Politik

Große Koalition: SPD sendet erste Signale in Richtung von Merkel

Die SPD scheint sich langsam mit der Idee anzufreunden, wieder für eine Koalition mit der Union zur Verfügung zu stehen. Sie formuliert erste Forderungen zum Thema Zuwanderung.
25.11.2017 17:48
Lesezeit: 2 min

Union und SPD haben Bewegung hin zu einer Neuauflage der großen Koalition erkennen lassen und zugleich erste Bedingungen dafür aufgestellt.

SPD-Chef Martin Schulz wich am Freitagabend beim Bundeskongress der Jusos erstmals von seiner strikten Ablehnung einer Regierungsbeteiligung ab und sagte, in erster Linie müsse es um eine Verbesserung des Lebens der Menschen im Alltag, national wie international, gehen. "Lasst uns um den Weg ringen", appellierte er. Justizminister Heiko Maas (SPD) rief seine Partei auf, offen für eine Regierungsbeteiligung zu sein. "Grundsätzlich können wir über alles reden und sollten nichts von vornherein ausschließen", forderte er in der "Saarbrücker Zeitung".

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warnte die CDU, schon im Vorfeld der Gespräche Hürden aufzubauen. "Frau Merkel ist bei der Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann", sagte sie dem "Trierschen Volksfreund". Ihre Partei werde sich nicht erpressen lassen.

SPD-Vize Ralf Stegner stellte seinerseits Bedingungen und bezeichnete den Unions-Kompromiss zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms als nicht zustimmungsfähig für die SPD. "Eine Obergrenze, die nicht so heißen darf, verstößt immer noch gegen die Verfassung und die Genfer Flüchtlingskonvention", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Daher wird es eine weitere Begrenzung des Familiennachzugs mit der SPD nicht geben." Zudem beharre die SPD auf der Einführung einer paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten Bürgerversicherung im Gesundheitswesen. Für den Arbeitsmarkt verlangte der Parteilinke andere Formen der Arbeitszeit, gleichen Lohn für gleiche Arbeit bei Männern und Frauen und mehr Tarifbindung. Außerdem müssten die grundlos befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschafft werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte auf dem Parteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern am Samstag Neuwahlen ab und erwähnte die auch in ihrer Partei vorgebrachte Option einer Minderheitsregierung nicht. Vielmehr begrüßte sie, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie, den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz für kommenden Donnerstag zum gemeinsamen Gespräch eingeladen hat, um über Möglichkeiten zur Bildung einer stabilen Regierung zu reden. Schulz sagte, er strebe weder eine große Koalition noch eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen an. "Ich strebe gar nix an", sagte er. Ihm gehe es vor allem um ein besseres Leben für die Menschen. Allerdings verwies er darauf, dass eine Partei in der Opposition kaum Gestaltungsmöglichkeiten habe.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche hatte der Bundespräsident die Initiative übernommen und alle Parteien an ihre gesamtstaatliche Verantwortung erinnert, für eine stabile Regierung zu sorgen. Zudem führte er getrennte Gespräche mit den Chefs der für ein Bündnis infrage kommenden Parteien. Schulz, der zusammen mit dem SPD-Vorstand noch zu Wochenbeginn die Ablehnung einer erneuten großen Koalition bekräftigt hatte, steuerte daraufhin um und ist nun doch bereit, über Optionen für eine Regierungsbildung zu sprechen. Damit besteht die Chance auf ein Ende der Hängepartie. Nicht nur aus der deutschen Wirtschaft, sondern auch von europäischen Partnern waren Mahnungen gekommen, angesichts anstehender Entscheidungen dürfe die Unsicherheit in Deutschland nicht zu lange andauern.

Neuwahlen seien keine Lösung, sagte Merkel. "Das halte ich für ganz falsch." Dagegen verwies sie auf die nach ihrer Meinung erfolgreichen Arbeit der großen Koalition in den letzten Jahren. "Wir haben gut zusammengearbeitet". Über das, was nicht so gut gelaufen sei, müsse man sprechen. Allerdings äußerte sie sich verärgert darüber, dass die SPD im Wahlkampf und danach "kein einziges gutes Wort" dafür gefunden habe.

Inhaltlich sei für die CDU bei der Entscheidung über eine Regierungsbeteiligung maßgebend, ob Deutschland dadurch vorankomme, es den Menschen besser gehe und die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt würden. Dazu gehörten das Bekenntnis zu einem Bundeshaushalt ohne neue Schulden, Änderungen beim der Abbau des Solis, steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen sowie bessere Rahmenbedingungen für eine zukunftsweisende Entwicklung der Wirtschaft. Bei all den Veränderungen "die Gesellschaft zusammenzuhalten, das wird eine der ganz großen Aufgaben", merkte sie an. In der Flüchtlingspolitik bekräftigte Merkel die mit der CSU gefundene Verständigung, den Flüchtlingszustrom auf 200.000 zu begrenzen.

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