Politik

US-Regierung geht das Geld aus: Trump-Pläne in Gefahr

Lesezeit: 6 min
12.03.2017 23:51
Die US-Regierung hat erste Maßnahmen angekündigt, um die Staatspleite zu vermeiden. Die klammen Finanzen machen es für US-Präsident Trump schwer, seine Wahlversprechen umzusetzen. Seine einzige Chance wäre eine massive neue Verschuldung.

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US-Finanzminister Steven Mnuchin hat am Donnerstag damit begonnen, „außerordentliche Maßnahmen“ zu veranlassen, um die Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung abzuwenden. In einem Brief forderte Mnuchin den Mehrheitsführer des Kongresses, Paul D. Ryan, auf, die Schuldenobergrenze „bei der ersten Gelegenheit zu heben.“

Mnuchin schreibt in dem Brief an Ryan, dass der erste Schritt des Finanzministeriums die Aussetzung des Verkaufs von bestimmten staatlichen und lokalen Wertpapiere sei, mit denen die Regierung normalerweise die Steuerpolitik der Bundesstaaten und der Kommunen unterstützt. Das Finanzministerium werde, so die Washington Post, in Kürze die Zahlungen an bestimmte Pensionsfonds aussetzen, da es versucht, so lange wie möglich auf andere Zahlungen zu verzichten. Sobald das Geld noch knapper wird, wird die Regierung damit beginnen, bestimmte Rechnungen nicht mehr zu bezahlen.

Die klamme Lage bringt auch die ehrgeizigen Projekte von US-Präsident Donald Trump in Gefahr.

Donald Trump hatte im Wahlkampf eine äußerst expansive Finanzpolitik in Aussicht gestellt. Eine Kombination von Steuerkürzungen und Aufgabensteigerungen sollten die Konjunktur beleben und vor allem den mittel- und langfristigen Wachstumspfad nachhaltig nach oben verschieben. Bei den Steuern wollte er die Steuersätze für Unternehmen massiv und für Privatpersonen substantiell senken. Neben tieferen Steuersätzen für Unternehmen sollten auch Importzölle die Industrie vor Importen schützen und den Trend zur Auslagerung rückgängig machen.

Bei den Ausgaben versprach er ein großes Programm zur Sanierung und Modernisierung der maroden Infrastruktur sowie des Militärs. Dessen Zustand solle angeblich ebenfalls desolat sein. Auch den Veteranen wurden bessere Leistungen versprochen.

Das Gros der Bundesausgaben, nämlich für die staatliche umlagefinanzierte Altersvorsorge (engl. social security) sowie für das Gesundheitswesen, sollten umgekehrt nicht angetastet werden. Zu den von der Bundesregierung bezahlten Gesundheits-Ausgaben gehören ‚Medicare‘ und ‚Medicaid‘. ‚Medicare‘ umfasst Gesundheits-Ausgaben für alle Pensionierten ab 65 Jahren und für Behinderte. Im Rahmen von ‚Medicaid’ werden die Gesundheitsausgaben von einkommensschwachen Haushalten getragen bzw. unterstützt. Hingegen sollte Obamacare, die zusätzliche Versicherung von Millionen bisher nicht versicherter Haushalte, abgeschafft und ersetzt werden.

In seinem ersten Auftritt vor dem Kongress, im Stil einer ‚state of the union‘ Botschaft vorgetragen, bestätigte er diese Prioritäten. Er will die Militärausgaben substantiell um 54 Milliarden Dollar oder fast um 10 Prozent erhöhen. Daraus soll die größte Aufrüstung in Friedenszeiten werden. Dafür sollen im selben Ausmaß zivile Ausgaben für eine ganze Reihe von Departementen gekürzt werden. Die anderen Prioritäten bestätigte der Präsident, ohne überhaupt auf Details einzugehen: Steuerkürzungen für die ‚Mittelklasse‘ und für die Unternehmen, ein Infrastrukturprogramm, ‚Repeal and Replace‘ für ‚Obamacare’. Die Unternehmen sollen steuerlich begünstigt werden, wenn sie in den USA produzieren, unfaire Handelsbeziehungen korrigiert werden.

Im Kern repräsentiert das Programm von Trump eine Wiederholung von ‚Reagonomics‘. Trump hatte auch genau den gleichen Slogan verwendet wie Reagan, nämlich ‚Make America great again‘. Zur Agenda von Trump zählt deshalb selbstverständlich auch die Deregulierung vieler Wirtschaftssektoren. Diese Maßnahmen sollen das Wachstumstempo zusätzlich beschleunigen.

Gegenüber Reagan sind allerdings einige gewichtige Unterschiede auszumachen.

Erstens könnte der Startpunkt unterschiedlicher nicht sein: Reagan fand bei seinem Amtsantritt eine Bundesverschuldung von rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor. Bei Trump sind es 105 Prozent. Die gesamte Staatsverschuldung inklusive der Schulden von Bundesstaaten und Gemeinden beträgt sogar 120 Prozent des BIP.

Bei der Staatsverschuldung muss die Definition genau beachtet werden. Die Verschuldung gegenüber dem privaten Sektor ist ein Indikator, wie exponiert die Staatsverschuldung gegenüber veränderten Risikoeinschätzungen durch den Markt ist. An diesem Kriterium gemessen sind die Vereinigten Staaten nicht gefährdet. Die Verschuldung beträgt rund 75 Prozent. Davon sind noch rund 2.500 Milliarden oder weitere 12.5 Prozent in den Büchern der Notenbank. Die inländischen Banken halten dagegen keine großen Summen an Staatsanleihen. In der Europäischen Gemeinschaft wird die Staatsverschuldung auf diese Weise ausgedrückt, es ist die sogenannte Verschuldung gemäß ‚excessive defizit procedure’. In Europa sind ferner Banken sehr eng mit dem Staat verknüpft, weil sie große Bestände an Staatsanleihen halten.

Die Bruttoverschuldung ist der wichtigere Indikator für die langfristige Bonität. In den USA halten Bundes-Pensionsfonds wie derjenige für die Altersvorsorge (social security), für Militärangehörige oder für Bundesangestellte rund einen Drittel aller Bundesanleihen. Diese Beträge müssen selbstverständlich auch gezahlt werden. Denn ihnen stehen Pensionsverpflichtungen dieser Institutionen gegenüber, für die der Staat geradestehen muss. In einer Gesellschaft mit junger, stark wachsender Bevölkerung wäre dies keine Risikoposition. In einer alternden Gesellschaft, bei der die Ansparphase lange vorbei ist und die Auszahlungen unerbittlich näher rücken, ist das anders.

Darüber hinaus steht eine laufende Zunahme der Schuld um jährlich rund 1000 Milliarden Dollar oder rund 4-5 Prozent des BIP. Nur ungefähr 500-600 Milliarden davon werden als laufender Budget-Fehlbetrag ausgewiesen – ein reiner Buchhaltungs-Gimmick analog zur Praxis in der Eurozone. Schließlich ist zu erwähnen, dass der Bund wie vor allem Bundesstaaten und Gemeinden hohe nicht-gedeckte Verpflichtungen haben. Ein Beispiel sind die Unterdeckungen der öffentlichen Pensionskassen. Diese Aktiven minus Passiven der öffentlichen Pensionskassen betragen je nach Schätzung rund 4.500-5000 Milliarden, d.h. rund weitere 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In einer privaten Unternehmung, welche nach US GAAP oder IFRS bilanziert, müsste diese Unterdeckung (Nettoverbindlichkeit) zwingend zu den Passiven hinzugezählt werden. Bei öffentlichen Kassen würde das ebenfalls Sinn machen. Die Leistungsversprechen als Bruttoverbindlichkeiten zu addieren, wie dies teilweise Ökonomen machen, erscheint hingegen unangemessen.

Zweitens ist die Steuerbasis völlig verschieden. Die Kürzung der Steuersätze für Haushalte unter Reagan erfolgte nach 30 Jahren hoher Reallohn-Zuwächse für die breite Bevölkerung. Die Inflation der 1970er und frühen 1980er Jahre hatte die kalte Progression hervorgebracht, den Anstieg der Steuersätze durch das Aufrücken in höhere Steuerklassen. Damals war die Steuerbasis also sehr breit. Dadurch waren die Steuersenkungen unter Reagan nachfragewirksam. Sie belebten die Konsumnachfrage spürbar und nachhaltig. Heute ist die Steuerbasis drastisch geschmälert. Über 40 Prozent der Haushalte zahlen praktisch keine Bundessteuern – sie können gar nicht. Die Mittelklasse, das dritte und vierte Quintil in der folgenden Grafik, zahlt ebenfalls wenig Steuern. Die Steuerlast konzentriert sich auf das fünfte Quintil der höchsten Einkommensbezüger. Dieses repräsentiert die einkommensstärksten 20 Prozent der Haushalte. Doch dort ist wiederum eine Konzentration auf ein Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen gegeben. Steuersenkungen, selbst wenn sie anders beabsichtigt sind, würden in der Praxis nur den sehr gut Verdienenden zugutekommen. Eine substantielle Konjunkturwirkung kommt so nicht zustande, verschlechtert aber die Staatsfinanzen weiter.

Bei den Unternehmen ist die Differenz noch frappierender, aber dort besteht viel eher Handlungsspielraum. Über 70 Prozent der Unternehmen zahlen überhaupt keine Bundessteuern. Das sind vor allem die Class S Gesellschaften. Sie haben üblicherweise eine limitierte Anzahl von Aktionären – bis zu 100 Aktionäre – und entsprechen praktisch Partnerschaften. Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden, müssen diese Class S Gesellschaften gemäß Recht keine Bundessteuern entrichten. Dort muss der Aktionär nur auf ausbezahlte Einkommen (Salär, Dividenden, Zinsen) als Privathaushalt Einkommenssteuern entrichten, nicht aber die Gesellschaft. Nur mehr 30 Prozent der Gesellschaften sind heute Class C Gesellschaften, welche man landläufig als Unternehmen bezeichnet. 1980 waren das noch 80 Prozent aller Unternehmen. Auch von diesen C-Gesellschaften zahlen viele keine Steuern. Der effektive Steuersatz bei denjenigen Unternehmen, die effektiv Bundessteuern zahlen, liegt nicht beim statutarischen Satz von 39 Prozent, sondern bei rund 20 Prozent.

Die Abschreibe-Regeln und viele spezielle Schlupflöcher geben hier besonders viel Spielraum. Viele der bestverdienenden Unternehmen des Landes können durch Produktions-Auslagerung und das Ausnutzen von Schlupflöchern und Fiskalparadiesen der Besteuerung in den USA teilweise oder vollständig entrinnen. Die Auslagerung und Steuervermeidung-Praktiken sowie die massive Verschiebung zu Class S Gesellschaften sind die wesentlichen Gründe, warum der Anteil der Unternehmen an den Bundessteuern über die letzten 40 Jahre hinweg deutlich zurückgegangen ist. Sie machen heute nur noch rund 1.5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – gegenüber rund dem Doppelten, als Reagan Präsident wurde und dem Drei- bis Vierfachen in der guten alten Zeit, den 1950er und 1960er Jahren. Dies obschon die Gewinne als Prozent des BIP in den letzten 15 Jahren auf die höchsten Niveaus der Nachkriegszeit angestiegen sind. Durch eine generelle Senkung der statutarischen Steuersätze für Unternehmen, wie sie Trump im Wahlkampf vorgeschlagen hat, wird konjunkturell nicht mehr viel passieren.

Hingegen kann eine geschickte Veränderung der relativen Steuertarife zwischen In- und Auslandeinkommen die Rückverlagerung der Produktion in die USA ganz erheblich begünstigen. Dazu müssten aber insbesondere die effektiven Steuersätze auf Einkommen ausländischer Aktivitäten angehoben werden. Hier hat die Administration, anders als bei Einkommenssteuern für die Haushalte, noch erheblichen Spielraum. Die Entwicklung scheint aber mehr in Richtung einer Border Adjustment Tax (BAT) zu gehen. Dort werden Exportumsätze steuerlich befreit und Importe sind als Vorleistungen nicht abzugsfähig. Kombiniert werden soll dies noch mit spezifischen Importsteuern gegen einzelne Länder, welche unfaire Vorteile im Außenhandel gegenüber den USA haben.

Steuersenkungen wären somit in einem eng begrenzten Zusammenhang und Ausmaß eine Starthilfe für die schleppende Konjunktur. Nur wenn sie einen Investitionsboom in den USA auslösen, weil sie effektiv Produktionsverlagerungen aus dem Ausland hervorrufen würden, wären sie wirklich wirksam. Stark reduzierte Steuersätze würden aber die Budgetdefizite und vor allem den Zuwachs der Staatsverschuldung massiv beschleunigen. Alles andere ist Augenwischerei und Propaganda von Interessengruppen bzw. pure Unkenntnis.

Obschon also in einem garstigen Umfeld für Finanzierbarkeit und Konjunkturstimuli als Ausgangslage, will Trump gegenüber Reagan sogar noch drauflegen: Trump will ein Infrastruktur-Programm von 1000 Milliarden aufgleisen. Teile davon könnten zunächst über Privatinvestoren aufgebracht werden. Viele Infrastrukturen aber erfordern direkte staatliche Ausgaben – die Einnahmen aus privatisierten Infrastrukturen werden dem Staat später fehlen. Reagan hatte die Infrastruktur-Ausgaben kürzen können, vor allem auch weil die Interstate Highways, welche vom Bund finanziert werden, bis in die 1970er Jahre voll ausgebaut worden sind.

Ein Infrastruktur-Programm würde fraglos die Konjunktur anschieben. Es wäre das wichtigste Instrument, um einen langfristigen Wachstumsschub auszulösen. Das Grundproblem ist, dass der überwiegende Teil der Infrastruktur gar nicht in Bundeshand ist, sondern von Staaten und Gemeinden betrieben wird. Das macht es schwierig und komplex, einen Impuls auszulösen. Wichtig ist eben, dass Gemeinden und Bundesstaaten sehr hohe Verpflichtungen wie die Unterdeckung von Pensionskassen haben, die bekannt, aber nicht bilanziert sind. Von daher sind sie gegenüber Ausgabenprogrammen sehr zurückhaltend. Privat finanzierte Investitionen könnten nur zu einem Teil an ihre Stelle treten, wären zudem langfristig noch kostspieliger.


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