Politik

Nato-Staat Türkei will von Russland Raketenabwehr kaufen

Russland verhandelt mit der Türkei über den Verkauf des russischen Raketenabwehrsystems. Die Amerikaner halten dagegen. Entscheidend könnte nun sein, ob es dem neuen US-Präsidenten Trump gelingt, die USA in der Türkei wieder als verlässlichen Partner zu präsentieren.
01.03.2017 23:57
Lesezeit: 2 min

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Ankara befindet sich mit Moskau in Gesprächen über den Kauf des russischen Raketensystems S-400, berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu. „Die Gespräche laufen noch weiter. Die Lieferung ist nur möglich, wenn eine Vereinbarung getroffen wird. Doch bisher hat es keine Einigung gegeben“, zitiert die Tass den russischen Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin. Der Sprecher des türkischen Präsidialamts, Ibrahim Kalin, hatte am 22. Februar gesagt, dass der geplante Deal auch am 8. Und 9. März während des Treffens des High-Level Cooperation Council (HLCC) in Moskau zwischen Erdogan und Putin besprochen wird.

Auf Nachfrage eines Reporters, wie der Kauf des S-400-Raketensystems die Beziehungen der Türkei zur NATO beeinflussen würde, sagte Kalin: „Wir sehen hier keine Disharmonie oder einen Widerspruch. Es gibt Beispiele: Wie sie bereits wissen, setzten einige NATO-Mitgliedsstaaten diese Systeme ein“, so Kalin. Zum anstehenden Treffen zwischen Putin und Erdogan sagte der Berater des türkischen Präsidenten, Ilnur Cevik, dem russischen Sender Rossiya 24: „Im Mittelpunkt des Treffens stehen der Handel, Tourismus und die Zusammenarbeit was den Bau des Atomkraftwerks in Akkuyu in der Türkei angeht. Zusätzliche Themen sind die türkische Rüstungsindustrie und das S-400-System. Einige unserer Verbündeten in der NATO sind dagegen, dass die Türkei S-400-Raketen von Russland kauft. Für uns besteht darin aber kein Problem. Viele NATO-Partner haben in ihrem Inventar russische Waffen und Verteidigungssysteme.“

Die USA versuchen seit geraumer Zeit, die Türkei wieder aus der Umarmung mit Russland zu lösen. Prinzipiell hat der türkische Präsident Erdogan auch nichts gegen eine starke Allianz mit Washington, wenn sie ihm Vorteile bringt. Allerdings ist das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei seit dem Putsch-Versuch gestört. Erdogan ist sich auch heute, Monate nach dem Putsch, nicht sicher, ob die Gefahr wirklich vorbei ist. Er will sich daher die Option einer Partnerschaft mit Russland so lange als möglich offenhalten.

Im Rahmen des vier Milliarden Dollar schweren Verteidigungsprojekts T-LORAMIDS (Turkish Long Range Air and Missile Defense System) möchte die Türkei ihren gesamten Luftraum und ihre Meerengen schützen.

Der amerikanische Rüstungs- und Elektronikkonzern Raytheon ist gemeinsam mit Lockheed Martin interessiert an der vier Milliarden Dollar schweren T-LORAMIDS-Ausschreibung der Türkei. Ankara hat sich noch für kein System entschieden. T-LORAMIDS soll die Türkei gegen Luftangriffe aus allen Richtungen schützen. Raytheon bietet der Türkei zusammen mit Lockheed Martin das PAC-3-System an (Patriot-Abwehrsystem) an. Auch Eurosam ist an einem Auftrag interessiert.

Im Jahr 2014 wollte die Türkei ein Luftabwehrsystem aus China kaufen. Dazu wurde im Juli 2013 ein Rahmenvertrag über 3,4 Milliarden US-Dollar mit dem chinesischen Rüstungskonzern China National Precision Machinery Import and Export Corporation (CPMIEC) geschlossen. Die Türken wollten das chinesische Modell HQ-9 kaufen. Es gilt als das modernste Luftabwehrsystem der chinesischen Armee und kann Flugzeuge aller Arten sowie ferngesteuerte Flugkörper und taktische ballistische Interkontinental-Raketen abfangen.

Für die westlichen Bündnispartner der Türkei war der Deal besonders besorgniserregend, berichtet Defense One, weil die Türkei damit gegen das Sanktionsregime gegen China verstoßen würde. Der Vorstoß wurde von den USA und der NATO als türkische „Provokation“ eingestuft. Es wurde die Kritik geäußert, dass Systeme aus Nicht-NATO-Staaten mit Systemen aus NATO-Staaten und dem einheitlichen Verteidigungsnetz der NATO nicht kompatibel seien, berichtet OdaTV. Doch dem widerspricht, dass beispielsweise der NATO-Staat Griechenland über russische S-300-Raketensysteme verfügt.

Im Jahr 2015 annullierte die Türkei den Deal dann endgültig. Der türkische Premier Ahmet Davutoglu unterzeichnete ein Dekret zur Annullierung des Vertrags. Dabei hatte China das beste Angebot gemacht, berichtet Bloomberg. Teile des Systems sollten in der Türkei produziert werden. Das chinesische Angebot hätte auch die staatlichen türkischen Verteidigungsbetriebe Roketsan, Aselsan und Ayesas 1,1 Milliarden Dollar verdienen lassen.

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