Finanzen

Anleger fliehen aus der türkischen Lira

Der Kurs der türkischen Landeswährung Lira bricht weiter massiv ein.
10.08.2018 09:55
Lesezeit: 2 min

Dramatischer Tiefpunkt für die türkische Lira: Die türkische Währung verlor am Freitagmorgen vorübergehend zwölf Prozent ihres Werts und erreichte erstmals die Marke von sechs Lira zum Dollar. Während die Sorgen über die Auswirkungen auf die europäischen Banken stiegen, kündigte Finanzminister Berat Albayrak die Präsentation eines "neuen Wirtschaftsmodells" an.

Nachdem die Lira in den vergangenen Wochen bereits massiv an Wert verloren hatte, stürzte sie in der Nacht zum Freitag um weitere zwölf Prozent ab und notierte zwischenzeitlich bei 6,25 zum Dollar. Am Morgen erholte sie sich zwar wieder etwas, blieb aber bei 5,92 zum Dollar. Um den Euro stand es kaum besser: Nach einer Spitze bei 7,14 am frühen Morgen wurde die europäische Währung am Vormittag zu 6,80 gehandelt.

Die Lira hat damit seit Jahresbeginn mehr als ein Drittel ihres Werts verloren. Getrieben wird die Talfahrt durch die erneute Attraktivität des Dollars, die Investitionen in Ländern wie der Türkei weniger attraktiv macht. Auch wirken sich die neuen US-Sanktionen gegen den Iran negativ aus, mit dem die Türkei wirtschaftlich eng verbunden ist. Hinzu kommen aber auch Sorgen um die türkische Währungs- und Wirtschaftspolitik sowie außenpolitische Spannungen.

Besonders der Streit mit den USA um den in der Türkei inhaftierten US-Pastor Andrew Brunson beunruhigt die Märkte. US-Präsident Donald Trump verhängte vergangene Woche Sanktionen gegen zwei türkische Minister, nachdem ein Gericht das Verfahren gegen Brunson aufrecht erhalten hatte. Ein hochrangiges Treffen am Mittwoch in Washington brachte keine Lösung. Ökonomen fürchten, dass die USA in dem Streit nun den Druck weiter erhöhen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan machte wiederholt ausländische Verschwörungen für den Sturz der Währung verantwortlich. Am Donnerstagabend rief er bei einer Kundgebung in der Schwarzmeerstadt Rize seine Anhänger auf, die "verschiedenen Kampagnen gegen die Türkei" zu ignorieren. "Sie mögen ihre Dollar haben, doch wir haben unser Volk, unser Recht und unseren Gott", sagte der islamisch-konservative Politiker.

Der Präsident ist ein erklärter Gegner hoher Zinsen und hat die Zentralbank wiederholt zu ihrer Senkung aufgerufen. Als er vor den Wahlen im Juni ankündigte, die Geldpolitik stärker unter seine Kontrolle zu bringen, weckte er Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank. Dass er nach seiner Wiederwahl seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanz- und Wirtschaftsminister ernannte, beunruhigte ebenfalls die Märkte.

Trotz des Verfalls der Lira und des Anstiegs der Inflation, die im Juli 16 Prozent erreichte, verzichtete die Zentralbank bei ihrer letzten Sitzung im Juli auf eine Leitzinsanhebung. Erdogan sieht Zinsen als "Mutter allen Übels" und vertritt die unorthodoxe Theorie, dass ihre Senkung die Inflation reduzieren hilft. Die Untätigkeit der Regierung angesichts des Liraverfalls verstärkt jedoch noch die Sorgen der Märkte.

Wegen des Währungsverfalls wachsen auch die Sorgen über die Auswirkungen auf europäische Banken. Die "Financial Times" berichtete am Freitag, die Europäische Zentralbank (EZB) prüfe die Auswirkungen der Währungskrise auf Banken wie die spanische BBVA, die italienische UniCredit und die französische BNP Paribas, die besonders exponiert seien, da türkische Unternehmen und Banken bei ihnen hohe Schulden hätten.

Am Nachmittag wollte Finanzminister Albayrak ein "neues Wirtschaftsmodell" präsentieren, doch reagierten Investoren skeptisch. "Das Gerede von einem neuen Wirtschaftsmodell, das heute vorgestellt werden soll, kann kaum die Sorgen der Investoren beruhigen angesichts eines Staatschefs, der auf die Intervention Gottes und des Volkes zu setzen scheint", kommentierte der Analyst Michael Hewson von CMC Markets UK.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bundeshaushalt: Klingbeils Kraftakt mit zwei Haushalten und einem klaren Ziel
17.05.2025

Ein Kaltstart für Finanzminister Klingbeil: Treffen in Brüssel, die Steuerschätzung, Gespräche der G7 – alles binnen zwei Wochen. Der...

DWN
Politik
Politik Elon Musk: Der stille Umbau der USA in ein Tech-Regime
17.05.2025

Nie zuvor in der modernen Geschichte der USA hat ein einzelner Unternehmer derart tief in den Staat eingegriffen. Elon Musk, offiziell ohne...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up WeSort.AI: Wie künstliche Intelligenz die Mülltrennung revolutioniert
16.05.2025

Die Müllberge wachsen von Jahr zu Jahr, bis 2050 sollen es fast siebzig Prozent mehr Abfall sein. Die Brüder Johannes und Nathanael Laier...

DWN
Politik
Politik Zentralplanerisches Scheitern: Lukaschenkos Preiskontrolle lässt Kartoffeln verschwinden
16.05.2025

Die belarussische Regierung hat mit rigider Preiskontrolle einen der elementarsten Versorgungsbereiche des Landes destabilisiert....

DWN
Finanzen
Finanzen Philipp Vorndran: „Kaufen Sie Immobilien, Gold – und streuen Sie Ihr Vermögen global“
16.05.2025

Anleger müssen umdenken: Investitionsstratege Philipp Vorndran warnt im Gespräch mit Peter Frankl vor einem Kollaps des alten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Kleinaktionäre drängen auf Rückzug von VW-Chef Blume bei Porsche
16.05.2025

VW-Chef Blume steht zunehmend unter Druck: Kritik aus den eigenen Reihen bringt seine Doppelrolle ins Wanken. Wie lange kann er sich noch...

DWN
Finanzen
Finanzen Was sind alternative Investments? Whisky, Windpark, Private Equity – wie Sie abseits der Börse Rendite machen
16.05.2025

Alternative Investments gelten als Baustein für resiliente Portfolios. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Anlageklasse? Warum sie...

DWN
Politik
Politik Dobrindt: Grenzkontrollen markieren den Beginn eines Kurswechsels
16.05.2025

Innenminister Dobrindt setzt auf strengere Maßnahmen und schärfere Grenzkontrollen – ein klarer Kurswechsel in der Migrationspolitik....