Nach dem voraussichtlichen Abgang von Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger haben die Arbeitnehmervertreter vor einem Ausverkauf des Mischkonzerns gewarnt. "Ich sehe die Gefahr, dass der Rest des Konzerns heuschreckenartig zerschlagen wird", sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath am Donnerstagabend der Nachrichtenagentur Reuters. "Das darf nicht passieren." Er bedauere die Entscheidung Hiesingers. Dieser habe früh die finanzielle Situation des Konzerns erkannt. "Er war der Architekt des Stahl-Joint-Ventures."
Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern habe Hiesinger bei dem Gemeinschaftsunternehmen mit Tata Steel erreicht, dass dies einer industriellen Logik folgt, Beschäftigung und Standorte sichert und die Stahlproduktion in Deutschland eine Zukunft habe. "Ich hätte mir gewünscht, dass Hiesinger auch die künftige Strategie des Konzerns anpackt."
Hiesinger wirft unter dem Druck einer wachsenden Kritik von Investoren das Handtuch. Er habe den Aufsichtsrat um Gespräche zur einvernehmlichen Auflösung seines Mandats als Vorsitzender des Vorstands gebeten, teilte der Essener Konzern am Donnerstagabend mit. Das Kontrollgremium werde am Freitag zusammenkommen, um darüber zu entscheiden. Der 58-Jährige steht seit Anfang 2011 an der Spitze des Konzerns und hat noch einen Vetrag bis 2020. Großaktionär Cevian, der US-Hedgefonds Elliott und weitere Investoren hatten den Manager vorgeworfen, den Umbau des Konzerns nur unzureichend voranzutreiben.
"Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion im Aufsichtsrat über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen", erklärte Hiesinger. "Ein gemeinsames Verständnis von Vorstand und Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung", fügte er hinzu. Insidern zufolge stand zuletzt auch der Aufsichtsrat nicht mehr geschlossen hinter ihm. Eine für kommende Woche geplante Strategieschärfung drohte zum Rohrkrepierer zu werden.
"Ohne Heinrich Hiesinger würde es Thyssenkrupp nicht mehr geben", erklärte Aufsichtsratschef Ulrich Lehner, der bis zuletzt als eine Art Schutzpatron von Hiesinger galt. Hiesinger war 2010 von Siemens zu dem Mischkonzern ins Ruhrgebiet gewechselt. Unter seiner Führung schaffte der Konzern es, nach dem milliardenschweren Desaster im amerikanischen Stahlgeschäft wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Zuletzt hatte der aus einer Bauernfamilie stammende Manager wenig Fortune. Sein als Befreiungsschlag gedachtes Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel dauerte über zwei Jahre, ehe es zustande vor wenigen Tagen zustande kam. Am Markt löste dies keine Begeisterung aus. Die Gespräche am Freitag im Aufsichtsrat dürften daher reine Formsache sein.