Emmanuel Macron wird Frankreichs neuer Präsident. Macron siegte in der Stichwahl mit großem Abstand vor der Kandidatin des Front National, Marine Le Pen. In der Europäischen Union reagierten Politiker mit Erleichterung auf das Ergebnis, in der Brüssel ein Votum für die EU sieht. Allerdings wurden schon am Sonntagabend die Widerstände offenbar, denen sich Macron gegenübersieht. So warnten die Gewerkschaften vor zu großem Reformtempo, die CGT rief schon für Montag zu einer Protestkundgebung gegen Macrons "liberale Wirtschaftspolitik" auf. "Ich bin mir der Wut, des Zweifels und der Angst bewusst, die die Franzosen zum Ausdruck gebracht haben", sagte Macron in seiner ersten Ansprache nach der Wahl in Paris. Die nächste Herausforderung wartet auf Macron und seine Bewegung En Marche bereits im Juni, wenn die Franzosen ein neues Parlament wählen.
Nach Auszählungen vom späten Abend kam Macron auf knapp 62 Prozent der Stimmen, Le Pen auf 38 Prozent. Macron sagte, Frankreich werde an der Spitze derer stehen, die gegen den Terrorismus kämpfen. Er unterschätze nicht die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor denen das Land stehe. Er werde seine ganze Kraft darauf verwenden, sich des Vertrauens der Franzosen würdig zu erweisen. "Lasst uns Frankreich lieben!"
Aus der EU, aus Deutschland und den USA kamen Glückwünsche zum Wahlsieg. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Macron in einem Telefonat und würdigte dessen Eintreten für ein weltoffenes Europa. Macron kündigte in dem Gespräch nach Angaben aus seinem Umfeld einen baldigen Besuch in Berlin an.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb per Twitter, die Franzosen hätten sich für eine europäische Zukunft entschieden und für ein "stärkeres und gerechteres Europa". US-Präsident Donald Trump erklärte, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Macron. Der Euro sprang im frühen Handel an den asiatischen Märkten auf 1,1011 Dollar - den höchsten Wert seit der Wahl Trumps vor sechs Monaten.
Der 39-jährige Macron wird das jüngste Staatsoberhaupt seit Napoleon. Er muss ein gespaltenes Land einen und vor allem die enttäuschten Nicht-Wähler überzeugen. Dafür bleibt ihm wenig Zeit, denn bereits am 11. und 18. Juni steht die Parlamentswahl an. Macron wird versuchen, eine eigene Mehrheit zu erringen. Obwohl seine Bewegung En Marche erst vor einem Jahr gegründet wurde und ihr der Unterbau einer etablierten Partei fehlt, sind einige Meinungsforscher überzeugt, dass dies gelingen könnte. Einer am Abend veröffentlichten Umfrage zufolge kann das Macron-Lager dabei mit bis zu 24 Prozent rechnen.
Le Pen gratulierte Macron zum Wahlsieg und drohte ihm eine harte Opposition des Front National an. Der Sieg ihrer Partei sei historisch. Die Partei müsse sich nun aber erneuern, damit sie eine neue politische Kraft werden könne.
Jean-Luc Melenchon, der in der ersten Runde im April den vierten Platz erreicht hatte, sagte, Macrons Sieg sei ein Votum gegen Le Pen gewesen - eine Zustimmung zu seiner Politik sei das nicht. "Das Programm des neuen Präsidenten mit seinem royalen Gehabe ist bereits bekannt. Es ist ein Krieg gegen das soziale System Frankreichs und ökologisch unverantwortlich." Eine neue parlamentarische Mehrheit sei möglich.
Die Gewerkschaften monierten, das Ergebnis für Le Pen sei zu hoch. Die CFDT, die größte Gewerkschaft, warnte, Macron dürfe sich den Sorgen der Menschen nicht verschließen. Die radikale FO nannte die von Macron geplanten Arbeitsmarktreformen einen ersten Test für den neuen Präsidenten.
Macron, ein früherer Wirtschaftsminister, war mit dem Ziel angetreten, die Unternehmenssteuer von 33 auf 25 Prozent zu senken. An der 35-Stunden-Woche will er festhalten, die Unternehmen sollen sie aber flexibler mit ihren Beschäftigten aushandeln können. Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden, unter anderem in erneuerbare Energien und Infrastruktur. Zugleich sollen 60 Milliarden Euro Staatsausgaben eingespart werden.
Voraussetzung für einen Erfolg Macrons und En Marche im Juni ist auch eine hohe Wahlbeteiligung. Diesmal aber blieb Umfragen zufolge jeder vierte Wahlberechtigte der Abstimmung fern, vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung bei knapp 80 Prozent. Im April betrug sie noch 78 Prozent. Vor allem viele Linke waren nach der ersten Runde enttäuscht vom Abschneiden ihrer Kandidaten und gingen nicht wählen. Erstmals bestritten eine Stichwahl zwei Kandidaten, die weder den Konservativen noch den Sozialisten angehören. Amtsinhaber Francois Hollande nannte Macrons Sieg ein Zeichen der Einheit. Die große Mehrheit der Bürger wolle sich um die Werte der Republik versammeln und ihre Zugehörigkeit zur EU zeigen.
Doch vor der Stichwahl sagten fast 60 Prozent der Bürger, die für Macron votieren wollten, sie würden dies nicht aus Zustimmung für das Programm des früheren Investmentbankers tun, sondern weil sie Le Pen verhindern wollten.