Finanzen

Bundesbank kritisiert EU-Kommission und fordert Strafen bei Defizit-Verstößen

Die Bundesbank hat die nachsichtige Haltung der EU-Kommission gegenüber den Defizit-Verstößen von Portugal und Spanien kritisiert. Regeln müssten strikt befolgt werden, durch politische Rücksichtnahme verkommen diese jedoch zunehmend zu „Schönwetterveranstaltungen“.
05.08.2016 00:31
Lesezeit: 1 min

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat der EU-Kommission und dem Europäischen Rat zu große Milde bei Verstößen gegen die europäischen Stabilitätsregeln vorgeworfen. „Regelverstöße müssen irgendwann Konsequenzen haben“, forderte er in einem am Donnerstag veröffentlichen Interview. „Nach meiner Auffassung sind die Kommission und der Europäische Rat nicht konsequent genug“, sagte er mit Blick auf die jüngsten Fälle Portugal und Spanien, in denen die Kommission trotz zu hoher Defizite von Strafzahlungen abgesehen hat. Regeln müssten eine Bindungswirkung haben und dürften nicht durch politische Rücksichten zur „Schönwetterveranstaltung“ verkommen.

Für Rücksicht auf Portugal und Spanien hatte seinerzeit nach Angaben von EU-Vertretern auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geworben. Im EU-Finanzministerrat zeichnet sich ein Ja zu den Kommissionsvorschlägen ab. In einem Reuters vorliegenden Informationspapier von Finanzstaatssekretär Jens Spahn für den Bundestags-Haushaltsausschuss, heißt es, bei einer Telefonkonferenz des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Rates vor kurzem hätten einige Mitglieder zwar deutliche Kritik geäußert. Eine qualifizierte Mehrheit zur Abänderung der Vorschläge zeichne sich aber nicht ab. Formell müssen die EU-Finanzminister bis zum 8. August entscheiden, ob sie der Kommission folgen. Ihr Beschluss wird vermutlich auf schriftlichem Wege gefasst.

Die Kommission hat die Aussetzung von Geldbußen für Portugal und Spanien empfohlen, obwohl beide Länder die zugesagten Defizitziele verfehlten. Portugal soll ein Jahr länger Zeit erhalten, um mit 2,5 Prozent im laufenden Jahr die europäische Defizitgrenzmarke von drei Prozent zu unterschreiten. Spanien wurde eine Fristverlängerung um zwei Jahre bis 2018 gewährt, um unter diese Marke zu kommen. Ein Vorschlag zur Aussetzung von EU-Strukturfondsmittel für beide Länder, die als Sanktion möglich ist, wurde bislang nicht vorgelegt.

Hinter dem konzilianten Verhalten der Kommission steht die Befürchtung, dass die ohnehin schwierige Lage der EU durch Strafen gegen Mitgliedsländer noch weiter verschärft werden könnte. Denn im Zuge der Flüchtlingskrise kam es zu ernsten Verwerfungen zwischen einzelnen Staaten über die Frage der Zuwanderung. In Ungarn findet Anfang Oktober ein Referendum über die von der EU angestrebte Zwangszuteilung von Flüchtlingen statt und auch der Austritt Großbritanniens hatte mit der Frage der Migration zu tun. Zudem verstoßen andere Länder wie Frankreich seit Jahren gegen die Maastricht-Kriterien, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

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