Politik

Katalonien: Hunderte Verletzte bei Referendum

Die spanische Polizei hat Wahlurnen und Stimmzettel in Katalonien beschlagnahmt. Es kam zu Ausschreitungen.
01.10.2017 09:47
Lesezeit: 2 min

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Die spanische Polizei hat am Sonntag in Katalonien zahlreiche Wahllokale gestürmt und teilweise mit Gewalt versucht, Wähler an der Stimmabgabe beim Unabhängigkeitsreferendum zu hindern, berichtet Reuters. Dem katalanischen Gesundheitsdienst zufolge wurden 337 Menschen durch den Einsatz von Polizei in Kampfmontur verletzt. Die spanische Vize-Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaria sprach dagegen von einem angemessenen und professionellen Verhalten der Sicherheitskräfte. Die Beamten waren von der Zentralregierung in Madrid nach Katalonien beordert worden, da die dortige Polizei die Abstimmung nicht verhinderte. Sowohl die konservative Regierung in Madrid als auch das Verfassungsgericht des Landes hatten die Abstimmung für unzulässig erklärt.

In Girona vertrieben Polizisten Menschen gewaltsam aus dem Wahllokal. Katalanische Feuerwehrleute stellten sich schützend zwischen die Menschen und die Polizeikräfte. Ebenfalls in Girona.

brachen spanische Polizisten die Türen eines Wahllokals auf, Minuten bevor der Chef der katalanischen Regierung, Carles Puigdemont, seine Stimme abgeben wollte. Anwesende Wähler sangen die katalanische Hymne. Puigdemont gab später seine Stimme an einem anderen Ort ab.

An einer Kreuzung in Barcelona feuerten spanische Sicherheitskräfte Medienberichten zufolge Gummigeschosse ab. Vor einem Wahllokal in Barcelona kam es zu Rangeleien zwischen spanischen Polizisten und Hunderten Wählern. Diese skandierten: „Wir sind Menschen des Friedens.“ Aus einem weiteren Wahllokal schleppten Polizisten Wahlurnen. Anwesende riefen: „Besatzungsmacht raus“. In Videoaufnahmen war zu sehen, wie Polizisten auf Befürworter des Referendums eintraten und diese an den Haaren zogen. Der FC Barcelona kündigte an, aus Protest gegen den Polizeieinsatz das Ligaspiel gegen Las Palmas vor leeren Rängen auszutragen.

Puigdemont warf der spanischen Polizei einen unangemessen harten Einsatz vor. Dieser habe die Katalanen jedoch nicht von der Stimmabgabe abgehalten. Nach Angaben des spanischen Innenministers Juan Ignacio Zoido gab es Polizeieinsätze in rund 70 Wahllokalen. Ziel seien nicht die Wähler gewesen, vielmehr habe Referendumsmaterial beschlagnahmt werden sollen. Elf Beamte wurden Regierungsangaben zufolge verletzt.

„Ich bin früh aufgestanden, weil mich mein Land braucht“, sagte Eulalia Espinal, eine 65-jährige Rentnerin, die sich im Regen mit etwa 100 anderen bereits gegen fünf Uhr morgens vor einer Schule in Barcelona eingefunden hatte. „Wir wissen nicht, was passieren wird, aber wir müssen da sein.“ „Dies ist eine riesige Chance“, sagte der 92-jährige ehemalige Taxifahrer Ramon Jordana: „Darauf habe ich 80 Jahre gewartet.“ Umfragen zufolge unterstützen lediglich 40 Prozent der Katalanen eine Abspaltung von Spanien. Eine Mehrheit befürwortet demnach jedoch die Abhaltung eines Referendums.

Die Zentralregierung hat Tausende Beamte in die Region geschickt. Diese beschlagnahmten bereits im Vorfeld Stimmzettel, nahmen Befürworter der Abstimmung fest, sperrten viele der insgesamt gut 2300 Wahllokale und besetzten das IT- und Kommunikationszentrum der Regionalregierung. Die katalanische Regierung erklärte, Wähler könnten zu jedem offenen Wahllokal gehen, wenn das eigentlich vorgesehene abgeriegelt sei. Zudem würde auch solche Stimmzettel akzeptiert, die sich die Wähler zuhause ausgedruckt hätten.

Die Volksabstimmung ist nicht bindend und wurde vom spanischen Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärt. Die Richter beriefen sich auf die gesetzlich verankerte Unteilbarkeit des spanischen Staates. Der Streit über die Abstimmung hat das Land in die schwerste Verfassungskrise seit Jahrzehnten gestürzt.

Katalonien ist eine wohlhabende Region an der Grenze zu Frankreich, in der mit Katalanisch eine eigene Sprache gesprochen und ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung erzielt wird. Die Befürworter der Unabhängigkeit hatten in der Vergangenheit argumentiert, dass es der Region ohne Transferzahlungen an ärmere Gebiete Spaniens noch besser ginge. Die Regierung in Madrid warnte hingegen, dass eine Abspaltung Katalonien in die Rezession stürzen könne.

 

 

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