Aussagen von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger über die Wahlen in Italien haben in Rom und Brüssel für Wirbel gesorgt. Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerten sich am Dienstag kritisch dazu. "Ich rufe alle EU-Institutionen auf, bitte den Willen der Wähler zu respektieren. Wir sind da, um ihnen zu dienen, nicht um sie zu belehren", sagte Tusk. Juncker bat um Respekt. Italien gehöre zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Union und habe einen großen Beitrag geleistet, "unabhängig davon welche Partei an der Macht ist". Später entschuldigte sich Oettinger. Er respektiere den Willen der linken, rechten oder gemäßigten Wähler in jedem Land, schrieb er in einer Erklärung. "Ich wollte nicht respektlos sein und ich entschuldige mich dafür."
In dem Interview mit der vom Bundeskanzleramt beaufsichtigten staatlichen Deutschen Welle hatte Oettinger auf die Unruhe an den Finanzmärkten mit Blick auf die politische Lage in Italien verwiesen. "Ich kann nur hoffen, dass dies im Wahlkampf eine Rolle spielt im Sinne eines Signals, Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen", sagte er.
Eine Twitter-Botschaft des Interviewers aus Brüssel, die später gelöscht und durch ein korrektes Zitat ersetzt wurde, gab Oettingers Äußerungen zunächst allerdings so wieder: "Die Märkte werden die Italiener lehren, das Richtige zu wählen." Der Journalist der Deutschen Welle entschuldigte sich derweil für seine Twitter-Botschaft. "Ich habe den Kommissar falsch zitiert", schrieb er. Er habe versuchen wollen, Oettingers Äußerungen knapp zusammenzufassen. "Ich entschuldige mich für die Konfusion und den Fehler."
Oettinger teilte diese Botschaft auf seinem Twitter-Konto. Zunächst hatte er allerdings auch die Kurz-Fassung des Journalisten weiterverbreitet.
In der italienischen Politik löste dies einen Sturm der Entrüstung aus.
Der Chef der Lega, Matteo Salvini, forderte Oettingers Rücktritt "noch an diesem Nachmittag". Auf Twitter schrieb er: "Brüssel kennt wirklich keine Scham." Der "Deutsche Oettinger" drohe den Italienern mit den Finanzmärkten. "Ich habe keine Angst", ergänzte Salvini.
Auch von den Sozialdemokraten kam Kritik an Oettinger. "Niemand soll den Italienern sagen, wie sie wählen sollen – erst recht nicht die Finanzmärkte", erklärte der PD-Generalsekretär Maurizio Martina.
Die Zukunft Italiens liege nicht in den Händen der Finanzmärkte, sagte Juncker. Die politische Krise in dem südeuropäischen Land hat die Börsen in Aufruhr versetzt. Die Märkte fürchten bei Neuwahlen eine Zerreißprobe für die Euro-Zone. Parteikreisen zufolge steht die Übergangsregierung wieder infrage. Der designierte Ministerpräsident Carlo Cottarelli erwägt laut Insidern, auf die Bildung einer Übergangsregierung zu verzichten. Damit würde er den Weg zu Neuwahlen am 29. Juli ebnen. Wie aus Präsidialamtskreisen verlautete, erwähnte Cottarelli eine Mandatsaufgabe bei seinem Treffen mit Präsident Sergio Mattarella nicht. Eine erneute Zusammenkunft der beiden ist für Mittwoch angesetzt.
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