Politik

Volkswagen muss 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken

Volkswagen schickt 20.000 Mitarbeiter in die Kurzarbeit. Damit ist die Krise endgültig bei den Mitarbeitern und Zulieferern angekommen. Die Heftigkeit des Streits mit den Zulieferern zeigt, wie weitreichend Probleme bei Volkswagen für Deutschland sind.
20.08.2016 01:59
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Lieferstopp, Ordnungshaft, Machtmissbrauch: Volkswagen leistet sich mit zwei Zulieferern einen heftigen Schlagabtausch. Der Wolfsburger Autobauer will die beiden sächsischen Firmen Car Trim und ES Automobilguss unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft dazu zwingen, ihre Lieferungen an die VW-Werke wieder aufzunehmen. Wegen der fehlenden Bauteile muss im Stammwerk in Wolfsburg die Produktion des Golf ruhen. Ingesamt wird Volkswagen voraussichtlich in fünf Werken mehr als 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Doch die Unternehmen, die beide zur Prevent-Gruppe gehören, warfen Europas größtem Autobauer am Freitag Machtmissbrauch vor. Der Konzern nutze seine dominierende Marktstellung gegenüber der Zulieferindustrie aus.

"Für die Krise bei VW und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich", sagte Alexander Gerstung, Mitglied der Geschäftsführung der ES Automobilguss GmbH. VW verlagere seine Probleme auf die Zulieferindustrie. Die Wolfsburger kämpfen seit bald einem Jahr mit den Folgen der Abgaskrise und fahren gleichzeitig bei ihrer ertragsschwachen Hauptmarke einen Sparkurs.

Car Trim und ES Automobilguss fertigen Sitzbezüge und Getriebegehäuse für die Produktion verschiedener VW-Modelle, haben ihre Lieferungen aber seit einiger Zeit eingestellt. In Emden waren bereits am Donnerstag rund 8000 Beschäftigte des Passat-Werks deshalb in Zwangsurlaub gegangen. "VW zwingt uns zu diesem Vorgehen, um unsere eigenen Mitarbeiter in Niedersachsen und Sachsen zu schützen und letztlich den Fortbestand des Unternehmens zu sichern", argumentierte Gerstung. Die jetzige Situation sei das Resultat einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen. Die beiden Unternehmen forderten deshalb einen mittleren zweistelligen Euro-Millionenbetrag von VW. Da der Konzern eine Kompensation ablehne, habe man sich zum Lieferstopp gezwungen gesehen. VW äußerte sich zu den Hintergründen des Streits bisher nicht.

Die beiden Firmen aus Sachsen seien nicht an einer weiteren Eskalation interessiert, betonte Gerstung. "Aber die Art und Weise, wie VW mit Zulieferern umgeht, ist in keiner Weise akzeptabel und kann jeden kleinen Betrieb in den Ruin trieben." Die niedersächsische Landesregierung rief er auf, nicht einseitig Partei zu ergreifen. Wirtschaftsminister Olaf Lies hatte das Verhalten der Zulieferer am Donnerstag im Landtag als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Das Land ist zweitgrößter VW-Aktionär. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte ein Ende des Lieferstopps: "Hier läuft ein ganz mieses Spiel des Lieferanten. Das macht uns wütend", sagte er der "Bild"-Zeitung. Kurzarbeit nehme niemand auf die leichte Schulter.

In dem Konflikt zog VW alle juristischen Hebel: Beim Landgericht Braunschweig stellte der Konzern den Antrag, die Firma Car Trim durch ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall zur Wiederaufnahme der Lieferung von Sitzbezügen zu zwingen. Sollte dies nicht fruchten, solle Ordnungshaft gegen den Geschäftsführer der Firma angedroht werden, teilte das Gericht mit. Car Trim habe drei Tage Zeit für eine Stellungnahme. Danach wolle die Kammer für Handelssachen entscheiden. Volkswagen hatte vergangene Woche eine einstweilige Verfügung durchgesetzt, an die sich Car Trim aus Sachsen jedoch nicht hält. Von der Möglichkeit, Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen, habe das Unternehmen bislang nicht Gebrauch gemacht. Gleichwohl sei das Urteil schon jetzt vollstreckbar.

Im zweiten Fall geht es um die Firma ES Automobilguss, die ebenfalls zur Prevent-Gruppe gehört. In dieser Sache will das Landgericht am 31. August in mündlicher Verhandlung über eine Einstweilige Verfügung beraten, gegen die der Lieferant Widerspruch eingelegt hat. Auch hier beantragt Volkswagen Ordnungsgeld und Ordnungshaft. Zudem streben die Wolfsburger die Ermächtigung zur Ersatzvornahme an. Sollte das Gericht dem stattgeben, könnte VW einen Gerichtsvollzieher beauftragen, die Bauteile bei ES Automobilguss zu beschlagnahmen.

Der Machtkampf zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern könnte den Dax-Konzern teuer zu stehen kommen. Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sagte den Ruhr Nachrichten, VW drohten "Gewinneinbußen im hohen dreistelligen Millionen-Bereich". Solch ein Lieferstopp verspiele aber Vertrauen bei allen Herstellern in der Branche. "So etwas macht man nur in wirklich allerhöchster Not." Der Auto-Ökonom an der Universität Duisburg-Essen ergänzte, VW sei nicht gut aufgestellt. "Bei jedem anderen Autobauer der Welt gibt es mindestens zwei Lieferanten für solche Teile."

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Sturm auf Russlands Wohnimmobilienmarkt: Kaufen wie Mieten wird unerschwinglich
25.05.2025

Der russische Wohnungsmarkt gerät zunehmend unter Druck: Mit der drastischen Anhebung der Leitzinsen, dem Auslaufen staatlicher...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps nächstes Vermächtnis: Eine weltweite Spikeflation mit Ansage
24.05.2025

Trumps Handelskriege, Machtspiele und Geldflüsse aus dem Nahen Osten treiben nicht nur die Inflation – sie könnten eine explosive...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ist die Energiewende am Ende? Wie die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche alles ändern könnten
24.05.2025

Neue Prioritäten im Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche – In der Energiepolitik ist ein radikaler Kurswechsel angekündigt:...

DWN
Politik
Politik EU-Milliarden für Digitalisierung: Diese Programme bringen Unternehmen nach vorn
24.05.2025

Europa zahlt – und Unternehmen, die jetzt nicht zugreifen, verspielen ihre digitale Zukunft. Mit 1,3 Milliarden Euro will die EU ihre...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zwang zur Kontoerstellung kostet Online-Shops Kunden - was erfolgreiche Unternehmen besser machen
24.05.2025

Eine Kontoerstellung vor dem Kauf schreckt Kunden ab und führt zu Kaufabbrüchen. Über 50 Prozent der Online-Shops verlieren so Umsatz....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Auto-Offensive scheitert an Deutschland – Misstrauen schlägt Billigpreis
24.05.2025

Trotz Hightech und Kampfpreisen bleiben Chinas Autobauer in Deutschland Ladenhüter. Händler fürchten Pleiten, Kunden trauen den Marken...

DWN
Panorama
Panorama Pandemievertrag: Wie die WHO besser auf Gesundheitskrisen reagieren will
24.05.2025

Der neue Pandemievertrag soll globale Gesundheitskrisen künftig besser eindämmen. Doch wie wirksam ist er wirklich – und was steht noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Handelschaos ist Europas Chance – wer jetzt schnell handelt, gewinnt
24.05.2025

Während Trump mit Strafzöllen die Welt verunsichert, bietet Europa plötzlich das, was vielen fehlt: Stabilität. Für clevere...