Um Schwung in die EU-Reformdebatte zu bringen, schlägt der CDU-Politiker Norbert Röttgen gemeinsame deutsch-französische Anleihen vor. „Wir müssen uns klar machen, dass Europa nicht mit einer Totalverweigerung für die Wünsche anderer Partner nach vorne kommt“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: „Deshalb schlage ich gemeinsame deutsch-französische Anleihen für ganz gezielte Investitionsprojekte vor.“
Dadurch entstehe eine Form von Risikogemeinschaft zwischen Deutschland und Frankreich, die aber nicht die Gefahren etwa von Eurobonds berge. „Denn das Risiko einer Ausfallswahrscheinlichkeit wäre extrem gering.“ Die Finanzmärkte würden solchen deutsch-französischen Anleihen die Höchstbonität geben, was auch ein Zeichen des Vertrauens wäre. „Vor allem aber wären solche Anleihen ein politisches Signal“, sagte Röttgen.
Der CDU-Politiker kritisierte, dass die Debatte über neue Wege der Zusammenarbeit in Europa durch die strikte Ablehnung von Eurobonds – also der gemeinsamen Ausgabe von Anleihen durch Euro-Staaten – in Deutschland und vor allem der Union erschwert werde. Diese werden auch von der Bundesregierung abgelehnt, weil die gemeinsame Haftung der Euro-Länder ihrer Meinung nach nicht rechtens ist. „Unterhalb dieser Ebene sind deutsch-französische Anleihen aber sehr wohl ein gangbarer Weg, der auch in der Union keine Ängste auslösen sollte“, sagte Röttgen. Dabei gehe es nämlich nicht um die allgemeine Staatsfinanzierung, sondern um zweckgebundene Anleihen. Denkbar wären Investitionen in Start- up-Unternehmen oder in Infrastrukturprojekte. In Deutschland mangele es ohnehin an Risikokapital.
Röttgen begründete seinen Vorstoß mit den in der EU nötigen Reformen für eine engere Zusammenarbeit. „Wir brauchen in der EU schnelle Ergebnisse. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Europa auf der Stelle tritt“, sagte er: „Um Akzeptanz zu gewinnen, brauchen wir die Legitimation durch praktische Erfolge.“
Und Fortschritte seien etwa in der Zusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich möglich. Dies gelte beispielsweise für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit, sagte der CDU-Politiker. „Es muss aber auch in wirtschaftlichen Fragen Fortschritte geben.“ Deutschland solle die Reformen in Frankreich flankieren. „Sicher muss sich Frankreich selbst reformieren, aber wir können und müssen helfen“, sagte er mit Blick auf die von Präsident Emmanuel Macron eingeleiteten Reformen etwa französischen Arbeitsmarktes.
Der CDU-Politiker mahnte auch mögliche Koalitionspartner wie die FDP, sich nicht gegen Reformen in Europa zu sperren. „Das Allerwichtigste: Die neue Bundesregierung muss verstehen, dass man Europa nach vorne bringen muss und dass es eine deutsche Verantwortung für Europa gibt“, sagte Röttgen. „Es hat strategische Bedeutung auch für uns, dass es in Europa keine Paralyse, keinen Stillstand gibt.“ Die Osteuropäer wollen etwa Fortschritte im Energiesektor in der EU sehen, die Südeuropäer bei Wirtschaft und Arbeitsplätzen. „Deutschland kann in dieser Lage nicht zu allem Nein sagen.“ Es gehe also darum, Verantwortung zu übernehmen, ohne gleichzeitig die Risiken zu groß werden zu lassen. Mit den Anleihen für Innovationen im Unternehmenssektor könne Deutschland zeigen, dass es dazu auch im wirtschaftlichen Bereich bereit sei.