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Seehofer attackiert die EU wegen harter Haltung bei Brexit

Lesezeit: 2 min
06.07.2018 02:07
Bundesinnenminister Seehofer hat die EU wegen ihrer harten Brexit-Haltung attackiert. Pikant: Bundeskanzlerin Merkel war über die Intervention offenbar nicht informiert.
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Bundesinnenminister Seehofer hat die EU wegen ihrer harten Haltung im Brexit attackiert. Pikant: Die Attacke ist offenbar nicht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt worden. Merkel versucht, mit der EU beim Brexit eng zu kooperieren, um eine Spaltung der Mitgliedsstaaten zu vermeiden.

Seehofer hat in einem Brief an die EU-Kommission laut Financial Times gewarnt, die EU würde die Leben der eigenen Bürger gefährden, wenn es nicht gelinge, ein "unbegrenztes Sicherheitsabkommen" mit Großbritannien zu schließen.

Seehofer schrieb demnach, dass "die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger in Europa Vorrang vor allen anderen Aspekten der Ausstiegsverhandlungen haben sollte". In seinem Brief heißt es laut FT: "Eine Schwächung der europäischen Sicherheitsarchitektur würde alle EU-Bürger betreffen und ihr grundlegendes Sicherheitsbedürfnis unterminieren. Die allgegenwärtige Bedrohung durch den grenzüberschreitenden Terrorismus zeigt die Notwendigkeit einer uneingeschränkten Zusammenarbeit in der Zukunft."

Das Schreiben von Seehofer sei nicht mit dem Kanzleramt oder einem anderen deutschen Ministerium abgestimmt worden, sagten anonyme Quellen der FT. Eine Sprecherin der Bundesregierung lehnte eine Stellungnahme zum Thema "Korrespondenz zwischen dem Innenministerium und der EU" ab.

Seehofers Position über die zukünftige Sicherheitsbeziehung mit Großbritannien werden unter den anderen EU-Chefs nicht geteilt. Michel Barnier, der Verhandlungsführer der EU für den Brexit, hat die Notwendigkeit von "Realismus" in Bezug auf die Sicherheitsbeziehungen nach dem Brexit betont, in dem anerkannt wird, "was nicht mehr möglich sein wird". Insbesondere hat er den uneingeschränkten Zugang zu EU-Datenbanken, die für Sicherheit, Polizeiarbeit und Grenzkontrollen genutzt werden, ausgeschlossen, wenn Großbritannien seine bestehenden roten Linien aufrechterhält. Seine Position wird von Frankreich unterstützt.

Seehofer drängt dagegen darauf, dass Großbritannien nach dem Brexit weiterhin vollen Zugang zu Datenbanken hat. Dies betrifft das Schengener Informationssystem für die Grenzkontrolle, die Fluggastdatensätze für Flüge, Europol für die Polizeiarbeit und das Strafregister Ecris der EU. Seehofer schreibt: "Es ist offensichtlich, dass das Vereinigte Königreich nach seinem Rückzug nicht mehr Mitglied der Union sein wird, aber das darf nicht zu weniger Sicherheit für unsere Bürger führen." Er forderte, dass die "umfassende Sicherheitspartnerschaft mit dem Vereinigten Königreich die gesamte EU-Sicherheitsarchitektur" umfassen müsse. Andernfalls "müssten wir in Deutschland ohne eine neue Grundlage für eine Sicherheitspartnerschaft alle britischen Daten aus unseren Datenbanken löschen. Einmal getroffen, ist eine solche Entscheidung im Wesentlichen irreversibel."

In London wurde der Brief, der auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung Seehofers mit Merkel geschrieben wurde, mit Genugtuung aufgenommen. Es sei Premierministerin Theresa May damit erstmals gelungen, die einheitliche Front der EU bei den Verhandlungen zu durchbrechen. Im Fall des Datenaustauschs hatten sich laut FT sogar die Geheimdienstchefs eingeschaltet, um auf die angebliche Sicherheitsgefährdung aufmerksam zu machen. May hatte auf dem EU-Gipfel fast wortgleich wie Seehofer davor gewarnt, dass das Leben der EU-Bürger und der Briten bedroht sei, wenn es keine umfassende Zusammenarbeit bei Sicherheit und Überwachung gäbe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die britische Premierministerin Theresa May am Donnerstag in Berlin empfangen, um mit ihr über weitere Fortschritte bei den Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zu sprechen. Anders als Seehofer hielt sich Merkel offiziell in der Frage der Geheimdienstzusammenarbeit bedeckt.  Sie sagte laut Pressemitteilung: "Ich möchte, dass Großbritannien und Deutschland sich auch in Zukunft eng verbunden bleiben." Bei der Außen- und Sicherheitspolitik werde das ganz sicher so sein, in anderen Fragen müsse man noch sehen, wie die britischen Vorstellungen seien.

Zwar bedauerte die Kanzlerin den Austritt, dennoch erreichten die Verhandlungen jetzt "eine entscheidende Phase", so Merkel. "Da die Zeit drängt und wir den politischen Rahmen bereits im Oktober geklärt haben müssen, ist jetzt auch sehr wichtig, was die britische Regierung in den nächsten Tagen entscheiden wird."

Die Premierministerin kündigte an, am Freitag mit ihrem Kabinett über den weiteren Weg des Austrittsprozesses zu diskutieren und den Prozess entscheidend voranzubringen. Sie bedankte sich bei Deutschland für die Unterstützung in den vergangenen Wochen.

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