Deutschland

Daimler sichert sich Kreditlinie in Milliardenhöhe

Lesezeit: 3 min
24.07.2018 17:10
Daimler hat sich eine Kreditlinie über 11 Milliarden Euro gesichert. Die Aussichten trüben sich ein.
Daimler sichert sich Kreditlinie in Milliardenhöhe

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Daimler hat sich eine neue Kreditlinie über elf Milliarden Euro gesichert. Die Finanzierung habe eine Laufzeit von fünf Jahren mit Verlängerungsoptionen und löse eine bestehende Kreditlinie über neun Milliarden Euro vorzeitig ab, teilte der Autobauer am Dienstag mit. „Sie gewährt dem Unternehmen damit finanzielle Flexibilität bis zum Jahr 2025“, hieß es weiter.

Trotz des höheren Volumens sei die Provision für die mehr als 40 beteiligten Banken dank des günstigen Kreditumfelds und der Bonität des Konzerns niedriger als bisher. Das Volumen sei deutlich überzeichnet gewesen. Daimler habe sich damit „ein langfristiges Liquiditätspolster geschaffen“, erklärte Finanzchef Bodo Uebber.

Der Autobauer muss Milliardeninvestitionen stemmen in autonomes Fahren, neue Elektroautos und digitale Services. Zugleich brauen sich durch den von den USA angezettelten globalen Handelskonflikt düstere Wolken über der Autoindustrie zusammen, bestehende und noch drohende Einfuhrzölle könnten die exportabhängige Branche empfindlich treffen. Daimler erklärte weiter, es sei allerdings nicht geplant, den Finanzrahmen in Anspruch zu nehmen.

Gestern wurde bekannt, dass Daimler offenbar mit einem rückläufigen Gewinn rechnet.  Gewinnwarnung, Diesel-Rückruf und dann auch noch der erste monatliche Pkw-Absatzrückgang seit mehr als fünf Jahren - die Aussichten für den Konzern verdüstern sich seit Monaten. Für das zweite Quartal wird der Autobauer daher am Donnerstag voraussichtlich einen Gewinneinbruch vermelden, denn obendrein belasten mehrere Sonderfaktoren.

Nach einer Reuters-Umfrage rechnen Experten bei einem Umsatz von gut 42 Milliarden Euro mit einem Rückgang des Vorsteuerergebnisses um mehr als 25 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 2,77 Milliarden Euro. Noch hoffen einige Analysten, dass der Weltmarktführer für Premiumautos im zweiten Halbjahr aufholen kann, und es bei dem inzwischen erwarteten „leichten“ Rückgang des Betriebsgewinns bleibt. Das hänge aber vor allem davon ab, ob US-Präsident Donald Trump die angedrohten Sonderzölle auf Autos aus Europa fallenlässt.

„Importzölle sind die größte Bedrohung für die Gewinne der gesamten Branche, auch wenn deren Einführung noch sehr unsicher ist“, heißt es etwa in einer Analyse der Investmentbank Jefferies. Trump hat wegen des riesigen Defizits seines Landes im Handel mit China und der EU einen weltweiten Handelskonflikt entfacht. Die USA verhängten bereits höhere Zölle auf Stahl und Aluminium - die Volksrepublik und die EU konterten mit vergleichbaren Maßnahmen.

Deutsche Marken wie Mercedes oder BMW auf den Straßen in Amerika sind dem Präsidenten besonders ein Dorn im Auge. Daher lässt er untersuchen, ob er bei Autoimporten nicht auch europäische Fahrzeuge mit einem Einfuhrzoll von 20 Prozent belegen könnte. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will bei einem Besuch am Mittwoch in Washington versuchen, den Republikaner davon abzubringen.

Der Streit trifft Mercedes-Benz und BMW schon jetzt, denn China erhebt auf Importe aus den USA seit Anfang Juli 40 Prozent Einfuhrzoll. Die von Daimler in den USA produzierten Geländewagen Mercedes GLE und GLS werden deshalb in China weniger Gewinn einfahren als bisher, denn die Schwaben können nach Einschätzung von Analysten den Zoll nicht auf die Kunden abwälzen, wenn sie den Absatz auf ihrem wichtigsten Einzelmarkt nicht auch noch schrumpfen lassen wollen. Der US-China-Zoll war deshalb einer der Gründe dafür, dass der Dax-Konzern im Gesamtjahr mit einem leichten Gewinnrückgang, also um fünf bis zehn Prozent, rechnet statt mit einem leichten Anstieg.

Gravierender noch würden sich höhere Handelshürden der USA und etwaige Vergeltungsmaßnahmen der EU auswirken. Zahlen zum Fahrzeugaustausch zwischen den Weltregionen veröffentlicht Daimler nicht. Aber Christian Ludwig, Autoexperte vom Bankhaus Lampe, schätzt, dass im vergangenen Jahr die Marke mit dem Stern rund 220.000 Fahrzeuge - so zum Beispiel die besonders profitable Luxuslimousine S-Klasse - in die Vereinigten Staaten lieferte. In Branchenkreisen heißt es, eine derartige Eskalation des Handelsstreits könnte die deutschen Autobauer zu Produktionsverlagerungen in die USA und letztlich zum Arbeitsplatzabbau in Deutschland zwingen.

Dieses Risiko komme bei allen Autokonzernen noch zu den schärferen Klimaschutzauflagen in Europa, dem zu stemmenden Technologiesprung zu elektrischem, autonomen Fahren und einer zunehmend feindlichen politischen Einstellung gegenüber der Autoindustrie in Deutschland wegen des Dieselskandals hinzu, erklärt Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. „Das ist ein Cocktail, der einem garantiert einen bösen Kater einbrockt.“ So wurde Daimlerkürzlich zum Rückruf von 774.000 Mercedes-Pkw verdonnert wegen einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ bei der Abgasreinigung.

Das abgelaufene Quartal ist bei Daimler außerdem mit Sonderbelastungen in Höhe von schätzungsweise zusammen 800 Millionen bis eine Milliarde Euro gespickt. Der dickste Brocken von bis zu 600 Millionen entfällt auf die Kosten für die Einigung von Daimler und Deutscher Telekom mit der Bundesregierung über den verzögerten Start des Autobahnmautsystems Toll Collect. Die im Juli eingeführte Importzollsenkung Chinas gegenüber Europa um zehn Prozentpunkte führt zu einer geringeren Bewertung der noch unverkauften, eingeführten Pkw dort. Denn die Ankündigung des Schrittes Ende Mai ließ Autokäufer zögern oder sofort niedrigere Preise fordern. In den USA kam es außerdem bei einem Autozulieferer zu einem Brand, was bei Mercedes und fast allen anderen großen Herstellern einen Lieferstopp zur Folge hatte. Dies führten die Schwaben auch als Grund dafür an, dass im Juni zum ersten Mal nach 63 Monaten der Pkw-Absatz sank, und zwar um 2,6 Prozent.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...