Die Europäische Union ist mit der Flüchtlingskrise aus Sicht von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker überfordert: «Die Flüchtlingskrise haben wir nicht im Griff», sagte er am Mittwochabend in der ZDF-Sendung «Was nun, Herr Juncker?» «Es hat ja keinen Sinn, dass ich mich in Schönmalerei ergehe.»
Zwar gebe es dank des Pakts mit der Türkei Fortschritte. Die Zahl der Menschen, die über die Ägäis nach Griechenland kämen, sei von 10 000 am Tag auf etwa 80 zurückgegangen. «Der Türkei-Deal funktioniert, aber die gesamteuropäische Antwort auf das Flüchtlingsdrama funktioniert nicht in Gänze», sagte Juncker.
Er mahnte die 28 Staaten der Union noch einmal, das Problem gemeinsam anzugehen. «Wir können nicht Italien und Griechenland alleine lassen», sagte er. «Und wir können nicht tolerieren, dass nur Deutschland oder Schweden Flüchtlinge aufnehmen. Die innereuropäische Solidarität muss gestärkt werden.»
Damit bezog er sich offenbar auf die Weigerung von osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Partnern wie Italien oder Griechenland Flüchtlinge abzunehmen. In den südeuropäischen Ländern kommen nach wie vor Zehntausende Menschen an, die meisten über die westliche Mittelmeerroute aus Nordafrika.
Juncker sieht die EU in einer äußerst schwierigen Situation: «Diesmal haben wir es mit einer Polykrise zu tun. Es brennt an allen Ecken und Enden - nicht nur an europäischen Ecken und Enden. Aber dort, wo es außerhalb Europas brennt, verlängert sich die Feuersbrunst nach Europa.»
Einen Anfang vom Ende der EU sehe er nicht, sagte Juncker. Doch zeigte er Verständnis für den Unmut einiger Bürger. Die EU habe sich zwangsläufig von den Menschen entfernt, es gebe Gräben, so wie in den Einzelstaaten auch. Er habe versucht, dies von Brüssel aus zu korrigieren. Die EU-Kommission kümmere sich nun vorwiegend um die großen Probleme und wolle sich nicht «im täglichen Klein-Klein» verlieren. Auch suchten die Kommissare den Bürgerdialog und reisten in der ganzen Union herum. «So weit vom pulsierenden Leben sind wir nicht entfernt», sagte Juncker.