Politik

Macron will geschlossene Lager für Flüchtlinge in der EU

Frankreich und Spanien wollen geschlossene Lager für Flüchtlinge in der ganzen EU errichten.
24.06.2018 01:29
Lesezeit: 2 min

Vor dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik haben sich Frankreich und Spanien für die Einrichtung geschlossener Aufnahmelager auf dem Boden der Europäischen Union ausgesprochen. Seien die Flüchtlinge einmal in der EU angekommen, sollten sie "in geschlossenen Zentren" untergebracht werden, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron am Samstag nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in Paris. Italiens Innenminister Matteo Salvini wies den Plan umgehend zurück.

Gemeinsam mit Sánchez und nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertretern weiterer EU-Staaten werde er den Vorschlag der Aufnahmezentren innerhalb der EU am Sonntag beim Sondergipfel vorlegen, sagte Macron. Die Zentren sollten mit EU-Mitteln betrieben werden und seien eine "kooperative und im Einklang mit dem Recht stehende Lösung". Sie ermöglichten eine "sofortige finanzielle Solidarität" und eine rasche Überprüfung der Asylanträge. Entstehen sollen sie in den Hauptankunftsländern - also derzeit vor allem Italien, aber auch in Spanien.

Aus Rom kam umgehend harsche Kritik an dem Vorschlag. "Wenn die französische Arroganz denkt, dass sie Italien in ein Flüchtlingslager für ganz Europa verwandeln kann, vielleicht indem man ein paar Euro Trinkgeld verteilt, dann irrt sie sich gewaltig", erklärte Innenminister Salvini von der Lega-Partei. Er forderte stattdessen Frankreichs Präsidenten auf, "die vielen französischen Häfen" für Flüchtlingsschiffe zu öffnen und Flüchtlinge nicht länger an der Grenze zu Italien zurückzuweisen.

In der EU gibt es bislang keine obligatorischen Zentren zur Aufnahme neu angekommener Flüchtlinge. In Griechenland gibt es einige "Hotspots" auf Ägäis-Inseln. Aus Italien können Flüchtlinge dagegen bislang häufig ohne vorherige Registrierung in andere EU-Länder weiterreisen.

Der französisch-spanische Vorschlag sieht nach den Worten der französischen Europaministerin Nathalie Loiseau vor, dass offensichtlich schutzbedürftige Flüchtlinge bereits während der Bearbeitung ihres Falles aus den Aufnahmezentren auf andere EU-Staaten verteilt werden, die sich zu ihrer Aufnahme bereit erklären. Nicht asylberechtigte Flüchtlinge sollten auf EU-Kosten in ihre Heimatländer zurückgebracht werden.

Macron sprach sich gegen den unter anderem von Österreich unterstützten Vorschlag aus, Auffanglager für Flüchtlinge in Ländern außerhalb der EU zu bauen. Dieser Vorschlag sei inakzeptabel, weil er die europäischen Werte und Grundrechte und das Recht auf Asyl verletze, betonte der französische Präsident.

Der französische Präsident sprach sich für finanzielle Sanktionen gegen Staaten aus, die die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern. "Es kann nicht sein, dass Länder, die deutlich von der Solidarität der EU profitieren, auf ihre nationalen Egoismen verweisen, sobald es um Einwanderungsthemen geht", betonte er.

Am Sonntag treffen sich in Brüssel Vertreter von 16 EU-Staaten, um über den Umgang mit Flüchtlingen zu beraten. Der informelle Sondergipfel gilt als entscheidender Termin, um vor dem EU-Gipfel kommende Woche zu einer gemeinsamen Linie zu finden.

Besonders wichtig ist das Treffen für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Ihr Koalitionspartner CSU will bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge schon an der Grenze zurückweisen und ist dafür auch zu nationalen Alleingängen bereit. Merkel will eine europäisch abgestimmte Lösung und für die Rückführung von Flüchtlingen zumindest bilaterale Vereinbarungen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI frisst Jobs: Beginnt jetzt der Niedergang der IT-Branche?
12.06.2025

Rekordgewinne, aber Stellenabbau: In der IT-Branche ersetzt KI längst ganze Entwicklerteams. Ist das Ende des klassischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas verlorene Generation: Millionen Absolventen – kein Ausweg in Sicht
11.06.2025

Chinas Elite drängt auf den Arbeitsmarkt – und trifft auf geschlossene Türen. Millionen junge Akademiker rutschen ab. Droht dem Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie mit Jahreshoch: Kaufempfehlungen treiben Aktienkurs – was Anleger jetzt wissen müssen
11.06.2025

Die Bayer-Aktie erlebt ein überraschendes Comeback nach Jahren der Talfahrt. Kaufempfehlungen häufen sich und die Bayer-Aktie klettert am...

DWN
Politik
Politik Proteste und Euro-Angst: Bulgarien am Scheideweg
11.06.2025

Bulgarien steht kurz davor, das 21. Mitglied der Eurozone zu werden. Die Einführung der Gemeinschaftswährung könnte bereits Anfang 2026...

DWN
Technologie
Technologie Jedes siebte Unternehmen bereits Opfer von Hackern
11.06.2025

Cyberkriminelle erpressen Firmen, stehlen sensible Daten oder legen Netzwerke lahm. Fachleute beobachten eine Zunahme. Die Täter setzen...

DWN
Politik
Politik SPD Russland-Manifest spaltet Bundesregierung und Sozialdemokraten kurz vor Parteitag
11.06.2025

Ein "SPD Russland-Manifest" entfacht neue Debatten in Berlin: Zahlreiche Sozialdemokraten fordern einen außenpolitischen Kurswechsel –...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Squeeze: EZB warnt – droht ein Kollaps am Goldmarkt?
11.06.2025

Die Europäische Zentralbank warnt vor einem sogenannten Goldpreis-Squeeze, der globale Finanzmärkte ins Wanken bringen könnte. Was...

DWN
Politik
Politik Deutschlands Außenhandel: Warum Russland wirtschaftlich kaum noch zählt
11.06.2025

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Deutschlands Außenhandel tiefgreifend verändert. Die Importe aus Russland sind fast...