In den USA bahnt sich eine Schuldenkrise der Bürger an. Während die Verbindlichkeiten in den Bereichen Kreditkarten, Autokredite und Studentenkredite seit Jahren steigen, kommt es nun erstmals zu einer deutlichen Zunahme der Ausfälle bei Kreditkarten, berichtet Bloomberg. Die Zinswende der Federal Reserve verstärkt das Problem.
„Wenn die Konsumenten zuversichtlich oder sogar extrem zuversichtlich sind, dann geraten sie mit ihren Kreditkartenschulden in Schwierigkeiten“, wird Todd Christensen, der Chef eines Beratungsbüros für Schulden in Boise, zitiert. Christensen berichtet, dass die Hilfsanfragen völlig überschuldeter Bürger in der jüngsten Vergangenheit merklich zugenommen haben.
Der Umfang ausstehender Kreditkartenschulden in den USA ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Lagen die Verbindlichkeiten im Jahr 2012 noch bei etwa 840 Milliarden Dollar, so stehen heute etwa 1,03 Billionen Dollar aus.
Insbesondere die Zentralbank Federal Reserve setzt die Bürger mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik unter Druck. Die schrittweise Erhöhung des Leitzinses (Fed Funds Rate) wirkt sich auf das allgemeine Zinsniveau und direkt auf viele Hypotheken oder Kredite mit variablen Zinssätzen aus. Je weiter die Fed die Normalisierung vorantreibt, desto mehr Zinsen müssen Schuldner für ihre ausstehenden Verbindlichkeiten bezahlen. Derzeit liegen die Leitzinsen in einem Korridor zwischen 1,5 und 1,75 Prozent. Ende 2015 lagen sie noch bei null Prozent.
„Für viele Familien sind steigende Kreditkartenzinsen das größte Problem. Diese Schulden sind typischerweise an die ‚Prime Rate‘ gekoppelt, welche wiederum direkt an die US-Leitzinsen angebunden sind. Wenn die Fed die Leitzinsen um einen Viertelpunkt erhöht, dann könnten die Zinsen für Kreditkartenschulden ein bis zwei Monate später in gleichen Umfang steigen“, schreibt Bloomberg.
Einer Umfrage des Consumer Financial Protection Bureaus zufolge zahlen nur 40 Prozent der Amerikaner ihre Kreditkarten vollständig am Ende eines Monats zurück. Eine Studie der Finra Investor Education Foundation aus dem Jahr 2016 kam zudem zu dem Schluss, dass nur 2 von 5 Amerikanern weniger ausgeben, als sie verdienen.
Neben den US-Leitzinsen ist der jüngste Anstieg der Libor-Referenzzinsen insbesondere für US-Unternehmen mit schlechter Kreditwürdigkeit riskant. Gerade viele mittelgroße und kleinere Unternehmen in den USA sind hoch verschuldet und können einen nachhaltigen Anstieg des Zinsniveaus nur schwer verkraften. Die französische Großbank Société Générale zeigte in einer kürzlich erschienenen Analyse, dass viele dieser Unternehmen in der Vergangenheit lieber eigene Aktien auf Kredit zurückgekauft hatten, als in das operative Geschäft zu investieren und nun hoch verschuldet sind.
Der Libor repräsentiert einen Durchschnittszins, zu dem sich Banken bereit sind, kurzfristig Geld zu leihen. Der Libor für dreimonatige Dollar-Ausleihungen ist in den vergangenen 12 Monaten von etwa 1 Prozent auf aktuell etwa 2,32 Prozent gestiegen.
Schätzungen zufolge hängen weltweit Derivategeschäfte, Spekulationen und Kredite im Gesamtwert von 350 Billionen Dollar direkt oder indirekt vom Kurs des Libor ab, schreibt Bloomberg.
Einer Studie der Federal Reserve zufolge stiegen die Schulden der US-Amerikaner im letzten Quartal 2017 mit etwa 5,2 Prozent so schnell wie zuletzt im Jahr 2007. Im Gesamtjahr 2017 stiegen die Schulden von Privathaushalten vergleichen mit dem Jahr 2016 um etwa 7,8 Prozent, Hypotheken nahmen um etwa 3 Prozent zu.
US-Notenbankchef Jerome Powell hat eine Fortsetzung des Kurses behutsamer Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, um die Inflation in Schach zu halten. Wie sich der eskalierende Handelsstreit der USA mit China auf die US-Konjunktur auswirken werde, lasse sich noch nicht abschätzen, sagte der Fed-Chef am Freitag auf einer Veranstaltung des Chicagoer Wirtschaftsclubs. Auf dem US-Arbeitsmarkt scheine Vollbeschäftigung nahezu erreicht. Zudem werde sich die Teuerung in den kommenden Monaten wohl in Richtung der Zielmarke von zwei Prozent bewegen. "So lange sich die Wirtschaft weitgehend auf ihrem aktuellen Pfad voranbewegt, werden weitere graduelle Anhebungen der Leitzinsen diese Ziele am besten befördern."
Powell zufolge hielten sich Risiken und Chancen für die Konjunkturaussichten derzeit in etwa die Waage. Zum Handelsstreit mit China sagte er im Anschluss an eine Rede, die Diskussionen über Zölle seien noch in einem relativ frühen Stadium. Kurzfristig seien noch keine Folgen zu erkennen. Denn weder sei der Umfang der tatsächlich dann umgesetzten Zölle bekannt, noch, falls es dazu komme, deren tatsächliche Wirkung. "Es ist wirklich zu früh, um das zu sagen."
US-Präsident Donald Trump hatte mit zusätzlichen Zöllen auf Importe aus China mit einem Handelsvolumen von 100 Milliarden Dollar gedroht. Die Regierung in Peking wiederum kündigte im Falle einer Umsetzung Gegenmaßnahmen an.
An den Finanzmärkten sorgt der Streit zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften für viel Nervosität. Der Dow-Jones-Index lag am Freitagabend kurz vor Handelsschluss knapp drei Prozent im Minus. Vor der Rede von Powell war das Minus geringer gewesen.
Die US-Notenbank war Ende 2015 auf einen Kurs der behutsamen Zinserhöhungen umgeschwenkt. Zuletzt hatte sie im März ihren Leitzins um einen Viertelpunkt auf 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben. Zugleich signalisierten die Währungshüter damals, dass sie den Leitsatz dieses Jahr noch zwei Mal anheben wollen. Dies wird derzeit auch an den Börsen erwartet.
Die US-Notenbank hat neben einer Inflation von zwei Prozent auch Vollbeschäftigung zum Ziel. Im März lag die Arbeitslosenquote bereits den sechsten Monat in Folge bei 4,1 Prozent. Damit ist die Fed ihrem Ziel ganz nahe. Bei der Inflation achtet die Notenbank vor allem auf Preisveränderungen bei den persönlichen Ausgaben der Bürger, wobei Energie- und Nahrungsmittel ausgeklammert werden. Dieser Wert lag im Februar bei 1,6 Prozent. Das war das höchste Niveau seit Februar 2017.