Der türkische AKP-Abgeordnete Metin Külünk hat am Donnerstag die türkische Staatsanwaltschaft in der Türkei aufgefordert, gegen die deutschen Stiftungen in der Türkei vorzugehen. „Die deutschen Stiftungen in der Türkei müssen aufgrund geheimdienstlicher Aktivitäten beobachtet werden. Ich fordere die Staatsanwaltschaft zum Handeln auf“, zitiert OdaTV Külünk. Die Forderung ist die Revanche für die Razzia bei einigen Ditib-Predigern, die die deutschen Behörden in dieser Woche durchgeführt haben.
Ende Januar wurde im türkischen Parlament eine Anfrage eingereicht, die sich mit der Rolle der deutschen Stiftungen in der Türkei beschäftigt. Es ging unter anderem um den Vorwurf, dass die deutschen Stiftungen nicht die Aufgabe hätten, die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU zu verbessern, sondern zu torpedieren, berichtet die Zeitung Birgün. Deutsche Journalisten würden sich in der Türkei nicht wie Journalisten, sondern wie „Aktivisten“ verhalten.
Super Haber warf Anfang Februar der Heinrich-Böll-Stiftung vor, gezielte Provokationen auszuführen. Der Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, Kristian Brakel, verhalte sich nicht wie ein Stiftungsvertreter, sondern wie ein „Agent Provocateur“, so das Blatt. Auslöser des Vorwurfs waren Aussagen von Brakel in einem Interview mit dem türkischsprachigen Dienst der staatlichen Deutschen Welle. Brakel hatte gesagt, dass sich die Situation in der Türkei weiter verschlechtern und es zu einer Destabilisierung des Landes kommen werde. Brakel äußerte Kritik an Merkels Türkei-Besuch. Er meinte, das Verhältnis zwischen Merkel und Erdogan wird sich nicht mehr bessern. Merkel spiele auf Zeit. Erdogan werde hingegen wie jeder andere Mensch irgendwann sterben und ein Machtvakuum hinterlassen, was eine große Gefahr in sich birgt, sowohl für Deutschland als auch für die Türkei, meint Brakel.
Haber 7 berichtet, dass die deutschen Stiftungen in der Türkei seit Jahren Versuche unternehmen, um gezielt die Ereignisse in der Türkei und die türkische Regierung zu manipulieren. Es werde offen versucht, ethnische und politische Spannungen im Land anzuheizen. Das Blatt schließt ein Verbot der Aktivitäten der deutschen Stiftungen nicht aus. In der Türkei gelte nach wie vor der Ausnahmezustand, was der Regierung weitreichende Befugnisse einräume.
Der türkischen regierungsnahen Zeitung Sabah zufolge habe Deutschland mehrmals eine feindselige Haltung gegenüber der Türkei unter Beweis gestellt. Deutschland sei nicht nur mit seinen Stiftungen in der Türkei aktiv, sondern habe die Armenier-Resolution verabschiedet und sei ein sicherer Hafen für die PKK und die Gülen-Bewegung.
Der Spionage- und Subversionsvorwurf gegen die deutschen Stiftungen wurde erstmals im Jahr 2001 im Rahmen des türkischen Buchs „Die deutschen Stiftungen und das Bergama-Dossier“ durch den investigativen Journalisten Necip Hablemitoglu erhoben. Hablemitoglu wollte mit aufwändigen Originaldokumenten im Buch nachweisen, dass der Auslandsgeheimdienst BND die deutschen Stiftungen in der Türkei nutzt, um subversiv tätig zu werden. Im Jahr 2002 wurde er in der Hauptstadt Ankara durch einen professionellen Killer auf offener Straße getötet, berichtet der Daily Telegraph. Er wurde durch einen Schuss ins linke Auge getötet, als er aus seinem Wagen stieg.
Zudem betrieb Hablemitoglu investigative Recherchen über die Gülen-Bewegung. Er warf der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, der bereits damals in den USA gelebt hat, Verbindungen zur CIA vor, berichtet die Washington Post. Die Hintergründe zum Attentat konnten bisher nicht aufgeklärt werden.
Im Jahr 2011 erhob der damalige türkische Premier Recep Tayyip Erdogan den Vorwurf der Finanzierung der PKK durch deutsche Stiftungen. Er behauptete, einige Stiftungen würden der terroristischen PKK Hilfe leisten. Diese hätten Kreditgeschäfte mit Stadtbezirken, die von der CHP oder der BDP regiert werden. Die Parteien würden das Geld dann an die PKK weiterleiten. „Auf diese Weise senden sie auf legalem Weg Geld an die PKK“, zitieren die Deutsch Türkischen Nachrichten Erdogan.
Nach dem Umsturz in der Ukraine und den Gezi-Park Protesten sagte Erdogan in einem Interview mit Charlie Rose, dass „westliche“ Stiftungen und Organisationen den Umsturz der Janukowitsch-Regierung durchgeführt hätten, und dies auch mit der türkischen Regierung vor hätten. In dieselbe Richtung argumentierte der ehemalige Chef des privaten US-Nachrichtendiensts Stratfor, George Friedman. In einer Analyse deutete er auf die aktive Rolle deutscher Stiftungen beim Umsturz in Kiew hin.
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, gilt als politischer Ziehsohn der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die CDU-nahe Organisation spielte beim Sturz der Regierung Janukowitsch tatsächlich eine Schlüsselrolle.
Türkische Medien stellen durchgehend einen Bezug auf die Rolle deutscher Stiftungen in der Ukraine her, um ihren Vorwurf der Spionage und Subversion deutscher Stiftungen in der Türkei zu untermauern.