Politik

Syrien-Gipfel: Kein Ergebnis, Russen schicken Flugzeugträger ins Mittelmeer

Beim Syrien-Gipfel in Lausanne gab es keine konkreten Ergebnisse. Allerdings schlug sich die Türkei überraschend in einem Punkt auf die Seite Russlands. Die Russen sind allerdings misstrauisch geworden und verstärken ihre Präsenz im Mittelmeer.
16.10.2016 01:44
Lesezeit: 3 min
Syrien-Gipfel: Kein Ergebnis, Russen schicken Flugzeugträger ins Mittelmeer
Der russische Flugzeugträger Admiral Kusnezow. (Foto: avia.pro)

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Die Syrien-Gespräche zwischen den USA, Russland und den wichtigsten Länder der Krisenregion sind offenbar ohne konkrete Fortschritte zu Ende gegangen. Sie hätten sich darauf geeinigt, "die Kontakte im Laufe der nächsten Tage fortzusetzen", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Samstagabend nach über vierstündigen Gesprächen in Lausanne den russischen Nachrichtenagenturen. Nach Angaben seines US-Kollegen John Kerry sollen niedrigrangigere Vertreter bereits am Montag Kontakt aufnehmen und eine neue Agenda erstellen.

Das wichtigste Ergebnis kam laut der türkischen Zeitung Daily Sabah einige Stunden nach dem Ende des Gipfels. Die Türkei hat sich überraschend der bekannten russischen Forderung angeschlossen, dass die al-Nusra-Front die Stadt Aleppo sofort verlassen müsse, um humanitäre Hilfskonvois ungehindert in die Stadt zu lassen. Die al-Kaida-Gruppe, die von Saudi-Arabien unterstützt wird, befindet sich noch im Ostteil der Stadt. Die Russen fordern seit Monaten, dass die USA und Russland die al-Nusra gemeinsam bekämpfen müssten. Es ist unklar, ob hinter der türkische Forderung der Ansatz für einen größeren Deal steckt: Außenminister Mevlüt Cavusoglu wollte in Lausanne einen Vorschlag für eine Beteiligung der türkischen Truppen an der geplanten Offensive auf die nordirakische Stadt Mossul präsentieren. Die irakische Regierung lehnt eine Beteiligung der Türkei an dem Einsatz zur Befreiung der letzten Hochburg der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak allerdings ab. Auch die Türkei hatte sich bisher geweigert, weil die USA die kurdische YPG als Partner für den Kampf will. 

Der türkische Präsident Erdogan kündigte an, dass von der türkischen Armee unterstützte Rebellen auf die von den Dschihadisten gehaltene Stadt Dabik im Norden Syriens vorrücken würden. Die Ortschaft ist von hoher symbolischer Bedeutung, da dort laut einer islamischen Überlieferung zum Ende aller Zeiten eine wichtige Schlacht zwischen den Muslimen und ihren Gegnern stattfinden wird. Auch eine IS-Propagandazeitschrift ist nach Dabik benannt.

Lawrow sagte, Russland habe deutlich gemacht, dass "der politische Prozess so schnell wie möglich beginnen sollte. Am Sonntag wird Kerry in London seine europäischen Partner über die Gespräche in Lausanne informieren. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault hat seine Teilnahme bereits zugesagt.

Kerry sprach im Anschluss von "offenen" Gesprächen, bei denen einige neue Vorschläge auf den Tisch gekommen seien. Alle Parteien seien sich darin einig gewesen, dass es dringend notwendig sei, gemeinsam einen Weg zum Waffenstillstand zu finden. "Es gab einige schwierige Momente, es gab Spannungen, aber alle waren konstruktiv", sagte Kerry. Er sprach von "ersten Diskussionen". Als positiv bewertete er es, dass alle Hauptakteure an einem Tisch gesessen hätten, darunter auch die beiden Erzrivalen Riad und Teheran.

Kerry und Lawrow hatten Mitte September eine landesweite Feuerpause zwischen Rebellen und Regierungstruppen ausgehandelt, doch war diese nach nur wenigen Tagen nach einem irrtümlichen Angriff der US-Koalition gegen Syrien gescheitert. Danach wollten sich die Russen nicht mehr auf weitere Zusagen verlassen und intensivierten ihren Kampf gegen die islamistischen und internationalen Söldner, die Aleppo überfallen hatten.

Neben Kerry und Lawrow nahmen auch die Außenminister der Türkei, Saudi-Arabiens, Katars, Ägyptens, Jordaniens, des Irak und des Iran sowie der UN-Syriengesandte Staffan de Mistura an den Verhandlungen am Genfer See teil. Das Format des Treffens ist neu, da die Europäer nicht daran beteiligt sind. Kerry wird die Europäer in der Folge über die Gespräche informieren.

Mehrere westliche Staaten haben Moskau wegen der massiven Luftangriffe auf Wohngebiete und Krankenhäuser "Kriegsverbrechen" vorgeworfen. Das Treffen am Samstag war das erste Mal seit Beginn der Militäroffensive, dass Kerry und Lawrow sich trafen. Bundeskanzlerin Merkel will in der EU schärfere Sanktionen gegen Russland durchsetzen.

Das syrische Oppositionsbündnis Nationale Koalition in Istanbul kritisierte das Treffen. Es werde "nur zu weiterer Zeitverschwendung, weiterer Verzögerung und weiterem Blutvergießen in Syrien führen", sagte der Vizevorsitzende Abdal Ahad Stefo. Mehrere führende Hilfsorganisationen hatten zu einer mindestens 72-stündigen Waffenruhe für den umkämpften Osten Aleppos aufgerufen.

Lawrow hatte vor dem Treffen gesagt, er wolle keine neuen Initiativen zur Beilegung des Konflikts präsentieren, sondern auf die Umsetzung vorheriger UN-Resolutionen sowie der letzten Vereinbarung mit den USA für eine Waffenruhe dringen. Seit deren Zusammenbruch wurden im Osten Aleppos laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 370 Menschen durch syrische und russische Luftangriffe getötet.

 

Die Russen sind nach den Kriegsdrohungen aus der US-Regierung darauf bedacht, ihre Truppen zu schützen. Nach der Ankündigung aus CIA und Teilen des Generalstabs, die syrische Armee in einer verdeckten Aktion angreifen zu wollen, machte sich der russische Flugzeugträger "Admiral Kusnezow" auf den Weg in das Mittelmeer. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, wird er begleitet von mehreren großen Kriegsschiffen. Demnach soll der einzige Flugzeugträger Russlands, der noch aus Sowjetzeiten stammt und sonst in Murmansk stationiert ist, auf "moderne Bedrohungen wie Piraterie und den internationalen Terrorismus" reagieren.

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