5 Prozent im vergangen Jahr auf 0,3 Prozent 2016 und 0,1 Prozent 2017 absacken. Dies könne auch das bislang stabile Finanzsystem ins Wanken bringen.

Japans Wirtschaft befindet sich seit Jahren in einem Zustand der Stagnation. Ursächlich dafür ist letztendlich die rasche Alterung der Gesellschaft – in deren Zuge immer weniger Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten – und eine massive Überschuldung von Unternehmen und Haushalten. Einige Beobachter gehen davon aus, dass Japan die künftige Entwicklung fast aller westlichen Gesellschaften vorzeichnet.

Das Land bemüht sich seit langem, aus dem Konjunkturtal zu kommen - allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Neben einem schwachen privaten Konsum und schleppenden Investitionen kam zuletzt eine Aufwertung des japanischen Yen als Belastungsfaktor hinzu, der nun die Exporte des Landes bremst. Auch die Unsicherheiten nach dem britischen Anti-EU-Votum kommen hinzu.

„Zusätzliche finanzpolitische Unterstützung könnte das kurzfristige Wachstum voranbringen“, urteilten die IWF-Experten weiter, die das neue Konjunkturprogramm noch nicht in ihre Bewertungen einbezogen haben. Mittelfristig blieben die Wachstumsaussichten aber eher schwach. Eine Herausforderung sei dabei die rekordhohe Staatsverschuldung von rund 250 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Der IWF empfiehlt dem asiatischen Land, Strukturreformen - etwa am Arbeitsmarkt - energischer voranzutreiben. Es müsse vor allem um mehr Produktivität gehen. Die Finanz-, Haushalts- und Geldpolitik müssten zudem besser aufeinander abgestimmt werden. Eine Schüssel sei auch, das Binnenwachstum durch kräftige Lohnerhöhungen anzuregen.

Allerdings warnte der IWF auch vor hohen Risiken „unorthodoxer“ Ansätze, etwa dem Einsatz von sogenanntem Helikoptergeld, einer Extremform der lockeren Geldpolitik. Bislang will die japanische Zentralbank nicht zu diesem umstrittenen Instrument greifen. Analysten halten das allerdings noch nicht für das letzte Wort. Abe lässt sich von dem früheren US-Notenbankchef Ben Bernanke beraten. Dieser hatte einst die Schleusen weit geöffnet, um die USA aus der Rezession zu führen. In einem Gedankenspiel propagierte er die Idee, dass eine Deflation notfalls auch durch das Abwerfen von Notenbankgeld aus dem Hubschrauber bekämpft werden könne. „Helikoptergeld“ gilt unter Ökonomen seither als letzte Möglichkeit der Geldpolitik, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die größten Kostenfallen: So sparen Sie bei Fonds, Aktien und Co.
01.05.2024

Viele Anleger unterschätzen die Wirkung von Anlagekosten. Dabei sind Fondsgebühren, Orderkosten und Co. auf lange Sicht enorm...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konsumstimmung steigt: Die Deutschen shoppen wieder
01.05.2024

Laut aktuellen Erhebungen der GfK steigt die Konsumstimmung in Deutschland für den Mai auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ausschlaggebend sind...