Politik

US-Außenpolitik: Gefangen in den Wirren eines endlosen Krieges

Am Beispiel der rat- und kraftlosen US-Außenpolitik für Afghanistan zeigt sich: Die einstige Supermacht kann Kriege zwar anzetteln, aber kaum noch gewinnen.
23.08.2017 02:46
Lesezeit: 4 min

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Die Rede von US-Präsident Donald Trump zu Afghanistan zeigte am Beispiel des leidgeprüften Landes am Hindukusch das grundsätzliche Dilemma der US-Außenpolitik: Seit 17 Jahren führen die Amerikaner einen Krieg, von dem sie selbst wissen, dass sie ihn nicht gewinnen können. Der „Fluch der bösen Tat“ jedoch, wie Peter Scholl-Latour es bezeichnen würde besteht darin, dass ein Krieg in einem fernen Land zwar schnell begonnen werden kann. Doch von einem „Sieg“ oder gar einem Frieden sind die Amerikaner – wie auch alle anderen involvierten Nationen, wie etwa Russland – weit entfernt.

Die Ankündigung Trumps, jetzt keinen Termin für einen endgültigen Abzug zu nennen, brachte ihm den Applaus der Neocons ein. Senator Lindsey Graham lobte Trump ebenso wie die Vordenker der Interventionen, für die stellvertretend Max Boot vom Council on Foreign Relations in einem Gastkommentar für die New York Times schrieb: Ihm sei egal, ob Trump nicht mehr vom „nation building“ sprechen wolle, solange er es weiter betreibe.

Doch US-Außenminister Rex Tillerson erklärte in einer Pressekonferenz am Dienstag mit nüchterner Klarheit: Die USA könnten in Afghanistan keinen Staat nach ihrem Vorbild aufbauen. Das Land müsse selbst entscheiden, wie es leben wolle. Afghanistan sei nach Stämmen geordnet – eine Struktur von außen zu oktroyieren sei unmöglich.

Es ist bemerkenswert, dass weder Trump noch Tillerson von einer konkreten Zahl der Truppenerhöhung sprach. Beide Politiker erfüllten damit ausdrücklich nicht den Wunsch von General Nicholson, dem Oberbefehlshaber für den Afghanistan-Einsatz. Die Amerikaner wollen jedoch die Sicherheit im Land herstellen, was nur gelingen könne, wenn der Terrorismus bekämpft werde. An einen Sieg im militärischen Sinn wie bei einem klassischen Krieg glaubt die US-Regierung offensichtlich nicht. Tillerson sagte, es sei denkbar, dass weder die USA noch die Taliban gewinnen – doch für die USA stehe die Verhinderung von weiteren Terror-Angriffen in den Vereinigten Staaten im Vordergrund.

Die neue US-Strategie beinhaltet auch die mit einer gewissen Entschlossenheit vorgetragene Bereitschaft, an einer diplomatischen Lösung mitzuwirken. Es gehe auch darum, die radikalislamischen Taliban zu Verhandlungen mit der afghanischen Regierung zu bewegen. „Es ist an der Zeit, einen Prozess der Versöhnung und des Friedens, der gut ein langer Prozess sein kann, zu beginnen“, sagte Tillerson.

Dieser Prozess soll mit Partnern geschehen. Tillerson sagte, die US-Regierung habe sich von der Idee verabschiedet, dass es möglich sei, dass die USA allein mit der Regierung in Kabul zu einer Lösung zu kommen. Als Partner nannte Tillerson Pakistan, Indien, China, Russland und die Golf-Staaten. Trump erinnerte an seine Rede an die Golf-Staaten, in der er die Staaten aufgefordert hatte, dem Terrorismus bedingungslos abzuschwören.

In Russland wurde die neue Strategie zurückhaltend aufgenommen. Allerdings unterließen es die Russen, den Amerikanern vorbehaltlos nur das Schlechteste zu unterstellen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS zitiert ausführlich eine Geopolitik-Analysten, der auf die Möglichkeit von Verhandlungen mit den Amerikanern hinwies und in der Trump-Rede durchaus die Bereitschaft erkannte, mit den Regionalmächten zu einer Lösung zu kommen. Tillerson sagte mehrfach, dass die US-Regierung in Afghanistan aus der Exit-Strategie in Syrien lernen würde. In Syrien kooperieren die Amerikaner mit den Russen, um in einem ersten Schritt den außer Kontrolle geratenen Söldner-Krieg zu beenden. Tillerson sagte, die Russen könnten, wenn sie das für sinnvoll hielten, eine Rolle in der Lösung für Afghanistan spielen.

Tillerson forderte die Regierung von Pakistan auf, sich aktiver als bisher an der Stabilisierung des Nachbarlandes Afghanistan zu beteiligen. Tillerson machte klar, dass die US-Regierung es nicht bei freundlichen Aufforderungen belassen wolle, sondern forderte Islamabad auf, die Unterstützung für den Terror im eigenen Interesse zu beenden.

Auch von Indien erwartet die US-Regierung ein stärkeres Engagement. Indien solle wirtschaftliche Hilfe leisten, um Afghanistan zu stabilisieren. Die starke Betonung Indiens beunruhigt allerdings die Russen: Alexei Davidow von der Russischen Akademie der Wissenschaften glaubt in der Einbeziehung Indiens einen taktischen Schachzug zu erkennen: Indien fürchte, wegen Chinas Seidenstraßen-Projekt an Bedeutung zu verlieren, und könnte daher mit der Möglichkeit eines Afghanistan-Engagements ein Gegengewicht zu China spielen.

Die gesamte Situation ist zwar sehr verfahren, doch kristallisiert sich heraus, dass die US-Regierung in einem Punkt bei ihrer Linie bleibt: Die Verbündeten müssen sich stärker um ihre eigene Sicherheit kümmern. Außerdem schimmerte in der neuen Strategie die traditionelle Haltung durch, dass die Amerikaner seit jeher dazu neigen, jemand anderen für den von ihnen verursachten Schaden aufkommen zu lassen.

Trump und Tillerson wollen jedoch die Federführung in die Hände der Militärs legen, weil sie keine andere Wahl haben. Wie in Syrien ist es faktisch unmöglich, die unübersichtliche Gefechtslage mit einer schnellen Anweisung in die eine oder andere Richtung aufzulösen.

Die NATO dürfte in diesem Zusammenhang eine tragende Rolle spielen – was dem Bündnis nicht unwillkommen sein dürfte. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigt sich erfreut über den neuen US-Vorstoß in Afghanistan. Die NATO zitiert Stoltenberg in einer Mitteilung:

„Ich begrüße den neuen, bedarfsorientierten Ansatz von Präsident Trump für Afghanistan und die Region. Die NATO bekennt sich nach wie vor uneingeschränkt zum Afghanistan-Einsatz und ich freue mich darauf, weitere Schritte mit US-Verteidigungsminister Mattis und unseren Alliierten und internationalen Partner zu diskutieren.

Die NATO-Alliierten und Partner haben sich bereits verpflichtet, unsere Präsenz in Afghanistan zu stärken. Die NATO hat derzeit über 12.000 Truppen im Land. In den vergangenen Wochen haben mehr als fünfzehn Nationen zusätzliche Truppenentsendungen zu unserer ,Resolute Support Mission' geleistet. Wir legen besonderen Wert auf die Fortsetzung der Ausbildung der afghanischen Spezialeinheiten, der Luftwaffe und der Verbesserung der Führungs- und Leitfähigkeiten.

Unsere Präsenz in Afghanistan ist eine direkte Konsequenz der Terroranschläge vom 11. September auf die USA, als die Allianz erstmals von unserer kollektiven Verteidigungsklausel (Artikel 5) Gebrauch gemacht hatte. Hunderttausende von Truppen aus Europa, Kanada und Partnerländern haben gemeinsam mit US-Truppen nebeneinander gedient. Über Tausend von ihnen sind gefallen. Mit Unterstützung der NATO hat Afghanistan nun professionelle Sicherheitskräfte von etwa 350.000 Soldaten und Polizisten. Im Jahr 2014 haben wir die volle Verantwortung für die Sicherheit erfolgreich auf diese Sicherheitskräfte übertragen. Derzeit beraten und unterstützen wir sie und lassen ihnen finanzielle Hilfen zukommen. Unser Ziel bleibt, sicherzustellen, dass Afghanistan nie wieder ein sicherer Rückzugsort für Terroristen wird, um zu verhindern, dass sie unsere eigenen Länder angreifen. Wir ermutigen alle Afghanen, auf eine ausgehandelte, politische Lösung und einen nachhaltigen Frieden hinzuarbeiten.“

Somit dürfte sich auch die Realität ergeben, dass Deutschland zwar nicht auf dem Hindukusch verteidigt werden muss, weitere Lasten sind jedoch unter der Volksweisheit „Mitgefangen, mitgehangen“ zu erwarten.

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