In den kommenden Tagen werden Nigeria und Libyen ihre Erdöl-Produktion nach wochenlangen Beeinträchtigungen wieder deutlich hochfahren. In Nigeria hatten Milizen in den vergangenen Monaten Pipelines und Ölförderanlagen im Nigerdelta angegriffen – die Produktion wurde daraufhin strak gedrosselt. Inzwischen scheinen die Milizen aber für Verhandlungen mit der Regierung und den Ölkonzernen bereit zu sein. Die international anerkannte Regierung in Libyen hat unterdessen Öl-Exporte aus den Häfen Ras Lanuf, Es Sider und Zueitina zugelassen, welche aufgrund des herrschenden Bürgerkriegs geschlossen gewesen waren.
Beobachter schätzen, dass die Erdöl-Ausfuhren Libyens dadurch um bis zu 300.000 Barrel (159 Liter) pro Tag steigen könnten, berichtet Bloomberg. In Nigeria wird Exxon Mobile offenbar den Export der Ölsorte Qua Iboe wieder aufnehmen, von der im vergangenen Jahr bis zu 340.000 Barrel täglich geliefert worden waren. Zudem wird Royal Dutch Shell Berichten zufolge in Kürze mit der Förderung von bis zu 200.000 Barrel beginnen.
Bis zu 800.000 zusätzliche Barrel Rohöl könnten somit zusätzlich auf den Weltmarkt gelangen – das derzeitige Überangebot von etwa 400.000 Barrel täglich würde dadurch verdreifacht. Selbst wenn die Neuzugänge weit geringer ausfallen, käme es zu einer Zementierung des Überangebots und damit zu einem anhaltenden Druck auf die Notierungen.
„Wenn sie Neuanfänge in Nigeria und Libyen haben, wird der Ausgleich von Angebot und Nachfrage in noch weitere Ferne rücken. Es verkompliziert die Dinge vor dem Treffen in Algiers sehr“, wird ein Analyst von Bloomberg zitiert.
Hinzu kommt, dass Kasachstan in den kommenden Wochen nach jahrelanger Bauzeit eine der weltweit größten Ölförderanlagen eröffnen dürfte. Auch diese Maßnahme wird das globale Überangebot verstärken. „Im Oktober könnte die Anlage erstmals Öl liefern. Die Partnerfirmen schätzen, dass das Kaschagan-Feld im kommenden Jahr täglich bis zu 370.000 Barrel liefern könnte. Falls dies stimmt, würde das die Ausbalancierung des Ölmarktes weiter verschieben“, schreibt oilprice.com.
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) geht davon aus, dass nicht der Organisation angehörende Produzenten im nächsten Jahr mehr Öl fördern werden als bislang angenommen. Einer der Gründe dafür sei, dass das Angebot an Schieferöl in den USA nicht in dem Maße zurückgehe wie bislang angenommen. Gleichzeitig rechnet die Opec 2017 für ihre Mitgliedsländer mit einer geringeren Nachfrage nach dem Rohstoff. Die Ölschwemme auf den Weltmärkten wird sich auch nach Ansicht der Internationalen Energiebehörde IEA bis weit ins nächste Jahr hinziehen. Das Angebot werde weiterhin die Nachfrage übersteigen, zumindest bis in das erste Halbjahr 2017.