Weltwirtschaft

Zweifel am Unternehmens-Wert von Saudi Aramco nehmen zu

Lesezeit: 3 min
21.04.2018 19:41
Die Zweifel am Unternehmenswert der staatlichen saudischen Erdölfördergesellschaft Aramco nehmen vor dem geplanten Börsengang zu.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die staatliche saudische Erdölgesellschaft Aramco gibt ihren Handelswert mit zwei Billionen US-Dollar (rund 1,6 Billionen Euro) an. Bestimmt hat es den Unternehmenswert selbst. Finanzanalysten bezweifeln die Zahlen und sehen den Erfolg für Aramcos angestrebten Börsengang im kommenden Jahr gefährdet. Das Staatsunternehmen hat seit Jahren keine Geschäftsberichte und Jahresbilanzen veröffentlicht, berichtet Oilprice.com. Im internationalen Vergleich liegt Aramco mit seinen tatsächlich erzielten Umsätzen bislang unter dem Niveau seiner Konkurrenten.

Voraussichtlich 2019 will die saudi-arabische Erdölfördergesellschaft an den internationalen Aktienmarkt gehen. Den ursprünglich für den Herbst geplanten Termin musste Aramco kurzfristig verschieben. Der Grund: Bislang fehlen noch verlässliche Unternehmenskennzahlen, die eine finanzielle Bewertung des Unternehmens ermöglichen, Geschäftsbereiche und Handelsbilanzen musste das Unternehmen des Königshauses nie der Öffentlichkeit vorlegen.

Mit seinem Börsengang will es rund fünf Prozent seiner Unternehmensanteile verkaufen und im Gegenzug frisches Kapital generieren – genutzt werden sollen die Aktien als Finanzierungsinstrument. Eine erste öffentliche Anbieterbewertung soll nun im kommenden Frühjahr erfolgen. Den für eine anschließende Börsennotierung erforderlichen Unternehmenswert hat Aramco mit rund 1,6 Billiarden Euro angegeben.

Das staatliche Unternehmen ist die weltweit größte Erdölfördergesellschaft. Ihre tägliche Fördermenge beträgt rund drei Millionen Barrel (ein Barrel sind 159 Liter).  Aramco ist im Besitz des größten Ölfeldes der Erde, Ghawar. Circa 1,775 Millionen Barrel werden dort täglich verbraucht.

Notwendig für die Berechnung eines wirtschaftlich reellen Unternehmenswertes sind neben Standort-, Image- und Innovationsfaktoren die Berücksichtigung von Jahresumsatz, Nettogewinnentwicklung und Umsatzprognosen.

Laut Bloomberg hat Aramco im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres einen Nettogewinn von rund 27,6 Milliarden Euro erzielt – so viel wie der Reingewinn seiner Konkurrenten Exxon, Shell, Chevron, Total und BP insgesamt. Die fünf Erdölförderer gelten neben Aramco als die größten Konzerne in der Branche.

Die Produktionskosten lagen bei Aramco für den Zeitraum bei unter drei Euro pro gefördertem Barrel Öl; bei Shell und Exxon beliefen sie sich auf rund 16 Euro pro Barrel.

Die Umsätze anhand der Fördermengen waren jedoch bei Aramco relativ gering. Im ersten Halbjahr 2017 generierte es Verkäufe von rund 42,1 Milliarden Euro. Die niederländische Shell setzte im selben Zeitraum Erdöl im Wert von 16,8 Milliarden Euro bei einer Fördermenge um, die nur ein Viertel derer Aramcos beträgt.

Der Grund für Aramcos relative Umsatz-Ineffizienz: Das saudische Steuerrecht sieht für Unternehmen mit derartigen Nettogewinnen einen Umsatzsteuersatz von 50 Prozent vor. Zudem unterliegt Aramco mit seiner Förderung hohen saudischen Zwangsabgaben, die seit Januar vergangenen Jahres an den Verkaufspreis für Erdöl gebunden sind. Erlassen wurden sie durch das saudische Königshaus, welches durch die Neuerung die bis dahin jahrzehntelange Regelung einer fixen Abgabe in Höhe von 20 Prozent der Ölumsätze ablöste.

Nach der Neuerung sind saudische Erdölförderer zu einer Umsatz-Zwangsabgabe in Höhe von 20 Prozent verpflichtet, wenn der Preis pro Barrel Rohöl einen Wert von 70 US-Dollar (rund 56,50 Euro) nicht übersteigt. Doppelt so hoch ist die Zwangsabgabe, wenn der Verkaufspreis zwischen 70 und 100 US-Dollar (83,83 Euro) liegt, 50 Prozent betragen die Abgaben bei einem Verkaufspreis von über 100 US-Dollar pro gefördertem Barrel Öl.

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht bewirken die Zwangsabgaben eine Senkung der Nettogewinne – bei einem Börsengang drohen Aktionären relativ niedrige Gewinnausschüttungen, ganz gleich wie sich der Erdölpreis entwickelt. Gleichzeitig garantieren die Abgaben dem saudischen Staat konstante Einnahmen aus der Erdölförderung – diese ist bislang die einzig verlässliche Einnahmequelle für das Königreich.

Im Jahr 2014 erwirtschaftete Saudi-Arabien rund 50 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes mit dem Verkauf fossiler Energie, 83,3 Prozent der Exporte waren Erdölprodukte. Die tägliche Fördermenge des Landes beträgt rund 10 Millionen Barrel Rohöl; mit seiner jährlichen Förderung von rund 509 Millionen Barrel stellt das Land rund 10 Prozent des weltweit benötigten Öls.

Im Jahr 2017 betrug das Bruttoinlandsprodukt Saudi Arabiens rund 548 Milliarden Euro, die Exporte beliefen sich auf rund 176 Milliarden Euro. Wichtigstes Exportland war China, 13,6 Prozent der saudischen Warenausfuhren gingen dorthin, die Exporte für den US-Markt beliefen sich auf 9,8 Prozent.

Nach Ansicht von Finanzanalysten ist die unternehmerische Bewertung Aramcos mit einem Preis von 1,1 Billionen US-Dollar (0,8 Billionen Euro) wahrscheinlicher. Diese Annahme beruht auf gleichbleibenden Steuern und Zwangsabgaben, einer konstanten Ölfördermenge ähnlich der vergangenen Jahre und einem durchschnittlichen Ölpreis von 60 US-Dollar (48,49 Euro) pro Barrel. Ein Unternehmenswert von 1,5 Billionen US-Dollar (1,2 Billionen Euro) könnte nur bei einem dauerhaften Preisanstieg auf 93 US-Dollar (75,17 Euro) pro Barrel Öl rechnerisch erreicht werden, ein Wert von zwei Billionen US-Dollar nur bei einer konstanten Verteuerung auf 120 US-Dollar (97 Euro) pro Barrel.

Aktuell wird das Barrel Öl für Preise zwischen 68 und 71 Euro gehandelt. Preise über 100 Euro wurden zuletzt zwischen Dezember 2010 und Oktober 2013 gezahlt. Aufgrund des zunehmenden weltweiten Umstiegs auf alternative Energieformen ist eine langfristige Erdölverteuerung selbst in Folge weiterer Förderkürzungen, über die Drosselung auf derzeit 33 Millionen Barrel täglich hinaus, in den OPEC-Staaten unwahrscheinlich.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands Exporte: Rückgang auf wichtigen Weltmärkten
13.12.2024

Der deutsche Export verliert an Schwung: Im Oktober schrumpften die Ausfuhren deutlich, vor allem in die USA und China. Hohe Energiekosten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Institut: Ausbildungsmarkt in Deutschland stagniert
13.12.2024

Der Ausbildungsmarkt steht still: Trotz wachsender Bewerberzahlen stagniert die Zahl der neuen Ausbildungsverträge. Unternehmen und...

DWN
Politik
Politik Polen: keine Soldaten in die Ukraine
13.12.2024

Polens Premier Donald Tusk stellt sich gegen die Idee, Soldaten in die Ukraine zu schicken. Zu groß seien die Belastungen durch den Krieg...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trump und die deutschen Exporte: Auswirkungen hoher Zölle auf die Automobilindustrie
13.12.2024

Trump wird wieder Präsident und kündigt an, die europäischen Waren mit Zöllen zu belegen - ein weiterer Horror für die deutsche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gelingt im VW-Tarifstreit eine Einigung vor Weihnachten?
12.12.2024

Im Tarifstreit bei VW liegen die Positionen noch weit auseinander. Bringt ein Verhandlungsmarathon kommende Woche nun den Durchbruch?

DWN
Unternehmen
Unternehmen ifo-Umfrage: Keine Trendwende für Selbstständige in Sicht - Wirtschaftskrise und Auftragsmangel bedrohen Existenz
12.12.2024

Viele Soloselbstständige und Kleinstunternehmen starten mit finanziellen Sorgen ins neue Jahr. Mehr als ein Drittel plant, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Mezzanine-Blase: Wie fragwürdige Immobilien-Finanzierungen für Pensionskassen und Versorgungswerke zur Gefahr werden
12.12.2024

Wenn Apotheker, Anwälte und Ärzte ihre Altersvorsorge organisieren, fließen regelmäßig Milliarden in fragwürdige Immobilienprojekte....

DWN
Finanzen
Finanzen Europas schwächelnde Konjunktur: EZB senkt Zinsen erneut
12.12.2024

Die Sorgen um die Wirtschaft im Euroraum haben zugenommen. Niedrigere Zinsen könnten die Konjunktur ankurbeln. Volkswirte gehen davon aus,...