Finanzen

Deutsche Wirtschaft rechnet mit chaotischem Brexit

Vertreter der deutschen Wirtschaft rechnen mit einem unkontrollierten Ausscheiden Großbritanniens aus der EU.
05.10.2017 12:03
Lesezeit: 1 min

Die deutsche Wirtschaft rechnet angesichts der geringen Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen mit dem Schlimmsten. „Deutsche Unternehmen mit einem Standbein in Großbritannien und Nordirland müssen nun Vorsorge für den Ernstfall eines sehr harten Ausscheidens treffen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Joachim Lang, am Donnerstag in Berlin. „Der britischen Regierung fehlt es trotz vieler Worte an einem klaren Konzept.“

Auch die Rede von Premierministerin Theresa May auf dem Parteitag der Konservativen gebe keinerlei Zuversicht. Vielmehr bleibe die Brexit-Strategie innerhalb der Regierungspartei völlig unklar. Schon jetzt bekämen deutsche Firmen in Großbritannien erste Folgen zu spüren, etwa indem sie ausländische Fachkräfte in dem Land verlören.

Um sich für alle Eventualitäten zu wappnen, hatte der BDI im Frühsommer mit anderen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen eine „Task Force Brexit“ gegründet. In zehn Projektgruppen wird dabei untersucht, welche potenziellen und akuten Gefahren für die Firmen vom Brexit in seinen unterschiedlichen Verlaufsformen ausgehen könnten. Derzeit deutet nach Langs Worten nur wenig auf einen sanften Ausstieg der Briten hin. „Es gibt keine Garantie für auch nur eine einzige Übergangsregelung, geschweige denn einen final austarierten Pakt für das künftige Verhältnis zwischen EU und Vereinigtem Königreich“, sagte er. Die Hoffnung, dass dies schon bald in den Brüsseler Brexit-Verhandlungen Thema wird, hat er nicht.

Die meisten britischen Vorschläge hält der Industrieverband für wenig hilfreich. Die Finanzfragen lasse die Regierung in London weithin unbeachtet, die Angebote zu Bürgerrechten seien unzureichend und die Vorschläge zur irisch-nordirischen Grenze nicht praktikabel. Die Vorschläge zur Zollabwicklung seien mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat errechnet, dass allein die Wiedereinführung von Zollverfahren im deutsch-britischen Handel zu Mehrkosten von jährlich mindestens eine Milliarden Euro führen würde.

All das belastet die deutschen Unternehmen im Vereinigten Königreich erheblich. „Über vielen Aktivitäten schwebt nicht nur das Damoklesschwert der Unsicherheit, sie sind vielmehr der Gefahr massiver Entwertungen ausgesetzt“, warnte Lang. Ein ungeordnetes Ausscheiden der Briten aus der EU ohne Folgeregelungen würden massive Verwerfungen mit sich bringen. Der BDI kalkuliert mit einer mehrjährigen Übergangsphase nach dem Ausstieg der Briten.

Deutschland und Großbritannien sind mit eine bilateralen Handelsvolumen von mehr als 170 Milliarden Euro und einem wechselseitigen Bestand von Direktinvestitionen von über 140 Milliarden Euro aufs Engste miteinander verbunden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...