Politik

China könnte der große Gewinner des Syrien-Krieges werden

Lesezeit: 12 min
24.03.2018 02:01
In Syrien könnte China als der große Profiteur einer neuen Lage im Nahen Osten hervorgehen. Die Entwicklung erklärt, warum die USA so aggressiv gegen China vorgehen.

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Die US-Strafzölle gegen China und die Verschärfung des Handelskrieges gegen China liegen strategisch im Langzeitplan der Trump-Agenda, die im wesentlichen von Steve Bannon bestimmt wird. Diese Strategie lautet: Nicht Russland ist der größte Widersacher der USA, sondern China. Diesen Ansatz hatte bereits Henry Kissinger in seinem Buch über die neue Weltordnung gewählt und geschrieben: Mit den Russen würden die Amerikaner kulturell immer eine Gesprächsebene finden, während dies mit den Chinesen ausgesprochen schwierig sei.

Aktuell bereiten die Chinesen den Amerikanern besondere Sorgen, weil sie mit dem Projekt der Neuen Seidenstraße (One belt, one road) an die uralte Weltmachtstellung ihres Landes anknüpfen könnten.

Einen wichtigen Meilenstein könnten die Chinesen ausgerechnet dort erringen, wo die Amerikaner ihrerseits eine Wende zu ihren Gusten einleiten wollten - in Syrien. China hat sich an dem Krieg nie aktiv militärisch beteiligt, aber im Hintergrund geschickt die Fäden gezogen und vor allem die Finanzierung sichergestellt. Die sich abzeichnende Aufteilung Syriens spielt den Chinesen in die Hände, weil der Iran mit großer Wahrscheinlichkeit den direkten Seeweg zum Mittelmeer schaffen dürfte. Damit hätte auch die Neue Seidenstraße ein wichtiges Teilstück absolviert.

Betrachtet man die sich abzeichnenden militärischen Sieger in Syrien, so sind sie alle mehr oder weniger eng mit China verbunden: Syrien unterhält enge Wirtschaftsbeziehungen - auch, weil sich die Europäer in blinder transatlantischer Gefolgschaft mit den Sanktionen gegen Syrien selbst aus dem Spiel genommen haben. Der Iran ist engste militärische und energiepolitische Verbündete von Peking. Die Türkei flirtet mit einem Ausbau der türkisch-chinesischen Beziehungen. Russland ist traditionsreich ein enger Verbündeter.

China und Russland

Russland hat der Syrien-Krieg vermutlich weniger gebracht als China: Die Russen mussten intervenieren, nachdem sich abzeichnete, dass die internationalen und islamistischen Söldner in Richtung der russischen Militärbasis in Latakia unterwegs waren.

Sergej Karaganow, ein Akademiker der Valdai-Gruppe, sagt, dass Russland und China sich weltweit ergänzen würden. Er sagte der Rossiskaya Gazeta: „Wir und China sind die wichtigsten Sicherheits-Dienstleister in der heutigen Welt. Wir haben einen Krieg in Europa abgewehrt, indem wir die Pläne gegen die Ukraine vereitelt haben. In Syrien haben wir unter anderem eine Reihe von farbigen Revolutionen gestoppt, die riesige Regionen destabilisiert haben. China bietet wirtschaftliche Sicherheit und wir bieten militärstrategische Sicherheit.”

Inwiefern die Aussage Karaganows im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt und der Finanzierung von russischen Militäroperationen in Syrien steht, ist unklar. Russland hatte am 30. September 2015 in Syrien interveniert.

Russlands Militärintervention war eine Möglichkeit für Moskau, das „Afghanistan-Syndrom” zu überwinden, wonach Einsätze in muslimischen Ländern künftig unterlassen werden sollten. Die Syrien-Intervention war die erste Intervention Russlands außerhalb seiner Peripherie. Die Regierung von Damaskus hat durch die Billigung der russischen Intervention das internationale Gewaltmonopol der USA gebrochen und den Russen erlaubt, erneut auf die internationale Bühne zurückzukommen, so The Middle East Eye.

Putins Motivation habe ein starkes inneres Element gehabt. Er verband den Arabischen Frühling mit einer Reihe von Aufständen vor Russlands Haustür – den farbigen Revolutionen, die Serbien, Georgien und die Ukraine erschütterten. Der Analyst Dmitri Trenin schreibt in seinem Buch „Was ist Russland im Nahen Osten?“: „Westlicher Enthusiasmus für die Förderung der Demokratie in Regionen, die als Hochburgen des Autoritarismus angesehen wurden, führte im Kreml zu der Vermutung, dass westliche NGOs versuchen könnten, einen russischen Frühling herbeizuführen. Dieser Verdacht schien durch die Welle der Massenproteste, die im Winter 2011/2012 in Moskau plötzlich aufkamen und Putin persönlich mehr als alles andere in Frage stellten, gerechtfertigt zu sein.”

Der Kiewer Maidan von 2013/14 zeigte Russland, wie die urbane Revolte aussehen würde, und stärkte die russische Entschlossenheit, das Gleiche in Syrien zu stoppen: „Nach der russischen Lesart war der Islamismus ein viel wahrscheinlicher Nutznießer: Ein ’Islamistischer Winter’ wäre die nächste Station nach dem gescheiterten demokratischen Frühling”, so Trenin.

Wie Bush, Blair, Cameron und Sarkozy, erfahre nun auch Putin, dass es schwieriger ist, eine Intervention in einem arabischen Land zu beenden, als sie zu beginnen, so the Middle East Eye. Die syrische Armee sei ohnehin alleine nicht imstande, die zurückeroberten Gebiete zu kontrollieren. Sie sind auch die Unterstützung der Russen und ausländische Milizen angewiesen. Das Blatt wörtlich: „Ein Jahr nach dem Fall von Ost-Aleppo ist die glatte Wahrheit, dass keine Seite gewonnen hat. Die US-Position in Syrien ist noch schlechter als die russische. Nachdem die syrische Opposition aufgegeben wurde, werden die USA nun von den Saudis dafür bezahlt, die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte zu unterstützen. Die USA weigern sich, Syrien zu verlassen – unter dem Vorwand einer anhaltenden Bedrohung durch ISIS. Doch sie sind auch nicht in der Lage, eine friedliche Lösung zu vermitteln.“

Russische Strategen würden behaupten, dass ihr einziges Motiv zum Eingreifen in Syrien die Verhinderung einer Situation wie in Libyen und Jemen gewesen sei. Doch in Privatgesprächen würden sie zugeben, dass die Zukunft Syriens langsam wie der Libanon aussieht: ein schwacher Staat mit mächtigen lokalen und regionalen Oberherren. Putin habe sich mittlerweile in Syrien wie Frankreich, Großbritannien oder die USA in einem Sumpf wiedergefunden.

Syrien sei ein ruiniertes Land. Daher werde jene Großmacht, die seinen Wiederaufbau finanzieren wird, auch jene Macht sein, die seine Zukunft bestimmen und leiten werde. Und genau an dieser Stelle kommt China ins Spiel, das als einzige Weltmacht einen langfristigen Plan verfolgt und in den vergangenen Jahren mit großem Geschick tragfähige Allianzen in der Region eingegangen ist.

China und Syrien

Im Jahr 2017 haben sich die chinesisch-syrischen Verhandlungen über Handel und Investitionen von den ersten diplomatischen Austauschmaßnahmen hin zu Verpflichtungen in Höhe von fast zwei Milliarden Dollar für Wiederaufbau-Verträge ausgeweitet. China hat sich zu einem der größten Handelspartner Syriens entwickelt. 80 Prozent des syrischen Handels mit anderen Staaten entfallen auf China. Im April 2017 besuchte eine chinesische Delegation von Investoren unter Führung von Qin Yong von der Chinese Arab Exchange Association Homs und Damaskus, um sich mit hochrangigen syrischen  Ministern  zu treffen - der Investmentabteilung des Premierministers, dem Gouverneur von Homs, dem Präsidenten der syrischen Notenbank und den Ministern für Wirtschaft und Handel sowie Kommunikation und Technologie.

Diese Delegationen ebnete den Weg für das “Syria Reconstruction Project Symposium” im Juli 2017, das von der syrischen Botschaft in Peking und der Chinese-Arab Exchange Association veranstaltet wurde. Die Veranstaltung  zog rund 1000 chinesische Investitions- und Entwicklungsunternehmen an. “Nur China kann eine führende Rolle dabei spielen, Syrien beim Wiederaufbau zu helfen”, zitiert Defense One Syriens Botschafter in Peking, Imad Moustapha, den chinesischen Investoren. Zwei Monate später sagte  Chinas Global Times, dass chinesischen Unternehmen beim Wiederaufbau Priorität eingeräumt werde.

Nach Informationen der Zeitung Akşam lag das bilaterale Handelsvolumen zwischen China und Syrien im Jahr 2011 bei 2,5 Milliarden US-Dollar. 2012 ging das Handelsvolumen auf 1,2 Milliarden US-Dollar und 2013 auf 700 Millionen US-Dollar zurück. 2014 und 2015 stieg das Handelsvolumen auf eine Milliarde US-Dollar. Derzeit versucht die syrische Regierung, eine Industriezone für 150 chinesische Firmen zu bauen. Die Kosten dieses Projekts sollen sich auf zwei Milliarden US-Dollar belaufen. Die türkische Zeitung T24 argumentiert, dass China als der größte Gewinner aus dem Syrien-Krieg hervorgehen wird, ohne militärisch involviert zu sein. Es sei offensichtlich, dass chinesische Unternehmen beim Wiederaufbau des Landes die Hauptrolle spielen werden. Der kumulative Verlust des syrischen BIPs beläuft sich aufgrund des Syrien-Kriegs nach Angaben der Weltbank auf 226 Milliarden US-Dollar.

Qin Yong, Vizepräsident der China-Arab Exchange Association, sagte Bloomberg, dass chinesische Unternehmen ihn jeden Tag dazu aufriefen, über Syrien zu sprechen. “Sie sehen dort großes Geschäftspotenzial, weil das ganze Land wieder aufgebaut werden muss”, so Yong. Geoffrey Aronson von der Beratungsfirma The Mortons Group argumentiert, dass die USA sich weigern würden, Geld nach Syrien zu schicken, während China eine große Chance in Syrien sehe, um Geld zu machen. Aronson wörtlich: “Die Chinesen sehen, wie wir Geld aus der Bank nehmen, aber kein Geld anlegen. Sie sind erstaunt und verstehen es nicht. Sie sehen darin eine Chance (in Syrien zu investieren, Anm. d. Red.). Wir sind in gewisser Weise nicht am Wiederaufbau von Infrastruktur (...) tätig, der nicht direkt mit unserer militärischen Präsenz zusammenhängt”.

Der chinesische Sondergesandte für Syrien, Xie Xiayoan, sagte im Januar, dass China Syrien beim Wiederaufbau des Landes unterstützen wolle. “China ist bereit, am Wiederaufbau Syriens nach dem Krieg teilzunehmen. Wir werden unsere Unterstützung fortsetzen, um unserem Potenzial gerecht zu werden (...) Die Syrien-Frage kann nur durch Gespräche gelöst werden (...) Um dieses Ziel zu erreichen, pflegen wir weiterhin Kontakte zu verschiedenen Parteien, einschließlich der Regierung und der Opposition”, zitiert die Tass Xiayoan.

Syrien ist auch aus der sicherheitspolitischen Perspektive wichtig für China. Das Center for Transatlantic Relations führt aus: “China möchte nicht, dass Syrien zu einem Zufluchtsort für Uiguren wird. Dadurch soll verhindert werde, dass chinesische Bürger und Interessen in Übersee und in der chinesischen Heimat angegriffen werden. Der Bombenanschlag auf die chinesische Botschaft in Kirgisien am 30. August 2016, der von der Islamischen Partei Turkestans (TIP) in Syrien geplant und von der Al-Nusra-Front finanziert wurde, ist ein Zeichen dafür, was kommen wird, wenn die Islamische Partei Turkestans expandiert.” Deshalb sei es nachvollziehbar, dass China den Anti-Terror-Kampf Syriens unterstützt.

Chinesische Militärberater seien in Syrien bereits vor Ort. Syrien und China hätten eine Geschichte der militärischen Zusammenarbeit, und viele syrische Waffensysteme werden aus China beschafft. Es gibt einen Informationsaustausch, und die Chinesen würden syrische Streitkräfte (...) ausbilden und medizinische / humanitäre Hilfe sowie zusätzliche Waffen bereitstellen. Die Chinesen seien zunehmend beunruhigt darüber, dass die TIP weiterhin fortschrittliche westliche Waffen  - wie von den USA bereitgestellte TOW-Panzerabwehrraketen, Grad-Raketen (BM-21, Anm. d. Red.) und wahrscheinlich Flugabwehrraketen sowie Drohnen, mit denen sie (die TIP, Anm. d. Red.) ihre jüngsten Selbstmord-Kampagnen gegen die syrische Armee aufzeichnete, beschafft. Diese westlichen Waffen verbessern die Kampfkraft der antichinesischen Militanten, um zukünftige Angriffe auf China und chinesische Interessen zu starten.”

China und Iran

Der Iran ist ein entscheidender Partner für China, um das Projekt der Neuen Seidenstraße umzusetzen.

Die chinesische Regierung hat bisher Kredite an den Iran im Volumen von zehn Milliarden US-Dollar vergeben, um Infrastrukturprojekte wie Staudämme, Stromerzeugungsanlagen und Transportprojekte zu bauen. Unterdessen blockiert die Trump-Regierung weiterhin die US-Investitionen und die meisten Handelsgeschäfte mit dem Iran. Analysten in Iran behaupten, dass die USA europäische Unternehmen dazu drängen, dasselbe zu tun. “Je mehr die USA Druck auf den Iran ausüben, desto mehr nähert sich der Iran China an”, zitiert Pri.org Foad Izadi von der Universität Teheran für Nordamerikastudien.

Im Jahr 2016 kündigten der chinesische Präsident Xi Jinping und der iranische Präsident Hassan Rouhani Pläne an, um den bilateralen Handel im nächsten Jahrzehnt auf 600 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.

China hatte von Mai bis Ende Dezember 2017 Waren im Wert von 7,95 Milliarden US-Dollar in den Iran exportiert. Das sind 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraums. Irans Exporte nach China - ohne Öl-Exporte - von Mai bis Ende Dezember 2017 wurden auf 5,7 Milliarden US-Dollar geschätzt, was einen Anstieg um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ausmacht.

Asadollah Asgaroladi, Chef der iranisch-chinesischen Handelskammer, sagte, dass sich das Handelsvolumen zwischen Iran und China im Jahr 2017 auf 40 Milliarden US-Dollar belief, während dieses Volumen im Jahr 2018 auf 50 Milliarden US-Dollar steigen soll, so Mehr News.

Nach Informationen des iranischen Ölministeriums gingen im vergangenen November 60 Prozent der iranischen Ölexporte in die asiatischen und 40 Prozent in den europäischen Markt, so das Financial Tribune. China sei im November der größte Abnehmer von Irans Öl gewesen und habe rund 600.000 Barrel pro Tag importiert, so das Ministerium.

Das Financial Tribune führt in einem Bericht aus: “Chinesische Unternehmen haben große Energieprojekte in Iran finanziert -  darunter die Erschließung riesiger Öl-Felder in Yadavaran und North Azadegan. Im Juli 2017 beteiligte sich China National Petroleum Corp (CNPC) mit 30 Prozent an einem Projekt zur Entwicklung des South Pars-Gasfelds im Iran - dem größten Erdgasfeld der Welt. Peking unterzeichnete im Januar 2017 einen Vertrag über drei Milliarden Dollar, um die iranischen Ölraffinerien zu modernisieren. Dazu gehört ein Vertrag zwischen China Petroleum und Chemical Corp (...) und der National Iranian Oil Company, um Irans größte Abadan-Ölraffinerie zu erweitern, die mehr als ein Jahrhundert alt ist.”

Der chinesische Energie-Riese CNPC  ist bereit, auch die Anteile des französischen Konzerns Total an South Pars zu übernehmen, falls Total den Iran aufgrund der anstehenden neuen US-Sanktionen verlassen sollte, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters. Total hatte im Juli 2017 einen Vertrag im Wert von einer Milliarde Dollar zur Entwicklung des South Pars-Gasfelds unterschrieben. Derzeit hält Total einen Anteil von 50,1 Prozent. CNPC hält einen Anteil von 30 Prozent, während Petrobras 19,9 Prozent an dem Projekt hält.

Der staatliche chinesische Eisenbahnbauer China Civil Engineering Construction Corp (CCEC) hat mit der iranischen Construction & Development of Transportation Infrastructures Company im Januar 2018 einen Eisenbahnbau-Vertrag mit einem Wert von umgerechnet 543,6 Millionen Dollar unterzeichnet, berichtet das Financial Tribune. Im Rahmen des Vertrags soll ene neue Eisenbahnstrecke mit einer Länge von 263 Kilometer erbaut werden.

Die China National Machinery Industry (Sinomach) hat mit dem Iran Ende März 2018 einen Vertrag über 845 Millionen US-Dollar unterzeichnet. Im Westen des Irans soll eine Eisenbahnlinie gebaut werden. Das Eisenbahnnetz soll 410 Kilometer lang sein und die Städte Teheran, Hamedan und Sanandaj miteinander verbinden, berichtet Global Construction.

China und Türkei

Die Türkei versucht in Syrien, zwischen zwei Fronten zu manövrieren: Sie arbeitet als Nato-Staat eng mit den USA zusammen. Die Eroberungen in Nordsyrien werden vom Pentagon als "legitime Selbstverteidigung" der Türkei klassifiziert. Zugleich kooperieren die Türken mit den Russen - allerdings eher notgedrungen, weil die Russen den Luftraum im Nordwesten kontrollieren und an ihnen militärisch kein Weg vorbeiführt.

Mit den Chinesen verbindet die Türkei eine lange Handelstradition. Die Verwerfungen mit der EU, maßgeblich angetrieben von der Bundesregierung und Merkels Aussage, dass sie niemals an einen EU-Beitritt der Türkei geglaubt habe, hat die Türken veranlasst, sich eher in Richtung des eurasischen Raums zu orientieren als nach Europa.

Bis Ende 2016 waren 872 chinesische Unternehmen in der Türkei tätig.  Die Gesamtinvestitionen beliefen sich auf  2,2 Milliarden US-Dollar. 70 Prozent der Investitionen erfolgten zwischen 2013 und 2016, sagte Präsident der World Association of Investment Promotion Agencies (WAIPA), Arda Ermut, der Zeitung Shanghai Daily.

Im vergangenen Jahr exportierte die Türkei Güter nach China im Wert von 2,119 Milliarden US-Dollar. Bei den Exportgütern handelte es sich insbesondere um Marmor, Chrom- und Metallprodukte, Bor und Kupfer. Im Gegenzug importierte das Land chinesische Güter im Wert von 17,154 Milliarden US-Dollar. Dabei handelte es sich insbesondere um elektronische Produkte, Transistoren, Maschinen und synthetische Fasern. Das geht aus einem Bericht des türkischen Wirtschaftsministeriums hervor.

Weiterhin wurden kurz nach Beginn des Syrien-Konflikts vier Abkommen zwischen der Türkei und China unterzeichnet. Am 21.02.2012 unterzeichneten das türkische Schatzamt und die China Development Bank (CDB) ein Kooperationsabkommen. Am selben Tag unterzeichneten die Notenbanken beider Staaten ein Swap-Abkommen. Die türkischen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden für das Bankwesen (BDDK) und die Bankenaufsichtsbehörde Chinas (CBRC) ein Abkommen, wonach beide Institutionen bei Konflikten in Übersee miteinander kooperieren sollen. Das letzte Abkommen wurde zwischen dem türkischen Landwirtschaftsministerium und dem chinesischen Amts für Qualitätskontrolle unterzeichnet. Bei diesem Abkommen geht es um Standards für den Import von türkischem Tabak nach China.

Im Jahr 2016 verabschiedete das türkische Parlament ein Gesetz, wonach der Ausbau des türkischen Eisenbahnnetzes im Rahmen der Neuen Seidenstraße forciert werden soll. In diesem Zusammenhang soll mit der China Railway (CR), der staatlichen chinesischen Eisenbahngesellschaft, kooperiert werden. Bis zum Jahr 2023 sollen Schienen für Schnellzüge von einer Länge von 12.000 Kilometer und 1.000 Kilometer an konventionellen Schienen gebaut werden. Bestehende Schienen von einer Länge von 4.400 Kilometer sollen saniert werden.

Am 4. November 2017 kam der erste Zug aus dem 4.200 km entfernten kasachischen Kokschetau über die Bahnstrecke Baku-Tiflis-Kars in der türkischen Stadt Mersin an. Der Güterzug bestand aus 32 Containern, womit 600 Tonnen Weizen transportiert wurden. Nach einem Bericht des englischsprachigen Dienstes von Reuters ist das Projekt eingebettet in die Neue Seidenstraße.

Ebubekir Sofuoğlu von der Sakarya-Universität sagte der Nachrichtenagentur Anadolu: “Zuvor hatte es vier bis acht Wochen gedauert, wenn Waren aus Peking nach London geliefert werden sollten. Künftig werden die Waren London innerhalb von zehn bis zwölf Tagen erreichen. Die schwerfälligen Schiffe sollen durch schnelle Züge ersetzt werden. Nach mehr als 500 Jahren wird die Neue Seidenstraße von Peking über Anatolien bis nach London verlaufen. Das wird der Türkei eine enorm wichtige globale Position verschaffen.”

China und Großbritannien

China kann auch einen überraschenden Partner vorweisen, der es insbesondere den Amerikanern schwermacht, den Westen als eine antichinesische Front zu halten: Großbritannien hat mit seiner Beteiligung an der chinesischen Weltbank-Konkurrenz AIIB gegen den ausdrücklichen Willen Washingtons unter Barack Obama ein klares Signal gesetzt: London will mit China groß ins Geschäft kommen und ist in diesem Bestreben ein Konkurrent der USA.

Im Januar besuchte die britischer Premierministerin Theresa May China. Nach dem Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sagte sie nach Angaben der Financial Times: “Wir haben darüber diskutiert, wie das Vereinigte Königreich und China weiterhin zusammenarbeiten werden, um zu ermitteln, wie wir am besten in Bezug auf die  Initiative der Neuen Seidenstraße in der Region zusammenarbeiten und sicherstellen können, dass sie internationalen Standards entspricht”. Es wurde zwar keine offizielle Absichtserklärung bezüglich der Mitwirkung Großbritanniens an der Neuen Seidenstraße unterschrieben, doch London ist daran interessiert, ein Freihandelsabkommen mit China abzuschließen.

“China ist ein Land, mit dem wir ein Handelsabkommen abschließen wollen (...) Aber ich denke, dass wir in der Zwischenzeit mehr tun können (...) in Bezug auf potenzielle Handelshemmnisse und die Öffnung von Märkten, um sicherzustellen, dass (...) britische Unternehmen in der Lage sind, einen guten Handel mit China zu betreiben”, zitiert der englischsprachige Dienst von Reuters May.

Der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit China würde es Großbritannien ermöglichen, einen direkten Zugang zu Projekten der Neuen Seidenstraße zu bekommen, ohne eine offizielle Beteiligung kundtun zu müssen. Die Barrieren für das Angebot von britischen Finanzdienstleistungen würden ebenfalls aufgehoben werden.

Philip Hammond, Schatzkanzler der May-Regierung, sagte im Mai 2017, dass Großbritannien "der natürliche Partner" Chinas im Rahmen des Projekts zur Schaffung einer neuen Seidenstraße sei. Die Initiative der Neuen Seidenstraße hat einen Wert von einer Billion Dollar. Die Aussage Hammonds zeige nach Angaben des Blatts The Telegraph, dass die Beziehungen zwischen London und Peking wieder auf dem richtigen weg seien, nachdem Theresa May im vergangenen Jahr das chinesisch-britisch-französische Akw-Projekt Hinkley Point C verschoben hatte.

In einer weiteren Analyse führt The Telegraph aus, dass Großbritannien eine zentrale Rolle beim Aufbau der Neuen Seidenstraße spielen und die Position von London als das Finanzzentrum der Welt nach dem Brexit zementieren werde. Sam Xu, Chef der China Transaction Banking bei Standard Chartered, ist der Ansicht, dass Großbritannien als Finanzdrehscheibe der Neuen Seidenstraße dienen werde. Die Initiative umfasse 65 Länder und 64 Prozent der Weltbevölkerung. Keine andere Stadt als London könne die benötigte Sachkenntnis und Finanzinfrastruktur für die Initiative bieten. "In Bezug auf globale Geldzentren gibt es nur London und New York.  Angesichts der geographischen Lage von New York im Vergleich zu London und weniger Leidenschaft der Amerikaner für das Projekt, wird Londons Expertise und die Infrastruktur dafür sorgen, dass Großbritannien eine sehr wichtige Rolle spielen wird", so Xu. Allerdings bedeutet dies auch, dass New York im Vergleich zu London als Finanzdrehscheibe nicht nur ins Hintertreffen geraten, sondern disqualifiziert werden könnte.

Im Jahr 2016 beliefen sich die britischen Exporte nach China auf 23,8 Milliarden US-Dollar. Die chinesischen Exporte nach Großbritannien lagen bei 59,9 Milliarden US-Dollar. China war der achtgrößte Exportmarkt Großbritanniens und die viertgrößte Importquelle. Das geht aus einem Dokument des britischen Unterhauses hervor.

Großbritannien und China planen, ein breit angelegtes Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Die britische Regierung wird nicht in der Lage sein, Verhandlungen aufzunehmen, bis die Brexit-Übergangszeit im März 2019 beginnt, führt der private US-Informationsdienst Stratfor in einer Analyse aus Doch sie bereitet sich bereits auf ein Post-Brexit-Handelsabkommen mit China vor. Die britische Premierministerin Theresa May besuchte  vom 31. Januar bis zum 31. Februar zusammen mit dem internationalen Handelsminister Liam Fox und einer Delegation von 50 britischen Wirtschaftsvertretern China.  Am ersten Tag der Reise traf May den chinesischen Premierminister Li Keqiang und am 1. Februar traf sie sich mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Während des gesamten Aufenthalts von May lag der Schwerpunkt auf den bilateralen Handelsbeziehungen liegen.

Aus chinesischer Sicht würde ein Post-Brexit London das Ziel von Peking untergraben, einen finanziellen Zugang zur EU zu erhalten, um möglicherweise die Entscheidungen der EU zu beeinflussen. Aber ein Großbritannien außerhalb der EU könnte auch die Beschränkungen für chinesische Handels- und Investitionspraktiken lockern, so Stratfor. Darüber hinaus könnte ein Freihandelsabkommen zwischen Peking und London eine dringend benötigte Unterstützung für Chinas Neue Seidenstraße bieten, auf die die westlichen Volkswirtschaften nur zögerlich reagiert haben. Währenddessen hat die britische Regierung den Wunsch geäußert, dass China in Großbritannien investiert und den Handel verstärkt.

 


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