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US-Präsident Trump ist unter Druck und kündigt eine härtere Gangart gegen Syriens Präsident Assad an. Außenminister Tillerson schickt eine Warnung an Russland. Die USA wollen offenbar noch einen Versuch starten, Russland in Syrien in die Defensive zu drängen.
Die Anzeichen verdichten sich, dass es in Syrien zu einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland kommen könnte. Äußerer Anlass könnten Berichte über einen Giftgasangriff in Syrien sein. Zwar hat bisher weder eine Untersuchung der Ereignisse durch die Organisation zur Vernichtung von Chemiewaffen (OPCW) noch die UN stattgefunden. Doch US-Präsident Trump, dessen Sprecher noch am Dienstag gesagt habe, es sei zu spät, um Syriens Präsident Assad zu stürzen, vollzog in einer Pressekonferenz mit dem König von Jordanien im Weißen Haus eine spektakuläre Wende. Ohne auch nur ansatzweise auf Belege einzugehen, sagte Trump, dass Assad an den Giftgasangriff schuld sei: Trump bezeichnete die Attacke als „Affront gegen die Menschlichkeit“, der nicht hingenommen werden dürfe. Mit dem Angriff seien „eine Menge Linien überschritten“ worden, sagte Trump. Auf die Frage, ob er einen Kurswechsel in seiner Syrien-Politik erwäge, entgegnete er: „Das werden wir sehen.“ Seine Einschätzung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad habe sich aber „sehr geändert“ (Video drei).
Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, drohte im Sicherheitsrat einseitige Aktionen ihres Landes an: „Wenn die Vereinten Nationen fortlaufend ihre Pflicht zum kollektiven Handeln verletzen, dann sind wir gezwungen, unsere eigenen Maßnahmen zu ergreifen.“ Sie ließ offen, wie solche Maßnahmen aussehen könnten.
Der UN-Sicherheitsrat hat die geplante Abstimmung über eine Resolution zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien verschoben. Wie Diplomaten am Mittwochabend in New York mitteilten, könnte das Votum nun am Donnerstag stattfinden. Der von den USA, Großbritannien und Frankreich eingebrachte Resolutionsentwurf verurteilt den Angriff und fordert eine baldige Untersuchung. Russland, ein enger Verbündeter Syriens, hat sein Veto dagegen angekündigt. Der syrische Außenminister verurteilte laut SANA jegliche Verwendung von chemischen Kampfstoffen. Doch die US-Regierung hat einen harten Kurs eingeschlagen.
„Unserer Ansicht nach gibt es keinen Zweifel daran, dass das syrische Regime unter der Führung von Baschar al-Assad für diesen schrecklichen Angriff verantwortlich ist“, sagte US-Außenminister Rex Tillerson am Mittwochabend vor Journalisten in Washington. Es sei an der Zeit, dass Russland seine Unterstützung für den syrischen Präsidenten überdenke. Tillerson reist kommende Woche zu Gesprächen nach Moskau.
Russland legte am Mittwoch eine andere Version der Ereignisse vor: Die Todesfälle in Chan Scheichun seien die Folge eines syrischen Luftangriffs auf ein Chemiewaffen-Lager der Aufständischen, erklärte das russische Militär am Mittwoch. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums erklärte in Moskau, die syrischen Kampfjets hätten ein „großes Munitionslager der Terroristen und Militärgerät“ bombardiert. „Auf dem Gelände des Depots waren Werkstätten, in denen chemische Munition hergestellt wurde.“ Der Sprecher sagte, das Giftgas sei dasselbe gewesen, dass Söldner bereits in Aleppo eingesetzt hätten (erstes Video). Der stellvertretende russische UN-Botschafter Vladimir Safronkov sagte vor dem UN-Sicherheitsrat laut TASS, dass der Westen die Bitte Syriens, den Chemiewaffenangriff in Aleppo untersuchen zu lassen, abgelehnt habe.
Reuters zitiert einen „Rebellenkommandeur“ namens „Hadsch Ali“ von der „Freien Armee von Idlib“, der die russische Darstellung zurückwies: „Alle haben gesehen, wie das Flugzeug Gas einsetzte.“ Weder gebe es in der Umgebung Militärstellungen noch Orte für den Bau von Chemiewaffen. „Die verschiedenen Oppositionsgruppen sind nicht in der Lage, solche Substanzen herzustellen.“ Tatsächlich hat die OPCW in ihrem jüngsten Bericht festgestellt, dass Giftgas sowohl von der syrischen Regierung als auch den Söldnern verwendet worden sein soll.
Robert Parry von Consortiumsnews analysiert, es erschließe sich aus der militärtaktischen Lage nicht, warum Syriens Präsident Baschar al-Assad ausgerechnet jetzt Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung einsetzen sollte. Die syrische Armee ist fast überall auf dem Vormarsch und hat die islamistischen und internationalen Söldner in allen Frontabschnitten zurückgedrängt. Amerikaner und Russen haben vergleichsweise vernünftig gegen den IS gekämpft. Die Russen haben die Lufthoheit. Die Europäische Union und eine Reihe weiterer Staaten haben für dieses Jahr 5,6 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe für Syrien zugesagt. Allerdings haben weder die EU noch die USA die Sanktionen gegen Syrien gelockert, die nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und Kirchen vor allem die Zivilbevölkerung treffen.
In einem Interview mit dem arabischen Teil des staatlichen Senders Deutsche Welle sagte der Gründer von Wikileaks, dass es das oberste Ziel der CIA sei, Assad zu stürzen (zweites Video). Die CIA hätte einen erheblichen Teil ihres Budgets in den „regime change“ in Syrien investiert. In diesem Zusammenhang ist die Entfernung von Trumps Chefstrategen aus dem Nationalen Sicherheitsrat des Präsidenten am Mittwoch interessant: Steven Bannon ist eher ein Gegner von militärischen Interventionen und vor allem gegen die große Macht, die die Geheimdienste in der US-Politik angesammelt haben. Die CIA und der britische Auslandsgeheimdienst MI6 arbeiten in Syrien eng zusammen.
Der private US-Informationsdienst Stratfor verweist darauf, dass die Anschuldigungen gegen Syrien vor allem Russland unter Zugzwang setzen:
„Russland hat nicht gezögert, in Syrien eine wahllose Bomben-Taktik anzuwenden, ist aber vor der Verwendung von chemischen Mitteln zurückgeschreckt, da dies das russische Ziel, von den USA und anderen in der Kampagne gegen gewalttätige extremistische Organisationen in Syrien als tragfähiger Partner akzeptiert zu werden, gefährden würde. Darüber hinaus würde es wenig Vorteil auf dem eigentlichen Schlachtfeld bringen.
Dass die syrische Regierung immer noch chemische Waffen benutzt, trotz der russischen Opposition gegen ihre Verwendung, zeigt die wirklichen Grenzen des Einflusses Russlands in Syrien. Es könnte auch darauf hinweisen, dass mächtige Militärkommandanten ohne direkte Genehmigung der syrischen Regierung handeln. Vergangene chemische Angriffe in Syrien nach von der von Russland und den USA vermittelten Vernichtung von chemischen Waffen haben nicht viel internationales Interesse ausgelöst. Der Test ist jetzt, ob das auch für die jüngsten Vorfälle gilt. Die Vereinigten Staaten sind wegen Syriens Gebrauch von chemischen Waffen im Jahr 2013 fast in den Krieg eingetreten. Heute haben die USA jedoch weit weniger militärische Optionen in Syrien jetzt als in den vergangenen Jahren – wegen der russischen Beteiligung an dem Krieg, und weil Washington deutlich gemacht hat, dass es nicht beabsichtigt, einen Wechsel in der politischen Führung zu erzwingen.“
Das könnte sich jetzt geändert haben: Der Druck auf US-Präsident Trump ist enorm. Die Lage in Nahost ist unübersichtlich. Erst vor wenigen Tagen war der US-Armee vorgeworfen worden, am Tod von Zivilisten schuld zu sein. Zuordnen kann man keine dieser Angaben – im Grunde kann jeder alles behaupten. Trump selbst war attackiert worden, weil bei einem Einsatz im Jemen ein US-Soldat getötet worden war.
Auch der politische Druck ist erheblich: Die Senatoren Graham und McCain fordern Krieg gegen Russland. Trump hat in den vergangenen Wochen Treffen mit den Führern von Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und Israel abgehalten. Bei all diesen Treffen ist es um eine militärische Allianz für einen Krieg gegen den Iran gegangen. Trump hat innenpolitisch nach dem Scheitern der Gesundheitsreform und der sich abzeichnenden Verspätung bei der Steuerreform nichts vorzuweisen. Eine militärische Mission könnte ihm helfen, seine Gegner ruhigzustellen. Einen Krieg gegen Russland und/oder den Iran begrüßen faktisch alle wichtigen Player in Washington. Ein Feldzug gegen Russland würde auch die Unterstützung durch die Medien finden, die Trump bisher komplett abgelehnt haben.
Der Iran ist neben Russland der einzige Staat, der in Syrien auf der Seite der Regierung kämpft. Außenminister Tillerson war in der Türkei und bei der NATO. Er hat die Allianz auf den Krieg gegen den Terror eingeschworen, obwohl dies nicht die Aufgabe der NATO ist. Der türkische Präsident Erdogan, der in der Türkei nach wie vor eigene Interessen vertritt, hat sich laut Sabah der Auffassung der Amerikaner angeschlossen und hält Assad für den Schuldigen.
Völlig unklar ist, ob die US-Armee bereit ist, einen Krieg in Syrien zu führen: Als US-Präsident Barack Obama dies vor einigen Jahren versuchte, hatte ihm die Generalität den Gehorsam verweigert. Auch hatten die Republikaner im Kongress gegen eine militärische Intervention gestimmt.
Es ist denkbar, dass jene Kräfte, die jetzt die verschiedenen Söldner in Syrien unterstützen, noch einen letzte Versuch starten könnten, den Präsidenten zu einer Intervention in Syrien zu drängen. Diese aber würde wegen der militärischen Realität in Syrien zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland führen. Auf Seiten der USA würde die schon jetzt tätige Koalition einsatzbereit sein. Russland könnte sich auf den Iran stützen. Unklar ist, welche Position China bezieht. Die Chinesen haben bisher die Russen unterstützt, allerdings ohne militärische Beteiligung. Am Donnerstag trifft US-Präsident Trump den chinesischen Präsidenten Xi zu einem mehrtägigen Besuch in Florida. Neben Nordkorea wird Syrien sicher auch auf der Tagesordnung der Gespräche stehen. Trump hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass die Gespräche sehr schwierig werden dürften.