Die Nachrichtenagentur Reuters zeigt mehrere Faktoren auf, die zu neuen Defiziten im Bundeshaushalt in den kommenden Jahren führen werden:
Egal, welche Partei das Finanzministerium künftig für sich beanspruchen kann: Mit so guten Haushaltszahlen ist bisher keiner der Hausherren in seinen Job gestartet. Der aktuelle Amtsinhaber Wolfgang Schäuble (CDU) konnte 2014 einen Bundeshaushalt vorweisen, der erstmals seit 45 Jahren ohne neue Schulden auskam. Die von einigen gepriesene und anderen gegeißelte „schwarze Null“ hält seitdem. Geht es nach der CDU, soll das auch die kommenden vier Jahre so bleiben.
Nach der Finanzplanung des Bundes sollen die Ausgaben 2018 um 2,6 Prozent auf 337,5 Milliarden Euro steigen und dann bis 2021 auf 356,8 Milliarden Euro zulegen. Weil die Einnahmen Schritt halten, sind keine neuen Kredite eingeplant. In dieser Rechnung schlummern allerdings eine Reihe von Risiken, die schon bald an der „schwarzen Null“ zerren könnten – auch ungeachtet der Wahlversprechen von massiven Steuerentlastungen oder Investitionsoffensiven.
In Deutschland fordern viele Politiker, Banker und Volkswirte von der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Stopp des Anleihekaufprogramms und das Ende der Nullzinspolitik. Seit 2008 hat Deutschland durch die EZB-Politik laut Bundesbank aber insgesamt 240 Milliarden Euro an Zinsausgaben eingespart. Allein 2016 liegt die Entlastung für den Bundeshaushalt bei 47 Milliarden Euro. Kommendes Jahr dürfte die EZB den Anfang vom Ende des Anleihekaufprogramms einläuten und spätestens 2019 an der Zinsschraube drehen.
Schäubles Ministerium bereitet sich schon jetzt darauf vor und investiert stärker in länger laufende Anleihen. So liegt die Zinsbindungsdauer für die Schulden des Bundes derzeit bei 6,85 Jahren, während es 2011 noch 6,3 Jahren waren. Finanzexperte Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft gibt deshalb zumindest vorsichtig Entwarnung: „Bis die Zinswende im Bundeshaushalt weh tut, könnte diese Legislaturperiode schon vorbei sein, weil die derzeit ausstehenden Anleihen im Schnitt noch einige Jahre Restlaufzeit haben.“
Verbunden mit der Zinswende sind aber weitere Risiken. So hat die Bundesbank für 2016 lediglich rund 400 Millionen Euro Gewinne an den Bund überwiesen, während der Bund 2,5 Milliarden Euro eingeplant hatte. Auch für die kommenden Budgets werden in Berlin eigentlich 2,5 Milliarden Euro aus Frankfurt erwartet.
Die neue Regierung kann sich auch deshalb nicht zurücklehnen, weil die Jahre des kräftigen Aufschwungs schneller vorbei sein könnten als gedacht. Die schwer berechenbare Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump, die Lage auf der koreanischen Halbinsel oder in der arabischen Welt gelten als Unsicherheitsfaktoren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht zudem hierzulande von einem teils „geliehenen Aufschwung“, der durch die niedrigen Zinsen und die gute Arbeitsmarktsituation getrieben sei.
Als weitere Gefahr gilt der für 2019 geplante EU-Austritt Großbritanniens. Falls die Brexit-Gespräche in Brüssel scheitern, drohen Zölle und andere Kosten für die deutsche Exportwirtschaft. Außerdem muss Deutschland womöglich mehr Geld in den EU-Haushalt überweisen, wenn die Briten ihre Zahlungen von zuletzt rund fünf Milliarden Euro Richtung Brüssel einstellen.
Zum Zankapfel wurde im Bundestagswahlkampf das Nato-Ziel, die Rüstungsausgaben in Richtung zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung (BIP) anzuheben. Weil in der aktuellen Koalition darüber keine Einigkeit besteht, wie steil die Verteidigungsausgaben steigen sollen, hebt Schäuble die Quote von gut 1,2 Prozent bisher nur leicht an. Ob sich daran etwas ändert, hängt von der künftigen Koalition und womöglich vom Druck Trumps ab. Auch eine aggressive Politik Russlands in Osteuropa oder eine verschärfte Sicherheitslage im Mittelmeerraum könnten die deutschen Verteidigungsausgaben nach oben schrauben.
Mit der Alterung der Gesellschaft steigen die Sozialausgaben und sinken Einnahmen etwa aus der Einkommensteuer. „Die demografische Situation hat sich noch nicht deutlich verschärft, aber es ist absehbar, dass es dadurch zu Belastungen kommen wird“, sagt Boysen-Hogrefe. In drei bis fünf Jahren könnte es nach seiner Einschätzung zu ersten Problemen im Bundeshaushalt kommen.