Ungeachtet milliardenschwerer Überschüsse im vergangenen Jahr steht die finanzielle Erholung vieler Kommunen in Deutschland einer Studie zufolge auf wackligen Beinen. Viele deutsche Städte, Gemeinden und Kreise hätten 2016 zwar insgesamt ein Plus von 4,5 Milliarden Euro erreicht, hieß es in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, zugleich öffne sich aber zwischen den finanzstarken Regionen in Baden-Württemberg und Bayern sowie den klammen Kommunen in Ost- und Teilen Westdeutschlands die Schere, berichtet Reuters. „Den schwachen Kommunen gelingt kein Abbau ihrer Altschulden“, heißt es in der Studie.
Die insgesamt positive Entwicklung in den kommunalen Kassen wird den Experten zufolge vor allem durch die hohen Überschüsse in Bayern und Baden-Württemberg getragen. In beiden Ländern waren die Kommunen über fünf Jahre durchgängig im Plus – während beispielsweise den Kommunen in Schleswig-Holstein und im Saarland in keinem dieser Jahre der Haushaltsausgleich gelang.
Weil sie an die gesetzliche Vorgabe ausgeglichener Haushalte gebunden sind, greifen Kommunen mit prekären Finanzen der Studie zufolge immer stärker zu den Kassenkrediten, die mit Dispokrediten von Privatpersonen vergleichbar sind. Eigentlich dienen sie nur zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe. In vielen Kommunen sind sie jedoch zum Dauerzustand geworden.
Zwischen 2000 und 2016 wuchs ihr Volumen den Angaben zufolge von sieben auf fast 50 Milliarden Euro. Vor allem Kommunen im Saarland nutzen dieses Instrument und schieben mehr als zwei Milliarden Euro vor sich her. „Das Saarland fällt bei Wirtschaftswachstum und damit Steuerkraft langfristig immer weiter zurück“, sagte Rene Geißler, Finanzexperte der Bertelsmann-Stiftung. Zugleich stiegen dort die Sozialausgaben. Das Problem der Kassenkredite ist aber auch in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verbreitet. „Allein die Stadt Essen führt mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen.“
Risiken für solch verschuldete Haushalte sehen die Experten neben einer Eintrübung der Konjunktur und einem damit verbundenen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen in einer Anhebung der Leitzinsen. Eine solche Erhöhung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank könnte alle Sanierungserfolge zunichtemachen und viele Gemeinden in Finanznot bringen..
Wichtigste Einnahmequellen für deutsche Städte sind die Grundsteuern und vor allem die Gewerbesteuer. Bei den kreisfreien Städten lag Frankfurt am Main bei letzteren deutschlandweit mit 2438 Euro pro Einwohner auf Platz eins und erzielte damit rund 13-mal höhere Einnahmen als das Schlusslicht Delmenhorst in Niedersachsen mit 187 Euro pro Kopf.
„Die Unterschiede in der Infrastruktur und Standortqualität wachsen“, erklärte die Kommunalexpertin der Bertelsmann-Stiftung, Kirsten Witte. „Die schwachen Kommunen fallen weiter zurück, die Schere zwischen den armen und reichen Kommunen öffnet sich.“
Im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 stiegen die Gemeindesteuern laut dem Report zwar um 56 Prozent. Davon profitierten alle Kommunen – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß mit der Folge, dass die Differenzen bei der Steuerkraft noch größer wurden.
Denn während Ostdeutschland bis auf wenige Ausnahmen flächendeckend steuerschwach ist, liegen die Steuereinnahmen in Süddeutschland teils zunehmend deutlich über dem Bundesdurchschnitt. So erzielt der steuerstärkste Landkreis München pro Einwohner siebenmal mehr Steuereinnahmen als der Kreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt.
Der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung untersucht alle zwei Jahre die Finanzentwicklung aller 398 kreisfreien Städte und Landkreise einschließlich ihrer kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände.
Der Deutsche Städtetag hat angesichts der Warnungen vor einem wachsenden Gefälle zwischen armen und reichen Gemeinden eine „Lösung für die Altschulden der Kommunen“ gefordert. Die entsprechenden Zahlen seien Beleg dafür, „dass finanzschwache Kommunen ihre Kassenlage aus eigener Kraft kaum verbessern können“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, am Mittwoch in Berlin.
Bund und Länder müssten daher „eine Lösung für die Altschulden der Kommunen entwickeln, um gerade diesen Städten und Gemeinden eine positive Entwicklungsperspektive zu ermöglichen“. „Die Lebenswirklichkeit der Menschen in den Städten darf sich nicht weiter auseinander entwickeln“, mahnte Dedy. „Dieser Trend muss gestoppt und umgekehrt werden.“