Politik

Flüchtlinge aus Libyen: Italien will Russland um Hilfe bitten

Italien will Russland um Hilfe in Libyen bitten, damit eine neue massive Flüchtlings-Bewegung verhindert werden kann. Die neue US-Regierung könnte die Initiative unterstützen.
09.02.2017 00:18
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Times of London berichtet, dass sich Italien an Russland wenden will, um die Lage in Libyen zu stabilisieren. Italien fürchtet eine neue, massive Flüchtlingsbewegung aus Libyen und traut offenbar den EU-Plänen zur Internierung der Flüchtlinge nicht. Daher solle nun, so die Times, Russland gebeten werden, für Ordnung in Libyen zu sorgen. Die Zeitung zitiert Mario Giro, den stellvertretenden italienischen Außenminister, mit den Worten: „Italien hat immer enge Beziehungen zu Russland unterhalten, und jetzt, wo wir ein friedliches, einheitliches Libyen wollen, werden wir glücklich sein, wenn Russland dasselbe Ziel verfolgt.“ Italiens Ministerpräsident, Paolo Gentiloni, wird die britische Premierministerin Theresa May zu der erweiterten Rolle für Russland in Libyen am Donnerstag bei einem Treffen in London konsultieren.

Großbritannien hatte Italien bisher am meisten unterstützt, do die Times, um Libyen zu stabilisieren und den Übertritt von Migranten in Europa zu stoppen - im vergangenen Jahr waren es mehr als 180.000.

Von den anderen EU-Staaten kann Italien wenig Hilfe erwarten: Seit Jahren beklagen die Italiener, dass sie die große Zahl an in Italien gestrandeten Flüchtlingen nicht versorgen können. Die EU hatte darauf einen Umverteilungsplan aufgestellt. Demnach sollten bis zum Herbst 2017 etwa 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in der EU verteilt werden. Laut EU-Fortschrittsbericht sind es Mitte Februar noch nicht einmal 10 Prozent, die den beiden Ländern abgenommen wurden.

Daher setzen die Italiener nun auf die Russen, weil sie eine realpolitische Lösung brauchen. Das EU-Konzept, die Flüchtlinge und Migranten einfach in „KZ-ähnlichen Lagern“ (so das deutsche Außenministerium) festzusetzen, ist nicht nur inhuman, sondern auch undurchführbar, so lange im Land das Chaos vor War-Lords und Söldnerbanden herrscht.

Die Italiener wollen daher gemeinsam mit den Russen General Khalifa Haftar eine ordnende Rolle zugestehen. Hiftar, der von einer rivalisierenden Regierung in Tobruk in Ost-Libyen unterstützt wird, hat auch die Unterstützung von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und von Russland.

Die Times berichtet, dass Russland einen italienischen TV-Bericht dementiert habe, wonach es zwischen dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Hiftar eine Einigung über die Errichtung zweier Militärbasen in Ost-Libyen gegeben habe. Der maltesische Außenminister George Vella, warnte laut Times bereits vor einer zu großen Rolle Russlands im Libyen: „Wir alle wissen, dass die Träume der Russen immer gewesen sind, Basen im Mittelmeer zu haben.“

Hiftar hat auch den Vorteil, enge Beziehungen in die USA zu unterhalten. Die Times schreibt: „Nachdem er 1987 einen gescheiterten Staatsstreich gegen Oberst Gaddafi geleitet hatte, lebte General Hiftar, der angeblich von der CIA unterstützt wurde, in Virginia, bevor er nach Libyen zurückkehrte, nachdem Gaddafi im Jahr 2011 im Aufruhr des Arabischen Frühlings getötet worden war.“ Es ist nicht bekannt, ob Hiftar heute für die CIA arbeitet. Ebensowenig ist bekannt, ob es eine Kooperation der amerikanischen und russischen Geheimdienste gibt, um Hiftar zu installieren.

Die Times vermutet, dass der neue US-Präsident Donald Trump Hiftar eher unterstützen wird als den aktuellen libyschen Premier Faiez al-Sarraj, der in einer Koalition mit Islamisten regiert und von der EU gestützt wird. Die EU finanziert aktuell außerdem die libysche Küstenwache, die jedoch offenbar mit großer Brutalität gegen die Migranten und Flüchtlinge vorgeht: Videos, die von Sky TV und der Times gesehen wurden, zeigen schwerbewaffnete Männer, die mit Kunststoffrohren auf Migranten einschlagen, die sie aus dem Mittelmeer in der Nähe von Sabratha, West-Libyen, gefischt hatten.

Die Russen halten sich vorderhand bedeckt und wollen sich offiziell nicht festlegen. Der Kreml teilte laut Times mit, dass man „mit beiden Machtzentren in Libyen zusammenarbeiten“ wolle. Sarraj soll in den kommenden Wochen nach Moskau reisen.

Für die Russen könnte das Engagement in mehrfacher Hinsicht attraktiv sein: Moskau könnte mit einer Unterstützung in der Flüchtlingskrise die Realos in der EU stärken, die sich seit Jahren gegen den anti-russischen Kurs der EU stellen. Zugleich könnte Russland Zugriff auf die Ressourcen in Libyen erhalten, was Erdöl und Erdgas betrifft. Und schließlich könnte sich Russland als Waffenhändler in der Region profilieren: Algerien hat bereits zahlreiche Kampfjets, Panzer und Hubschrauber aus Russland gekauft. Die Russen können damit werben, in Syrien einen erfolgreichen Militäreinsatz lanciert zu haben.

Syrien spielt auch für die EU eine entscheidende Rolle: Die Times zitiert Karim Mezran vom Atlantic Council in Washington, der sagt, Italien werde „alles tun, um ein weiteres Syrien zu vermeiden“. Hierin dürften sich die Interessen der Italiener mit jenen der neuen US-Regierung treffen. Donald Trump hatte mehrfach gesagt, dass sein Hauptziel der Kampf gegen den islamistischen Terror im allgemeinen und gegen den IS im besonderen sei. Aktuell kontrolliert der IS die Schlepper in Libyen und kann daher bestimmen, wer nach Europa kommt und wer nicht. Daher läge eine Zusammenarbeit mit Russen und Amerikanern in Libyen eigentlich im eigenen Interesse der EU. Es ist allerdings nicht klar, ob die EU in ihrer derzeitigen Verfassung ein verlässlicher Bündnispartner sein kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Firmen verstärken Investitionen in Mittel- und Osteuropa
05.02.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass immer mehr deutsche Unternehmen überlegen, ihre Produktion nach Mittel- und Osteuropa zu verlagern....

DWN
Politik
Politik Heizungsgesetz: CDU will es abschaffen – was wären die Folgen?
05.02.2025

Heizungsgesetz CDU? Was viele nicht wissen: Das heiß diskutierte und viel gehasste „Heizungsgesetz“ stammt ursprünglich von der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China kündigt Gegenmaßnahmen auf US-Zölle an - so könnte die EU reagieren
04.02.2025

Während Mexiko und Kanada mit US-Präsident Donald Trump eine Vereinbarung zur vorübergehenden Aussetzung von Zöllen erzielten, kam es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Spotify: Musikstreaming-Anbieter legt starke Zahlen vor - Aktie im Aufwind
04.02.2025

Spotify hat für das vierte Quartal im letzten Jahr starke Zahlen vorgelegt und kann immer mehr Nutzer von seinem Angebot überzeugen -...

DWN
Immobilien
Immobilien Anmeldung einer Wohnung: Die Krux des Meldewesens und wie Vermieter am Immobilienmarkt herumtricksen
04.02.2025

Es gibt eine neue Initiative namens „Anmeldung für alle“, die das polizeiliche Meldewesen als letzte Hürde des ungebremsten Zuzugs,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall-Aktie nach Großauftrag mit Auf und Ab an der Börse
04.02.2025

Die Bundeswehr beschert dem Rüstungskonzern Rheinmetall einen Großauftrag in Milliardenhöhe. An der Börse ist mächtig Bewegung drin....

DWN
Politik
Politik Erste Wahlumfragen nach Migrationsdebatte: So schneidet die CDU/CSU ab
04.02.2025

Die CDU/CSU ist mit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag hohes Risiko gefahren. Doch wie macht sich das in der Wählergunst...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall-Street-Analyse: Börsenprofis ziehen Parallelen zum Platzen der Dotcom-Blase
04.02.2025

Das effizientere KI-Modell des chinesischen Start-ups DeepSeek hat vergangene Woche hoch bewertete KI- und Technologieaktien erschüttert....