Politik

SPD gewinnt Landtagswahlen in Niedersachsen

Lesezeit: 3 min
15.10.2017 18:01
In Niedersachsen hat die SPD gewonnen. CDU, Grüne und FDP verloren.
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Die SPD hat die Landtagswahlen in Niedersachsen gewonnen. Die CDU hielt sich vergleichsweise stabil. Die AfD kam auf sechs Prozent. Die Linkspartei schafft es nicht mehr in den Landtag. Die Grünen haben deutlich verloren, ebenso die FDP.

SPD und Grüne haben nach neuen Hochrechnungen von ARD und ZDF voraussichtlich ihre Mehrheit in Niedersachsen verloren.

In der ARD hieß es am Sonntagabend gegen 22.00 Uhr, es sei «unwahrscheinlich geworden, dass es am Ende für Rot-Grün reicht». Auch laut ZDF hat das seit vier Jahren regierende Bündnis die absolute Mehrheit «höchstwahrscheinlich verfehlt».

Nach einer Analyse von Infratest dimap für die ARD wird es voraussichtlich infolge von Überhangmandaten 142 Sitze im neuen Landtag in Hannover geben. SPD und Grüne kämen danach aber nur auf 70 Sitze und verpassten die absolute Mehrheit.

Nach Berechnungen der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF wird es voraussichtlich nur ein Überhang- und ein Ausgleichsmandat geben. Damit gäbe es 137 Sitze im Parlament, Rot-Grün erreicht demnach 68 Mandate, was ebenfalls zu wenig wäre.

Die Ergebnisse laut Hochrechnung (ARD 22:47 Uhr):

SPD: 37 Prozent

CDU: 33,6 Prozent

FDP: 7,5 Prozent

Grüne: 8,7 Prozent

AfD: 6,2 Prozent

Linkspartei: 4,6 Prozent

Triumph für die SPD, schwere Schlappe für die CDU: Drei Wochen nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten die Landtagswahl in Niedersachsen überraschend klar gewonnen. Die CDU rutscht auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ab, nachdem sie in Umfragen lange geführt hatte.

Ministerpräsident und Wahlsieger Stephan Weil sprach von einem «fulminanten Erfolg» für die SPD: «Wir können zum ersten Mal seit der letzten Landtagswahl mit Gerhard Schröder vor 19 Jahren wieder die stärkste Fraktion im Landtag werden, das ist großartig.» Aus seiner Sicht sorgte auch der Gang der Bundes-SPD in die Opposition für Rückenwind. Weil kündigte an, er wolle mit allen Landtagsparteien außer der AfD über mögliche Koalitionen sprechen. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen geht der SPD-Sieg in Niedersachsen stark auf das hohe Ansehen Weils und auf Landesthemen zurück.

Die Sozialdemokraten werden nach den Hochrechnungen von 20.40 Uhr zum ersten Mal seit 1998 wieder stärkste Kraft - mit 37,1 Prozent (2013: 32,6). Die CDU kommt nur noch auf 33,6 bis 33,9 Prozent (36,0). Die Grünen verlieren ebenfalls, erreichen aber mit 8,6 bis 8,9 Prozent (13,7) Platz drei. Die FDP landet bei 7,3 bis 7,4 Prozent (9,9).

Die AfD schafft mit 6,0 bis 6,1 Prozent den Einzug ins Parlament, bleibt aber deutlich hinter ihren jüngsten Wahlerfolgen zurück. Die Linke verfehlt mit 4,6 Prozent (3,1) den Sprung in den Landtag. Damit sind künftig fünf statt vier Parteien im Landtag vertreten. Die Wahlbeteiligung stieg auf 63,1 bis 63,5 Prozent (59,4 Prozent).

Die Sitzverteilung sieht nach den Hochrechnungen - ausgehend von 135 Sitzen - so aus: CDU 49 bis 50 (2013: 54), SPD 54 bis 55 (49), Grüne 12 bis 13 (20), FDP 10 (14) und die AfD 8 bis 9 (0). Rot-Grün kommt damit - ohne Überhangmandate - auf 67 Mandate. Die absolute Mehrheit liegt bei 68 Mandaten.

Die Koalition in Niedersachsen ist das letzte rot-grüne Bündnis in einem Flächenland. Sollte es nicht für eine Fortsetzung reichen, steht in Hannover eine schwierige Regierungsbildung bevor. Die Neuwahl wurde nötig, weil die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten Anfang August von den Grünen zur CDU gewechselt war. Die seit 2013 regierende rot-grüne Koalition verlor damit ihre Ein-Stimmen-Mehrheit, die Stimmung zwischen SPD und Grünen auf der einen und der CDU auf der andere Seite gilt seither als vergiftet.

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann führte die Verluste auch auf einen negativen Bundestrend zurück: «Es war am Ende eher ein bisschen mehr Gegenwind.» Er sieht dennoch einen Auftrag zum Mitregieren: «Auch wir, in welcher Konstellation auch immer, haben einen klaren Gestaltungsauftrag für Niedersachsen». Dies ginge rechnerisch in einer Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen oder als Juniorpartner der SPD in einer großen Koalition.

Landesinnenminister Boris Pistorius zeigte sich offen für eine große Koalition. Die FDP wiederum zeigte sich offen für Jamaika-Gespräche, die Grünen wollten sich nicht festlegen. «Wir führen jetzt keine Debatte über Jamaika, sondern wir hoffen, dass es für eine Fortsetzung von Rot-Grün reicht», sagte Spitzenkandidatin Anja Piel.

Für die SPD bedeutet das Ergebnis einen tröstlichen Erfolg zum Ende des Superwahljahres. Neben der Bundestagswahl verlor die Partei in diesem Jahr auch alle drei bisherigen Landtagswahlen.

Großer Verlierer ist die CDU. Mitte August hatte die CDU in Umfragen noch bei rund 40 Prozent gelegen. Der CDU-Wirtschaftsrat gab Merkel eine Mitschuld. Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der «Bild»: «Die Wahlverlierer, die am Wahlabend gesagt haben "Wir haben verstanden", haben heute in Hannover gewonnen. Diejenigen, die erklärten, sie hätten "alles richtig gemacht", sind diesmal Verlierer.»

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wertete die Niederlage als «erneutes Alarmsignal» für die gesamte Union. Er kündigte eine klare Kante der CSU in den anstehenden Sondierungsgesprächen über ein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene an. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin befürchtet, dass die CDU-Pleite die Verhandlungen erschwert.

In der niedersächsischen AfD rebellieren nach dem vergleichsweise schwachen Abschneiden Funktionsträger gegen Landeschef Paul Hampel. Noch am Wahlabend verschickten Angehörige des Landesvorstandes ein Rundschreiben an die Mitglieder, in dem sie zur Einberufung eines Parteitages und zur Wahl einer neuen Landesspitze aufriefen


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