Am 30. Oktober 2017 wurde die neue Eisenbahnstrecke zwischen der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, der georgischen Hauptstadt Tiflis und Kars, eine Stadt im Südosten der Türkei, (BTK-Bahn) eröffnet. Insgesamt 846 Streckenkilometer verbinden seitdem Aserbaidschan, Georgien und die Türkei über die BTK-Bahn. Davon sind 109 Kilometer neu verlegt worden – 30 Kilometer in Georgien und 79 Kilometer in der Türkei. Nach Angaben der Zeitung The Daily Sabah werden sich die Projektkosten auf bis zu eine Milliarde Dollar belaufen.
Am 4. November kam der erste Zug aus dem 4.200 km entfernten kasachischen Kokschetau über die Bahnstrecke Baku-Tiflis-Kars in der türkischen Stadt Mersin an. Der Güterzug bestand aus 32 Containern, womit 600 Tonnen Weizen transportiert wurden. Nach einem Bericht des englischsprachigen Dienstes von Reuters ist das Projekt eingebettet in das neue chinesische Seidenstraßen-Projekt „One Belt, One Road” (OBOR).
Die Türkei plant zudem, ein Hochgeschwindigkeits-Zugprojekt zwischen Kars und Edirne mit Baukosten in Höhe von 30 Milliarden Dollar umzusetzen, so die Nachrichtenagentur Anadolu. Diese Vorhaben in Verbindung mit dem Istanbuler Eisenbahn-Projekt Marmaray und dem Bau der neuen „Yavuz Sultan Selim”-Brücke seien wichtige Bestandteile des „mittleren Gürtels” der neuen Seidenstraße, die Peking mit London verbinden soll.
Die türkische Wirtschafts-Zeitung Dünya Gazetesi berichtet, dass die neue Eisenbahnstrecke eine wichtige Rolle beim OBOR-Projekt spielt, weil sie durch drei Länder verläuft, die sehr gute Beziehungen haben. Mit diesem Projekt garantiere die Türkei, dass die neue Seidenstraße durch ihr Territorium verläuft. „Zweitens dient das Projekt dazu, chinesische Investitionen in die Region zu ziehen”, so das Blatt.
Ausschlaggebend für den Ausbau des Eisenbahnnetzes durch die Türkei ist das Interesse Chinas, alternative Wege für eine Verbindung zwischen Europa und Asien zu finden. Bislang hatte China den Weg über Russland genutzt, um Europa zu erreichen. Dabei geht es um eine Landverbindung zwischen Chongqing in China bis nach Duisburg in Deutschland, die in 16 Tagen zurückgelegt wird. Der Weg über die Türkei soll diese Dauer und die damit verbundenen Kosten senken, so die Hürriyet.
Türkische Vertreter in China
Allerdings haben türkische Regierungsvertreter auch Bedenken, was die Umsetzung des OBOR-Projekts angeht. In der vergangenen Woche hatte der türkische Staatssekretär Mehdi Eker China besucht. Auf dem dritten Treffen des „China-Africa Political Parties Theoretic Seminar” sagte er, dass Terror-Organisationen entlang der neuen Seidenstraße eine enorme Gefahr für die Umsetzung des Projekts darstellen würden. „Um das neue Seidenstraßen-Projekt umzusetzen, müssen alle Terror-Organisationen aus der Region gesäubert werden”, zitiert die Zeitung Aydinlik Eker.
Der Vorsitzende der türkischen Heimatpartei, Dogu Perincek, nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil. Er sagte, dass das Projekt der USA, wonach in West-Asien ein Kurden-Staat entstehen soll, lediglich dem Zweck diene, die neue Seidenstraße zu zertrennen.
Adnan Akfirat, China-Verantwortlicher der türkischen Heimatpartei, wies die chinesischen Vertreter darauf hin, dass die neuen Seidenstraße am Kaspischen Meer enden wird, falls China keine klare Position gegen das Kurdistan-Projekt im Nahen Osten ergreift. Voraussetzung für den Verlauf der neuen Seidenstraße nach Europa sei eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten in West-Asien. Dazu würden insbesondere Russland, die Türkei, der Iran und Syrien gehören.
Konflikte auf der Seidenstraße
Das Chaos in Syrien und die instabile Lage im Irak torpedieren die Umsetzung dieses Projekts, sagte Oberst a.D. der türkischen Luftwaffe, Osman Başıbüyük, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Dem türkischen Oberst zufolge hat China das Projekt zur Wiederbelebung des Handels von China über den Iran, Irak und Syrien bis nach Europa deshalb in Gang gebracht, weil das Land befürchtet, dass sein Containerhandel über den Seeweg gezielt von den USA behindert wird. Der Konflikt im Südchinesischen Meer verfolge das Ziel, Chinas Seehandel zu schädigen und den Zugang zum Meer zu erschweren, so Başıbüyük. Da die neue Seidenstraße auch Verbindungswege hat, die über Zentralasien verlaufen, rechnet der Oberst damit, dass es in Zentralasien zu gezielten Destabilisierungs-Aktionen kommen wird, um die Verbindung zwischen dem Anfangspunkt China und dem Endpunkt Europa zu stören.
Die neue Seidenstraße umfasst zwei Routen. Eine Route nutzt den Landweg, die andere den Seeweg. Die Landroute beginnt im chinesischen Xian und verläuft über Zentralasien nach Duschanbe in Tadschikistan. Von dort aus durchquert die Route Turkmenistan, den Iran, Nordirak, Nordost-Syrien, Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland (Moskau), Weißrussland, Polen, Deutschland und die Niederlande (Rotterdam). Von Rotterdam aus verläuft die Route durch Österreich bis nach Italien (Venedig).
Der Seeweg beginnt im chinesischen Fuzhou und erstreckt sich bis nach Jakarta. Ab Jakarta geht es weiter nach Colombo in Sri Lanka, Kolkata in Indien und von dort aus nach Nairobi in Äthiopien. Von Nairobi aus verläuft der Seeweg über den Golf von Aden und den Suezkanal nach Athen und schließlich nach Italien. Der Seeweg endet in Venedig und trifft dort mit der Landroute der neuen Seidenstraße zusammen.