Finanzen

Ökonomen erwarten Ende der lockeren Geldpolitik im September

Eine große Mehrheit der von Reuters befragten Ökonomen geht davon aus, dass die EZB und die Fed ihre Geldpolitik im September normalisieren werden.
30.07.2017 00:02
Lesezeit: 2 min

Eine Mehrheit der Ökonomen erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im September die ersten Schritte in Richtung eines Ausstiegs aus der ultralockeren Geldpolitik einleiten wird. Laut einer Reuters-Umfrage rechnen 72 Prozent der Experten damit, dass die Notenbank dann das Abschmelzen ihrer billionenschweren Käufe von Staatsanleihen der Euro-Länder gegen Null oder eine Verringerung des monatlichen Kaufvolumens beschließen wird.

Die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken erwerben seit März 2015 im großen Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Pro Monat liegt der Kaufumfang derzeit bei 60 Milliarden Euro. Das Programm soll nach den bisherigen Planungen noch bis mindestens Ende Dezember laufen.

Ziel des Programmes ist es, die Finanzierungskosten für die teilweise hoch verschuldeten Staaten der Eurozone zu senken, indem die Zinsen der Staatsanleihen gedrückt werden. Indem die EZB als Käufer mit unbegrenzter Finanzkraft auf dem Markt auftritt, können Geschäftsbanken damit rechnen, dass sie europäische Staatsanleihen im Fall einer Krise schnell an die EZB verkaufen können. Dies wiederum bewirkt, dass sie keine hohen Zinsen von den Staaten fordern können, welche das Risiko eines Zahlungsausfalles repräsentieren.

Nur rund 18 Prozent der befragten Volkswirte erwarten, dass die Währungshüter mit einer Entscheidung zur weiteren Zukunft der Anleihekäufe noch bis Oktober warten. Für die Zinssitzung in der kommenden Woche sind die Erwartungen der Ökonomen weniger hoch: 26 von 46 befragten Volkswirten rechnen nicht damit, dass die EZB am Donnerstag an ihrem derzeitigen geldpolitischen Ausblick rütteln wird.

EZB-Chef Mario Draghi und die anderen Ratsmitglieder hatten im Juni einen ersten Mini-Schritt in Richtung Kurswende gewagt. Sie strichen die bislang stets bekräftigte Option aus ihrem Ausblick, wenn erforderlich die Schlüsselzinsen noch tiefer zu senken. Rund 28 Prozent der befragten Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB nächste Woche den weiteren Hinweis streicht, nötigenfalls das Volumen der Anleihekäufe erneut aufzustocken. Nur 13 Prozent gehen davon aus, dass die Euro-Wächter die Option komplett aufgeben, wenn erforderlich die Anleihenkäufe im Volumen auszuweiten und/oder zeitlich zu verlängern.

Die Märkte sind bezüglich eines Rückzugs der EZB aus dem Anleihemarkt sehr skeptisch. Bereits die Ankündigung Draghis Ende Juni hatte zu massiven Kurssenkungen und Zinsanstiegen bei Anleihen geführt.

Auch in den USA könnte der September entscheidend sein. Die US-Notenbank (Fed) wird laut einer Reuters-Umfrage unter Ökonomen noch im Sommer Details zum Abbau ihrer aufgeblähten Bilanz bekanntgeben. Knapp zwei Drittel der befragten 100 Experten sagten in der Studie, dass sie für September mit einer Ankündigung rechnen. Fed-Chefin Janet Yellen hatte jüngst im US-Kongress in Aussicht gestellt, noch „dieses Jahr“ mit dem Abbau zu beginnen. Die Fed hat ihr Portfolio in den Jahren nach der Weltfinanzkrise mit dem massenhaften Ankauf von Wertpapieren auf 4,5 Billionen Dollar ausgeweitet, um die Wirtschaft zu stützen.

Yellen will die Bilanzsumme nun abschmelzen. Zugleich hat sie eine Fortsetzung ihres Kurses gradueller Zinserhöhungen angekündigt. Die Fed erwartet, dass die Wirtschaftslage weitere behutsame Anhebungen erlauben wird. Die von Reuters befragten Experten rechnen im Mittel damit, dass der Leitzins gegen Jahresende um einen Viertel Prozentpunkt auf dann 1,25 bis 1,5 Prozent steigen wird. An den Finanzmärkten wird die Wahrscheinlichkeit einer Erhöhung im Dezember derzeit allerdings nur auf 43 Prozent geschätzt. Zuletzt hatten die von US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf geschürten Hoffnungen auf einen kräftigen Konjunkturschub einen Dämpfer erhalten: So dürfte etwa die Steuerentlastung für amerikanische Firmen geringer ausfallen als angekündigt. Überhaupt zeigen sich in der Volkswirtschaft der USA seit Monaten Zeichen eines Abschwungs.

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