Politik

Tschechien: Milliardär Babis könnte wegen Korruption Wahlsieg verpassen

Das tschechische Parlament will die Immunität des in Umfragen führenden Milliardärs Babis aufheben. Es geht um Korruption.
19.08.2017 00:35
Lesezeit: 2 min

Das tschechische Parlament will die Immunität des Milliardärs und Chefs der EU-skeptischen Partei „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO), Andrej Babis, aufheben, um den Weg für einen Prozess freizumachen, berichtet Bloomberg. Babis war bis Ende Mai tschechischer Finanzminister. Diese Entscheidung des parlamentarischen Immunitätsausschusses kommt kurz vor den Parlamentswahlen, die im Oktober stattfinden werden. Zuvor hatten sich die Polizeibehörden an das Parlament gewandt, um den Milliardär schwer zu belasten. „Es sieht so aus, als ob das Parlament den Weg für Untersuchungen freimachen wird. Natürlich kann Babis das ausnutzen, um sich als Opfer seiner – wie er es umschreibt – korrupten politischen Gegner darzustellen“, sagt Jan Bures von der Metropolitan University in Prague.

Babis soll seine Verwandten und Bekannten gezielt zum Subventionsbetrug angestiftet haben. Der Vorwurf steht im Zusammenhang mit EU-Fördermitteln. Der ANO-Chef weist die Vorwürfe von sich und meint, das Ganze sei eine politische Kampagne gegen ihn. „Der Fall ist fast zehn Jahre her, er ist mehrmals unter früheren Kreishauptmännern kontrolliert worden. Die Ergebnisse unserer Buchhaltung waren in Ordnung. Ich verstehe nicht, worauf sich die Polizisten eigentlich stützen“, zitiert Radio Praha Babis.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Medea Research, die am 7. August durchgeführt wurde, würden 33.3 Prozent der Befragten bei den Parlamentswahlen im Oktober für ANO stimmen. Damit liegt ANO noch vor der sozialdemokratischen CSSD (10,9 Prozent), der Demokratischen Bürgerpartei OSD (9,5 Prozent), der christlich-demokratischen KDU-CSL (9,1 Prozent) und der Kommunistischen Partei KSCM (8,5 Prozent). Sie ist damit aktuell die stärkste Partei in Tschechien.

Der Milliardär gewann bei den tschechischen Bürgern an Popularität, als er Geld spendete, um das Haushaltsdefizit zu mindern. Zudem bezeichnete er die nationalen Politiker und EU-Vertreter als „korrupt“. Dies führte dazu, dass er von seinen Gegnern als EU-Gegner und Populist eingestuft wurde. Babis, dessen Vermögen auf 3,6 Milliarden Dollar geschätzt wird, soll umgerechnet 2,2 Millionen Dollar an EU-Subventionen zu Unrecht erhalten haben. Die EU-Subventionen flossen in das Urlaubs- und Erholungsressort „Storchennest“, das bis Anfang 2008 zum Babis-Unternehmen Agrofert gehörte. Er selbst sagte im vergangenen Jahr im Rahmen einer parlamentarischen Anhörung, dass „Storchennest“ seinen Kindern und seinem Schwager gehörte. Im aktuellen Jahr übertrug er all seine Vermögenswerte an einen Treuhandfonds, der von seiner Ehefrau betreut wird. Damit wollte er dem Vorwurf des Interessenkonflikts aus dem Weg gehen.

Der parlamentarische Immunitätsausschuss hat sowohl Babis als auch ANO-Vize Jaroslav Faltynek für eine Anhörung vorgeladen. Die Anhörung wird am 29. August stattfinden. Wenn der Ausschuss endgültig beschließen sollte, Babis Immunität aufzuheben, muss noch eine diesbezügliche Abstimmung im Parlament stattfinden. Der Milliardär meint: „Das ist ein Versuch, die Wahlen zu beeinflussen. Für mich ist das Timing vielsagend“.

Die aktuelle Regierung unter Premier Regierung Bohuslav Sobotka setzt sich aus der CSSD, der ANO und der KDU-CSL zusammen. Im Kabinett befinden sich acht Vertreter der CSSD, sechs Vertreter der ANO und drei Vertreter der KDU-CSL. Innerhalb der Drei-Parteien-Koalition hat es in den vergangenen Monaten schwere Vorwürfe seitens der Koalitionspartner von Babis gegeben. Sowohl Regierungsmitglieder als auch Oppositionsmitglieder beschuldigten Babis der Steuerhinterziehung. Die Politiker argumentieren, dass es einen Interessenkonflikt gebe, da Babis nicht nur Politiker, sondern auch Inhaber eines Chemie-, Lebensmittel- und Medienimperiums ist.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zuverlässigkeit im europäischen Luftverkehr: Welche Airline hält Wort – und welche nicht?
10.08.2025

Verspätungen, Streiks, Entschädigungen – der europäische Luftverkehr steht unter Druck. Eine aktuelle Analyse deckt auf, welche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Geopolitik, KI und Regulierung befeuern Europas Sicherheitsausgaben
10.08.2025

Geopolitische Spannungen, strengere Gesetze und KI-getriebene Cyberangriffe zwingen Europas Wirtschaft zu massiven Investitionen in...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerlast: Wie Deutschland Durchschnittsverdiener abzockt und Spitzenverdiener entlastet
09.08.2025

Deutschland hat die zweithöchste Abgabenlast weltweit – aber nur für Normal- und Geringverdiener. Ein OECD-Vergleich zeigt, dass...

DWN
Technologie
Technologie Zwei Jahre für einen neuen Funkmast: Warum Deutschland beim Netzausbau hinten liegt
09.08.2025

Trotz hoher Netzabdeckung kämpfen Unternehmen hierzulande mit Funklöchern und hohen Kosten. Eine Ericsson-Studie zeigt, wie stark...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Milliardenpläne in der Arktis: Konkurrenz für Suez- und Panamakanal
09.08.2025

China und Russland treiben gemeinsam ein Milliardenprojekt in der Arktis voran, das den Suez- und Panamakanal umgehen könnte. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen So werden Sie reich mit Autos: Warum Oldtimer besser sind als Aktien
09.08.2025

Oldtimer als Kapitalanlage? Zwei Autoprofis erklären, warum Klassiker und Supersportwagen echte Geldmaschinen sind – und welche Modelle...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle treiben Afrika in Chinas Einflusszone
09.08.2025

Afrikas Exporte geraten ins Fadenkreuz von Trumps Zollhammer – doch für China öffnet sich ein geopolitisches Zeitfenster. Wie der...

DWN
Politik
Politik Haushaltsplan: Sondervermögen Infrastruktur – wohin fließt das Geld eigentlich?
09.08.2025

Nach viel Hin und Her haben sich Union und SPD auf einen Haushaltsplan 2025 und folgend bis 2029 geeinigt. Neben hohen Investitionen in...