Politik

Bundeswehr angeblich in Luftschlag in Syrien verwickelt

Bei einem Luftschlag in Syrien sollen Zivilisten getötet worden sein. Deutsche Tornado-Jets sollen das Ziel vor dem Angriff ausgespäht haben. Die Angaben sind allerdings dünn und mit größter Vorsicht zu genießen. Deutschland gerät dennoch in eine schwierige Lage.
30.03.2017 02:07
Lesezeit: 3 min

+++WERBUNG+++

[vzaar id="2845103" width="600" height="338"]

Bei einem Luftangriff in Syrien sollen zahlreiche Zivilisten gestorben sein. Die Bundeswehr soll laut dpa-Informationen kurz vorher Aufklärungsfotos des Schulgebäudes an die Anti-IS-Koalition geliefert haben. Wie Süddeutsche und ARD berichten, wurde der Verteidigungsausschuss des Bundestags am Mittwoch in geheimer Sitzung darüber informiert.

Das Problem: Die Quelle, auf die sich alle Beteiligten berufen, ist die sogenannte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Diese Stelle wird von allen Medien immer wieder zitiert, obwohl sich ihre Angaben während des Syrien-Krieges als unzuverlässig und dubios erwiesen haben. Die Stelle besteht aus einem Mann in Großbritannien, von dem behauptet wird, er habe gute Verbindungen zu Oppositionsgruppen. Nachvollziehbar sind weder diese Verbindungen, noch die Aussagen der Stelle. Die Nachrichtenagentur AFP wahrt als einzige Agentur eine gewisse Distanz und schreibt immer, dass man die Behauptungen der Stelle nicht überprüfen könne.

Die Stelle behauptet nun, bei einem Luftangriff auf ein Schulgebäude im Norden Syriens sollen vergangene Woche mindestens 33 Zivilisten getötet worden sein. Die dpa schreibt nicht, wo die Schule gewesen sein soll. Statt dessen wird behauptet, "wahrscheinlich seien Jets der US-geführten internationalen Koalition für die Bombardierung des von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrollierten Ortes Al-Mansura in der Nacht zum Dienstag verantwortlich". Das soll die Stelle laut dpa so gesagt haben. Die dpa behauptet, die Meldungen der Beobachtungsstelle "gelten als zuverlässig", belegt aber nicht ansatzweise, wie sie zu diesem Urteil kommt. Auffallend an den Berichten der Stelle ist, dass sie seit einigen Wochen explizit von angeblich problematischen Angriffen der Amerikaner berichtet. Das war in den vergangenen Jahren so gut wie nie geschehen.

Auch die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete laut dpa, bei einem US-Luftangriff in Al-Mansura nahe der IS-Hochburg Al-Rakka seien Dutzende Zivilisten getötet oder verletzt worden. Es ist interessant, dass sich die dpa plötzlich auf die Sana beruft: Bisher war alles, was unter dem Befehl des syrischen Präsidenten Assad steht, von der dpa bestenfalls mit spitzen Fingern angefasst worden. Natürlich betreibt auch die Sana lupenreine Kriegspropaganda. Kaum eine Meldung von der Sana kann unabhängig verifiziert werden.

Das US-Militär hatte erklärt, es gebe keine Hinweise, dass ein Luftangriff in der Region Zivilisten getroffen habe. Es sei ein Gebäude bombardiert worden, in dem sich hochrangige Mitglieder des Terrornetzwerkes Al-Kaida getroffen hätten. Die in der Nähe liegende Moschee sei bewusst nicht ins Visier genommen worden. Die US-Streitkräfte hatten weitere Untersuchungen angekündigt.

Die US-Luftwaffe bekämpft in Syrien seit 2014 den IS und Al-Kaida-nahe Extremisten. Die Bundeswehr fliegt keine Angriffe, sondern liefert nur Bilder. Die im türkischen Incirlik stationierten deutschen Tornado-Jets machen hochauflösende Fotos von IS-Stellungen zur Identifizierung von Angriffszielen.

Das Verteidigungsministerium wollte den Angriff aus Geheimhaltungsgründen nicht bestätigen. "Zu konkreten Daten und Zielen äußern wir uns nicht", sagte ein Sprecher. Es gehöre aber zur Routine der Tornados, Bilder möglicher Ziele zu machen. Zwischen den Aufnahmen und den Angriffen vergehe Zeit, für die Angriffsplanung gebe es noch weitere Quellen. "Wir liefen die Bilder mit einem Vorlauf ab", sagte der Sprecher der dpa. Auf den Bildern sei nicht feststellbar, welche Personen sich aktuell dort aufhielten. Oberstes Ziel der Truppe sei der Schutz der Zivilisten.

Die Bilder wurden nach dpa-Informationen am 19. März aufgenommen. Einen Tag später folgte der Angriff.

Die Bundeswehr gerät durch die Meldung in eine schwierige Lage: Es ist vermutlich nicht möglich, eine Aufklärung zu leisten, da es sich um einen Krieg handelt, bei dem die US-Armee das Kommando führt. Selbst wenn die Vorwürfe unzutreffend sein sollten, wäre es für die Bundeswehr kaum möglich, die Fakten publik zu machen. Die Bundesregierung hat der deutschen Öffentlichkeit bisher keine detaillierten Erklärungen über den Einsatz der Bundeswehr abgegeben.

Die Türkei hat unterdessen ihre Militäroffensive im Norden Syriens für beendet erklärt. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Mittwoch in einem Interview mit dem Sender NTV, die Operation "Schutzschild Euphrat" sei erfolgreich abgeschlossen worden. Türkische Streitkräfte sind im August in das Nachbarland vorgerückt, um dort mit verbündeten syrischen Rebellen gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) vorzugehen. Zudem sollte der Einsatz verhindern, dass die Kurden in der Region weitere Gebiete erobern. Kämpfe zwischen den von den Türken unterstützten Rebellen und der kurdischen YPG-Miliz haben zu Spannungen zwischen den Nato-Partnern USA und Türkei geführt.

Die türkische Regierung geht auch im eigenen Land gegen kurdische Separatisten vor, die sie für zahlreiche Anschläge verantwortlich macht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...